The Charge of the Light Brigade (1936)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
12. April 2009
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Hollywood in den frühen 1930ern

Fünf große Studios dominierten von den 1930ern bis in die 1950er das amerikanische Filmgeschäft: Paramount, MGM, Warner Brothers, 20th Century Fox und RKO Radio Corporation. Es waren die Jahre, in denen die Traumfabrik Hollywood unterm Strich ihre beste Zeit hatte. Aber auch in dieser als Golden Age apostrophierten Ära hatte man mit mancherlei Schwierigkeiten zu kämpfen. So führten die Turbulenzen des Börsenkrachs Ende der 20er Jahre und die sich anschließende Depression in den 30er Jahren dazu, dass frühe Experimente mit Breitwandverfahren bis zum Anfang der 50er Jahre auf Eis gelegt werden mussten. Eine weitere größere flächendeckende Investition war damals den Kinobesitzern nach der teuren Umrüstung auf Tonfilm nicht zuzumuten.

Besonders die frühe Tonfilmtechnik hatte allerdings noch eklatante Probleme, den Klang eines größer besetzten Klangkörpers befriedigend einzufangen. Entsprechend machten zuerst eher kleinere Spielerbesetzungen mit im Verhältnis größerem, damals noch akustisch besser abzubildendem Bläseranteil Sinn. Ein stärkerer Streicherchor fiel hingegen nicht wirklich überzeugend ins Gewicht. Bereits ab der zweiten Hälfte der 1930er führten fortlaufende technische Verbesserungen zu merklich besseren Resultaten. Und so manches gut erhaltene Lichttonmaster, besonders ab etwa 1940, überrascht mit recht vollem Sound — siehe auch Kings Row. Den Durchbruch zu High-Fidelity und in Folge auch zum Stereophonic-Sound brachte allerdings erst die Umrüstung der Tonstudios auf Magnetton zu Beginn der 1950er Jahre.

Ein Ungar, ein Australier und ein prestigeträchtiges Leinwandabenteuer

Für Warner war The Charge of the Light Brigade (1936) mit rund 1.2 Mio $ Produktionskosten ein groß angelegtes exotisches Leinwandabenteuer. Zugleich ist es eine der aufwändigsten Actionunterhaltungen der 1930er und 1940er Jahre — etwas, das man heutzutage als Blockbuster bezeichnen würde. Initiiert wurde der Film durch den ein Jahr zuvor von Regisseur Henry Hathaway inszenierten, überaus erfolgreichen The Lives of a Bengal Lancer • Bengali (1935). Warner hängte sich an und verpflichtete den aus Budapest stammenden Regisseur Michael Curtiz, dessen Name (erst späterhin) in ganz besonderem Maße mit dem Melodram Casablanca (1943) verknüpft worden ist.

Michael Curtiz war in jenen Tagen im Verhältnis das „Action-Schlachtross“ und zeichnete bereits für den ersten Leinwanderfolg Errol Flynns verantwortlich: Captain Blood • Unter Piratenflagge (1935). Wie in diesem agierte auch in The Charge of the Light Brigade Olivia de Havilland erneut als Flynns charmanter weiblicher Widerpart. Der ebenfalls große Erfolg von Charge untermauerte sowohl Errol Flynns als auch Olivia de Havillands Starkarriere. Zusammen waren beide erstmalig in Technicolor in The Adventures of Robin Hood • Robin Hood, König der Vagabunden (Die Abenteuer des Robin Hood) (1938) und ein letztes Mal, allerdings wiederum in Schwarzweiß, in They Died with Their Boots on • Sein letztes Kommando (1941) zu sehen.

Mit Flynn setzte Curtiz noch weitere, auch heutzutage zum Großteil noch überaus ansehnliche Abenteuerstoffe in Szene: den bereits genannten The Adventures of Robin Hood sowie Dodge City • Herr des wilden Westens (1939, Musik: Max Steiner), The Private Lives of Elizabeth and Essex • Günstling einer Königin (1939, Musik: E. W. Korngold), Virginia City • Goldschmuggel nach Virginia (1940, Musik: Max Steiner), The Sea Hawk • Herr der sieben Meere (1940, Musik: E. W. Korngold) und Santa Fe Trail • Land der Gottlosen (1940, Musik: Max Steiner). Fast könnte man sagen, Flynns Starerfolg sei entscheidend mit der Regiearbeit des ihm in vielem jedoch verhassten Michael Curtiz verknüpft gewesen. In jedem Fall führten die zunehmenden Spannungen zwischen den beiden zur Trennung. Ab 1941 arbeitete Flynn mit Raoul Walsh zusammen, konnte aber in Folge nur noch zweimal, mit They Died with Their Boots on (s. o.) (1941) und Gentleman Jim • Gentleman Jim, der freche Kavalier (1942, Musik: Heinz Roemheld), annähernd an seine vorherigen Erfolge anknüpfen. Anschließend begann sein langsamer, aber unaufhaltsamer Abstieg. Zwar konnte Flynn mit The Adventures of Don Juan • Die Abenteuer des Don Juan (1949) nochmals einen sehr respektablen Erfolg verbuchen. Dies freilich nur, weil die sorgfältige Regie von Vincent Sherman Flynns infolge Alkohol- und Drogenproblem schon damals stark angeschlagene Konstitution gnädig und gekonnt kaschiert. Am letzten Erfolg des ehedem so strahlenden Leinwandkavaliers hat auch Max Steiners äußerst liebe- und respektvolle musikalische Korngold-Hommage ihren Anteil.

Doch von Flynns Niedergang ist in The Charge of the Light Brigade noch nichts zu spüren. 1936 lacht noch ungetrübt die Sonne über diesem romantisierten wie heroisierten Blick auf die britische Kolonialgeschichte der viktorianischen Ära. Zum dem Höhepunkt zugrunde liegenden geschichtlichen Vorfall, dem Angriff der leichten britischen (Kavallerie-)Brigade im Krimkrieg im Jahre 1854 siehe „Schlachten der Weltgeschichte“. Warner gestaltete den historischen Vorfall sehr frei zum finalen Action-Highlight in einer etwas überkonstruiert wirkenden Rachestory, welche im Indien der frühen 1850er ihren Ausgang nimmt. Zur Inspiration diente Alfred Lord Tennysons berühmte Ballade, deren Text im Finale übrigens auch eingeblendet wird.

Hier ein Auszug:

„[..…] ‚Forward, the Light Brigade! Charge for the guns!‘ he said: Into the valley of Death rode the six hundred. ‚Forward, the Light Brigade!‘ Was there a man dismay’d? Not tho’ the soldier knew someone had blunder’d: Their’s not to make reply, their’s not to reason why, their’s but to do and die: Into the valley of Death rode the six hundred [..…]“

Tennyson zeigt sich voll als Kind seiner Zeit, der imperialistischen viktorianischen Ära, indem er ein militärisches Desaster erster Güte nebulös zur heroischen Tat verklärt und vom Soldaten widerspruchlosen Ritt in sinnlosen (Helden-)Tod einfordert (s. u.).

Zentralfigur des Filmplots ist Geoffrey Vickers (Errol Flynn), ein Hauptmann der „Bengal Lancers“, einer Kavallerie-Einheit der britischen Kolonialtruppen. Sein Gegenspieler und schließlich Auslöser für die desaströse finale Attacke ist Surat Khan. C. Henry Gordon verkörpert den schmierig wirkenden indischen Emir, der seinen britischen Verbündeten alsbald in den Rücken fällt, indem er zu den Russen überläuft. Als Chukoti, die befestigte Garnison der Bengal Lancers, zu Manövern von Truppen weitgehend entblößt ist, sieht Surat Khan seine Stunde gekommen und lässt das unhaltbar gewordene Fort angreifen. Die in der Falle sitzenden Briten gehen auf das Angebot freien Abzugs ohne Waffen ein und kapitulieren. Das darauf folgende Massaker an den wehrlos unter weißer Flagge Abziehenden erinnert an „Der letzte Mohikaner“. Nur Vickers, der zu Beginn des Films dem Khan bei der Tigerjagd das Leben rettete, und seine Verlobte Elsa Campbell (Olivia de Havilland) lässt der Verräter entkommen. Wenig später führt der Ausbruch des Krimkrieges auch das Regiment der Bengal Lancers auf die russische Halbinsel in die Kämpfe um Sebastopol. Als Vickers erfährt, dass sich Surat Khan auf der Seite des russischen Gegners auf den Höhen bei Balaklawa befindet, fälscht er einen Befehl und führt die 600 Mann ins Tal des Todes gemäß den fragwürdigen Worten des Dichters Lord Tennyson: „[…] When can their glory fade? O the wild charge they made! All the world wondered. Honor the charge they made, honor the Light Brigade, noble six hundred.“

Der in Budapest als Kertész Mihály geborene Regisseur kam über Wien nach Hollywood. In der an der Donau gelegenen Josefstadt nannte er sich Michael Kertecz. In den USA wurde daraus dann Michael Curtiz (1888—1962). Er, der zeitlebens ein eher unbeholfenes, mit starkem Akzent versehenes Englisch sprach, konnte zwar auch Melodramen in Szene setzen, aber wenn es um die Gestaltung von Action ging, lief er zu ganz besonderer Hochform auf.

In Charge gibt es insgesamt drei, sich von einem zum nächsten in Länge und Aufwand steigernde Actionhöhepunkte. Zuerst die noch eher kleine Auseinandersetzung mit Angehörigen eines feindlichen Stammes, die einer kleinen Abteilung der Bengal Lancers unter Vickers für die Garnison erworbene Pferde abjagen wollen. Als nächstes dann die bereits recht groß angelegte, in einem Massaker endende Attacke auf Chukoti und schließlich die das Finale bildende ausladend inszenierte Reiterattacke auf die russischen Geschützstellungen bei Balaklawa. Max Steiners Filmmusik ist genau das, was ein solches klassisches Abenteuerepos braucht, um die dem großen finalen Höhepunkt zustrebende Filmhandlung gekonnt zu unterstreichen und dabei den Zuschauer mitzureißen.

Wie bereits angemerkt markierte The Lives of a Bengal Lancer den Einstieg in eine Reihe vergleichbar gelagerter Leinwandabenteuer vor exotischer Kulisse. Der Erfolg von Charge führte noch zu zwei weiteren besonders bemerkenswerten Filmen: The Four Feathers • Die vier Federn (1939, Musik: Miklós Rózsa) und Gunga Din • Aufstand in Sidi Hakim (1939, Musik: Alfred Newman).

Max Steiners Einstand bei Warner Brothers

Max Steiner, der in vielem zu Recht als der Vater der Tonfilmmusik gilt, arbeitete von 1929 bis 1935 beim kleinsten der o. g. Studios: bei RKO Radio Corporation. Dort legte er nicht nur den Grundstein seiner Karriere, sondern machte zugleich Schule mit der Vertonung von King Kong (1933) und weiteren exemplarischen Filmmusiken, wie The Three Musketeers. (Biografische Infos zu Max Steiner finden sich im Artikel zu They Died with Their Boots on.)

Für Max Steiner war The Charge of the Light Brigade sein Debüt bei den Warner Brothers. Damit diese Komposition letztlich auch der Startpunkt einer fast 30 Jahre währenden Bindung an Warner werden konnte, mussten zuvor einige Hindernisse aus dem Weg geräumt werden. Ende 1935 hatte Steiner RKO verlassen und Vertrag mit David O. Selznicks unabhängiger Produktionsfirma Selznick International Pictures gemacht. Selznick verlieh dann seinen Hauskomponisten an Warner zur Vertonung des anstehenden Prestigeprojekts The Charge of the Light Brigade mit Errol Flynn in der Hauptrolle — dies ist übrigens auch ein Zeichen für die Kollegialität innerhalb des insgesamt zweifellos nicht generell positiv zu beurteilenden Studiosystems. Als Steiner 1937 bei der Arbeit an A Star is Born durch Selznicks Einmischung und diverse Eingriffe in seine Musik ziemlich verärgert wurde, ergriff Jack L. Warner die Gelegenheit beim Schopf. Steiner wurde quasi aus dem Vertrag herausgekauft, unter der Bedingung, dass er weiterhin jährlich einen Vertonungsauftrag für Selznick ausführen würde — das ermöglichte Gone with the Wind (1939).

Nach den frühen Jahren bei RKO, in denen Max Steiner sein Können bereits unter eher bescheidenen Rahmenbedingungen unter Beweis gestellt hatte, standen ihm bei Warner erheblich größere Musikbudgets und zugleich eines der führenden Orchester in Hollywood zur Verfügung. Und das ist bereits im 1936er Debüt unüberhörbar. Erstmals spielt ein angemessen groß besetztes Orchester auf, um die filmmusikalischen Klangvisionen des Wiener Emigranten angemessen zu Gehör zu bringen.

Wie in all seinen guten und sehr guten Filmkompositionen gestaltet Steiner auch diese, indem er eine Reihe prägnanter musikalischer Themen und Motive äußerst geschickt und farbenprächtig im Sinne Wagner’scher Leitmotivik verarbeitet. Der zentrale, übrigens nicht adaptierte, vielmehr eigens komponierte prächtige Marsch für die Leichte Brigade klingt überzeugend britisch. Er steht zugleich für den tapferen Geoffrey Vickers und damit für militärische Pflichterfüllung. Surat Khan wird ein markantes 6-töniges Motiv zugeordnet, das anfänglich, besonders „exotisch“ präsentiert, eher etwas fahl und geheimnisvoll anmutet und späterhin zunehmend unheimlich und bedrohlich erscheint. Dieses wird schließlich zum mahnenden Motiv der Rache für die Toten des Massakers von Chukoti. Während des Kampfes und der Belagerung von Chukoti ist Surat Khan praktisch unsichtbar, dafür ist er allerdings in diesen Teilen des Scores in Form seines Motivs geradezu omnipräsent („Attack of the Suristanis“ bis „Massacre/A Debt is Paid“).

Steiners Komposition tut das, was sie in den sehr guten Steiner-Scores immer tut: Sie folgt exakt den Intentionen des Films und das heißt hier, dass sie das Leinwandgeschehen vorbehaltlos glorifiziert. Da wehen prächtig die Fahnen und die Leichte Brigade reitet zu entsprechend schmissig strahlenden Marschklängen, sodass an ihrem tadellosen Tun keinerlei Zweifel aufkommt. Sicher gilt, dass man es heutzutage (längst) so nicht mehr machen mag, aber vielleicht ist es ja gerade deswegen auch besonders faszinierend. Zumal man der Musik nun gewiss nicht vorwerfen kann, sie sei plump gemacht. Wie Steiner hier dazu beiträgt, dem Gezeigten durch seine Musik zusätzlich Kraft und Glanz zu verleihen, ist erstklassig. Dabei schafft er auch eine musikalische Verbindung zwischen den drei Action-Highlights und vermag durch die raffiniert angewandte Collagetechnik besonders zu begeistern. Steiners Musik führt den Zuschauer, aber auch den Hörer des vorliegenden Albums, so Schritt für Schritt zum (auch) musikalisch krönenden Finale.

Zum Einstieg (Rollentitel) erklingt übrigens noch nicht Steiners späterhin so markante, mit dem im Vorspann eingeblendeten Logo verknüpfte Warner-Fanfare. Diese gab’s nämlich erstmalig 1937 zur Eröffnung der Anatole-Litvak-Komödie Tovarich (mit Claudette Colbert und Charles Boyer) zu hören. Statt dessen führt ein üppiges, marsch- und zugleich fanfarenartig anmutendes Orchester-Crescendo den Zuschauer wie Zuhörer unmittelbar mit heroischem Unterton ein und geht über in ein getragen feierliches Statement von „Rule Britannia“. Nach etwa 50 Sekunden bildet sich dann die erste Klangcollage: in Form einer besonders martialischen, vielstimmigen, komplex-dissonanten Klangschichtung mit darüber gelegten Militärsignalen. Hier nimmt Steiner in der anklingenden Hysterie bereits ein wenig vom Höhepunkt des Films, von der großen Reiterattacke und damit dem Chaos der Schlacht vorweg. Die Wirkung ist effektvoll und brillant zugleich — in ähnlicher Form gestaltete der Komponist übrigens einige Jahre später auch den Main Title von They Died with Their Boots on (s. o.). Anschließend beruhigt sich das musikalische Geschehen, das zentrale Thema des Scores, der (Parade-)Marsch der Leichten Brigade, nimmt Gestalt an und führt direkt in die erste Szene.

Collagetechnik findet sich bei Steiner immer wieder mal. In der Musik zu Charge kommt diese in ganz besonders ausgeprägtem Maße zum Einsatz. Bereits der zuvor beschriebene Main Title gibt dafür ein erstes Beispiel und die zum groß angelegten Actionfinale über rund 10 Minuten erklingende Komposition ist in diesem Sinne geradezu ein Meisterstück an urwüchsiger, zum exzellent organisierten Chaos tendierender, entfesselter orchestraler Wildheit. Ein packendes, sich fortwährend in Tempo und Rhythmik steigerndes, von starken dynamischen Kontrasten bestimmtes martialisches Klangdesign erwartet und umfasst mit seinem überbordendem Klangstrom geradezu den Hörer. Wobei die Trompetensignale besonders markant aus den kontrapunktischen klanglichen Schichtungen hervorragen. Das beständig zunehmende Tempo und die sich ebenfalls steigernde musikalische Wucht harmonieren dabei geradezu perfekt mit dem auf der Leinwand Gezeigten.

Steiner hat die Schlacht vollständig durchkomponiert, wobei neben ein wenig vom Strauss’schen „Ein Heldenleben“ zwei weitere Vorbilder — freilich aus sehr großer Distanz — zu nennen sind: „Wellingstons Sieg“ (Beethoven) und die „Ouvertüre Solenelle 1812“ (Tschaikowsky). Steiners Ansatz geht über die beiden zuletzt genannten besonders weit hinaus. In der Modernität der collagehaften Teile (nicht nur der Schlachtenmusik, sondern z. B. auch in „Rescue Troops to Chukoti“) kommt er stilistisch den damals kaum bekannten Kompositionen des Amerikaners Charles Ives (1874-1954) schon recht nahe. (Ob Steiner zum damaligen Zeitpunkt überhaupt Gelegenheit hatte, mit Ives’ Musik in Kontakt zu kommen, erscheint eher unwahrscheinlich.) Allerdings gibt es Vorbilder auch in der Musik anderer Komponisten. Ein interessantes Beispiel findet sich sogar bei einem der Verwalter des Johann-Strauß-Erbes: in Franz Lehárs sinfonischer Dichtung „Fieber“.

Neben den eigenen Themen bindet der Komponist auch in den collagehaften Partien ganz typisch und unverwechselbar Traditionals ein, indem er diese mit gehörigem Steiner-Touch versehen, auch in variierter Form, aufscheinen lässt: so das nicht nur zu Beginn und am Schluss den Gefallenen der Attacke Ehre erweisende weihevoll intonierte „Rule Britannia“, außerdem „British Grenadiers“ und ebenso die Zarenhymne für die im rasanten Action-Finale zum Gegenstoß ansetzende russische Reiterei. Und in einer frühen romantischen Szene klingt äußerst charmant der Mendelssohn’sche „Hochzeitsmarsch“ an.

Eine Schlachtmusik vergleichbaren Ausmaßes findet sich im Steiner’schen Œuvre nicht mehr. Als ähnlich effektvolles Pendant, wenn auch in deutlich kleineren Ausmaßen, lässt sich hierzu die Musik zur Custer-Schlacht am Little Big Horn in They Died with Their Boots on (1941) heranziehen. Im erheblich späteren The Last Command • Die Barrikaden von San Antone (1955) ist der um das Alamo musikalisch entfesselte Kampf allerdings erheblich konventioneller und behäbiger geraten. Und was hat Hollywood sonst noch in dieser Richtung musikalisch zu bieten? Kaum etwas! Am ehesten noch die recht schmissig vertonte Finalschlacht in Alamo (1960, Musik: Dimitri Tiomkin).

Sicher ist bei The Charge of the Light Brigade aufgrund der actionreichen, heroischen Kavallerie-Thematik relativ wenig Raum für eher dezent Auskomponiertes. Doch selbst hier hat Max Steiner nicht nur eine gewieft gehandhabte Schlachtplatte im Angebot, sondern sorgt in einigen ruhigen Momenten auch für Abwechslung und Kontrast. So wenn er Little Prema, den kleinen Sohn einer Sepoy-Familie — in Chukoti stationierte indische Soldaten unter britischem Kommando — bei der Rückkehr der Truppe Geoffrey Vickers’ begeistert begrüßen lässt. Steiner illustriert diese Prise Kolonialromantik mit einem humorvollen, dem Kind angemessenen Mini-Scherzo, versehen mit ein wenig direkt auf das Bild komponiertem Mickey-Mousing. Indem er in „Geoffrey bids Farewell“ das delikate Liebesthema für Elsa Campbell (Olivia de Havilland) anstelle des vollen Streicherchores von nur vier Violinen intonieren lässt, schafft er einen besonders zärtlichen und intimen Moment. Und auch in den großen Ballszenen erweist sich der Wiener als voll in seinem Element, indem er mehrere elegant auskomponierte Walzer als Source-Music ins Rennen schickt. Elsa Campbells Liebesthema erhält dabei einen Extra-Auftritt mit viel Wiener Charme. Spätestens an dieser Stelle präsentiert sich Max Steiner als der Walzerkönig im Hollywood jener Zeit.

Allerdings erweist er sich als ebenso geschickt und effektvoll im Nutzen der begrenzten Momente, in denen die Musik schweigt. So ist die Stille, wenn die zum Entsatz von Chukoti eilmäßig angerückten Truppen nur noch Leichen vorfinden, besonders beklemmend.

Der exotische Schauplatz Indien spiegelt sich in einigen Momenten zu Beginn des Films auch musikalisch, freilich in einer rein stilisierten und damit austauschbaren, der spätromantischen Oper nahe stehenden Form. Das sollte man Steiner nun in der Rückschau nicht zum Vorwurf machen, da es damals noch absolut üblicher Stand der Technik war. Da sieht es auch beim mitunter etwas zu sehr in den Vordergrund gerückten E. W. Korngold, z. B. in Juarez (1938) nicht „besser“ aus. Immerhin hat Steiner späterhin verschiedentlich mexikanische Folklore deutlich authentischer verarbeitet, z. B. in The Treasure of the Sierra Madre * Der Schatz der Sierra Madre 1948). Nun, trotz mangelnder Echtheit ist die Monotonie in der Hintergrundmusik am Hofe des Surat Khan in „Dispensing with Formalities“ durchaus überzeugend. Fasst sie doch unterschwellig zugleich elegant das falsche Spiel des mit öligem Charme agierenden skrupellosen Surat Khan im Politpoker mit einer Abordnung des britischen Militärs in Töne. Unter anderem sorgen hier eine Balalaika und das zitherähnliche Cymbalom für den exotischen Touch. Steiner hat diese Musik leicht verändert in Casablanca (1943) wieder verwendet.

Gern wird gerade Max Steiner dafür kritisiert, Filme mit zuviel und zu üppig instrumentierter Musik ausgestattet zu haben. Das ist ein Vorwurf, der in mancherlei Fällen durchaus zutreffend, aber pauschaliert eher unsinnig ist. In den entscheidenden Fällen ist es dem Wiener durchaus gelungen, eine zur entsprechend üppigen und bevorzugt plüschigen Dramaturgie der von ihm vertonten Filme adäquate Musikbegleitung zu schaffen. Dabei wird immer (noch) gern als typisch für das Golden Age ein generelles „wall to wall“ gehandelt; eine Feststellung allerdings, die eingehender Betrachtung nicht standhält. Dass für den Wunsch nach möglichst viel Filmmusik im Falle (nicht nur) Steiners besonders Jack L. Warner verantwortlich zeichnete, ist seit geraumer Zeit bekannt. Auch muss man berücksichtigen, dass der gern gegen Max Steiner ins Feld geführte Bernard Herrmann fast durchweg völlig anders gelagerte (!) Filmstoffe zum Vertonen ausgewählt hat, eben solche, für die sein deutlich anders gelagerter Stil eindeutig passender war.

Herrmann hat dies im Übrigen wohl nicht ganz so eng gesehen. So bezeichnete er seine stark thematisch orientierte Musik zur melodramatischen, reizenden romantischen Gespensterstory The Ghost and Mrs. Muir (1944) doch nach eigener Aussage als „seinen Max-Steiner-Score“. Ebenso darf man nicht übersehen, dass Steiner bei Warner als Leiter des Music Departments allein von der Menge zu komponierender Musik in ganz anderem Maße — nämlich ins harte Tagesgeschäft! — eingebunden war als Herrmann. Der konnte es sich materiell eben leisten, „nur“ etwa alle sechs Steiner-Scores einen eigenen zur Filmmusikgeschichte Hollywoods beizusteuern.

Max Steiner komponierte für The Charge of the Light Brigade insgesamt rund 100 Minuten Musik. Wobei das Album rund fünf Minuten Musik enthält, die für Szenen komponiert wurden, die im finalen Schnitt der Schere zum Opfer fielen. Somit ergeben sich etwa 95 Minuten Musik zu 115 Minuten Film.

Die umfangreiche, mehr als 1000 Seiten umfassende Orginalpartitur erstellte in erster Linie Hugo Friedhofer, der bereits kurz zuvor mit Erich Wolfgang Korngold bei Captain Blood (1935) zusammengearbeitet hatte. Friedhofer, der Steiners ausführliche Kompositionsskizzen als vergleichbar exakt wie eine Straßenkarte bezeichnete, wurde beim Orchestrieren unterstützt von George Parrish, R. H. Bassett und Maurice De Packh.

Die Orchesterbesetzung ist für die Zeit gewaltig. Besonders stark besetzt sind zwangsläufig das Schlagwerk mit diversen Pauken, Becken und Militärtrommeln, Tamtams verschiedener Größen, Vibraphon und Marimba sowie natürlich die Bläsersektion mit unter anderem sechs Trompeten und zusätzlich verschiedenen Signaltrompeten, vier Posaunen, zwei Tuben und vier Hörnern. Hinzu kommen noch zwei Harfen, Klavier, Celesta und Orgel.

Zwei sehr ansprechende Zugaben hält das Doppel-CD-Set von Tribute ebenfalls noch für den Hörer bereit: „The Light Brigade Rides Again“ ist die nicht einfach mit der Schere, sondern vom Maestro speziell eingerichtete Musik zum knapp fünfminütigen Produktionstrailer. Sehr geschickt sind hier Höhepunkte des Scores in Häppchenform miteinander kombiniert. Dass Steiner auch ein Meister der schnellen, mitunter abrupten Tempiwechsel war, wird dabei geradezu exemplarisch vorgeführt. Noch obendrauf gibt’s eine weitere Trailermusik zum frühzeitigen Einstimmen auf ein zukünftiges Tribute-Projekt: die Frank-Capra-Komödie Arsenic and Old Lace • Arsen und Spitzenhäubchen (1944).

Die diversen Einspielungen der Filmmusik

Auf dem RCA-Kompilationsalbum „Now Voyager — The Classic Film Scores of Max Steiner“ hat Charles Gerhardt mit dem National Philharmonic Orchestra bereits 1973 immerhin den Marsch der Leichten Brigade zum Erklingen gebracht. Und John Morgan und William Stromberg spielten bereits 1994 mit den Brandenburger Philharmonikern in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem eine Suite von rund 26 Minuten ein, erschienen auf dem Marco-Polo-Album „Historical Romances“. 1998 erschien auf dem Label Centaur zusammen mit The Treasure of the Sierra Madre eine 35-minütige Suite aus Charge, eingespielt von Barry Kolman und der Slowakischen Staatsphilharmonie Košice. Insgesamt besitzt gerade diese CD mittlerweile nur noch historisches Interesse. Den etwas behäbig wirkenden Einspielungen beider Filmmusiken fehlt es im Vergleich zu den Fassungen unter der Leitung von William Stromberg (auf Tribute Records und Marco Polo) eindeutig an Eleganz und Biss. Insbesondere bei Charge muss man sogar von einer besonders verunglückten Konzertfassung sprechen, die mit der originalen Filmmusik nur noch wenig gemein hat. Die entscheidenden Schwächen werden nicht erst im Vergleich mit der aktuellen Tribute-Komplettversion überdeutlich. Barry Kolman besitzt offenbar kaum Gefühl für die hier so bedeutende Collagentechnik von Maestro Steiner: Bei ihm fallen diese Passagen nahezu völlig auseinander.

Die für Marco Polo 1994 eingespielte Suitenfassung ist dagegen bereits eine sehr gelungene, die wichtigsten Höhepunkte der Filmmusik gut repräsentierende Sache. Diese macht allerdings die vorliegende Komplettfassung des Scores von Tribute beileibe nicht überflüssig. Erst mit dieser kann man Steiners wohlüberlegte musikdramatische Gesamtkonzeption eindeutig erkennen und damit auch eingehend studieren. Darüber hinaus ist die neue Einspielung mit den Moskauer Sinfonikern derjenigen mit den Brandenburgern punktuell (gerade in der finalen Attacke) schon noch ein merkliches Stück überlegen.

Bereits im Vorfeld der Veröffentlichung hat John Morgan sich dazu geäußert, wie extrem gerade die Musik zur Finalschlacht die Blechbläsersektion beansprucht hat. Diese knapp 10 Minuten profitieren ganz besonders von der sorgfältigen Probenarbeit und dem Zerlegen des Ganzen in einzelne separat aufgenommene Takes — so, wie es Steiner 1936 ebenfalls praktizierte. Nur so, durch ausgiebige Studioarbeit, vermag das schließlich am Schneidetisch wieder zusammengesetzte Gesamtgebilde derart mitreißend zu funktionieren wie hier. Als Konzertstück aufgeführt, dürfte man wohl über den zweifellos guten Level der Marco-Polo-Suite kaum hinauskommen.

Im Vergleich zur Tribute-Neueinspielung ist die Marco-Polo-Suite auch in den übrigen Tempi noch nicht völlig befriedigend. Darüber hinaus klingt sie durchaus gut, allerdings erheblich kompakter. Nur in der Tribute-Neueinspielung lassen sich die verschiedenen Ebenen in den komplexen Klangcollagen dank der vorzüglichen Arbeit des Toningenieurs Alexander Volkov derart exzellent heraushören. Volkovs Abmischung geht beim Auffächern des komplexen klanglichen Geschehens allerdings schon so weit, dass man von einem leicht artifiziellen Hauch sprechen darf.

The Charge of the Light Brigade. Der Film: gestern und heute

Insgesamt ist der Film auch heutzutage noch eine ansehnliche Abenteuerunterhaltung, obwohl das Handlungskonstrukt etwas unbeholfen ist und die Charaktere recht holzschnittartig wirken. Entscheidend sind hier, wie auch in so manchem beim genaueren Hinsehen oftmals deutlich flaueren Blockbuster unserer Tage (!), die geschickt umgesetzten, aufwändigen und temporeichen Actionszenen. Diese trösten über einige Schwächen dezent hinweg, halten den Zuschauer bei der Stange. Sol Politos Schwarz-Weiß-Fotografie und die auf das Konto von Second-Unit-Regisseur B. Reeves Eason gehenden Actionszenen sind erstklassig. Über die so überzeugende Gesamtwirkung sowie die charmante Patina von The Adventures of Robin Hood oder The Sea Hawk verfügt Charge allerdings nicht in gleichem Umfang.

Zweifellos visuell (wie auch musikalisch) grandios umgesetzt ist der Höhepunkt, der Angriff der leichten Brigade bei Balaklawa — gefilmt in Kalifornien, im San Fernando Valley und bei Sonora. Die äußerst harten Pferdestunts sind dabei allerdings etwas, das man nicht übersehen mag. Mit Hilfe exakt in der Länge dimensionierter Stahlseile löste man punktgenau heftige Stürze von Ross und Reiter aus. Das führte nicht nur zu oftmals schweren bis tödlichen Verletzungen der Tiere, es gefährdete auch die Gesundheit der Stuntmen in ganz erheblichem Maße. Schon seinerzeit versetzte diese Praxis Teile des Publikums in Rage und rief schließlich auch die Politik auf den Plan, sodass derart brutale Praktiken in den USA bald verboten wurden.

Insofern blieb der große Kassenerfolg für Warner zwiespältig. Deswegen, aber auch wegen der (spätestens) nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr zeitgemäß erscheinenden totalen Verklärung der den Titel gebenden Attacke sowie der britischen Rolle im Indien des 19. Jahrhunderts, erlebte das Epos im Gegensatz zu vielen anderen Flynn-Filmen derselben Ära in den USA nie eine Wiederaufführung. Vermutlich aus entsprechenden Gründen dürfte der Streifen auch in den meisten Ländern im Nachkriegseuropa ähnlich zurückhaltend behandelt worden sein wie in der Bundesrepublik.

Unter Der Verrat des Surat Khan wurde Charge im Oktober 1950 in Deutschland uraufgeführt, allerdings um rund 25 Minuten und damit (wie auch in anderen Fällen!) auf die bevorzugte Spielfilmlänge von 90 Minuten gekürzt. Erstmals im Oktober 1989 ist der Film im Fernsehen (ZDF) gezeigt worden. Erfreulicherweise sogar vollständig, allerdings komplett neu synchronisiert unter dem praktisch dem englischen Originaltitel entsprechenden neuen deutschen Titel Die Attacke der leichten Brigade. (Zu den Konsequenzen vieler Neusynchronisationen von Filmen besonders der 1930er und 1940er Jahre siehe ebenfalls They Died with Their Boots On.

In den Jahren dazwischen war der Film hierzulande praktisch verschollen, ist im Gegensatz zu anderen Errol-Flynn-Filmen auch nicht wiederaufgeführt worden. Erst seit Mitte der 1980er ist er in der vollständigen Originalfassung als 16-mm-Kopie auch hierzulande auf einigen Festivals wieder zu sehen gewesen. Die ursprüngliche deutsche Fassung von 1950, Der Verrat des Surat Khan, scheint allerdings verloren.

1968 hat sich der britische Regisseur Tony Richardson, Mitbegründer und wohl populärster Vertreter des britischen Free Cinema, erneut des historischen Vorfalls angenommen. Seine wesentlich näher am tatsächlichen Geschehen orientierte Umsetzung firmiert wiederum unter dem 1936er Titel The Charge of the Light Brigade und ist eine hierzulande leider wenig bekannt gewordene packende Absage an den Militarismus und überkommene, demütigende hierarchische Strukturen im Vorfeld der 68er Bewegung. Die große Reiterattacke ist hier ebenfalls durchaus kraftvoll inszeniert und reflektiert in einigen Einstellungen auch ein wenig den Vorläuferfilm. Allerdings ist die Schlacht hier kaum halb so lang und bleibt musikalisch vom Komponisten John Addison komplett ausgespart.

Fazit: Viele Steiner-Musiken sind in geschickt kompilierter Suitenfassung interessanter als eine Komplettfassung. The Charge of the Light Brigade zählt jedoch zweifellos zu den Ausnahmen. In der hier besonders umfangreich zum Tragen kommenden elegant praktizierten Collagetechnik handelt es sich um eine herausragende, exemplarische Arbeit des Wieners. Zwar dürfte sich mancher Hörer gerade bei den allerersten Durchgängen in Gänze etwas überfordert fühlen, mag anfänglich wahrlich erschlagen sein. Aber das wird sich, wie auch in anderen Fällen, bei eingehenderer Beschäftigung ändern. Die gewohnt kompetent wie liebevoll gemachte, mittlerweile fünfte Tribute-Edition ist wiederum mit einem informativen, opulenten Begleitheft versehen und ohne wenn und aber jeden Cent wert.

Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tribute Film Classics.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Ostern 2009.

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Komponist:
Steiner, Max

Erschienen:
2009
Gesamtspielzeit:
100:22 Minuten
Sampler:
Tribute Film Classics
Kennung:
TFC-1005
Zusatzinformationen:
Moscow SO, W. Stromberg

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