Juarez / The Prince and the Pauper

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
23. Dezember 2006
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

Juarez / The Prince and the Pauper

Das Tsunami-Label ist unter dem Dach von Firstfloor-Entertainment weiter im Geschäft. Die erste unter neuer Leitung produzierte Veröffentlichung ist ein Doppel-CD-Album mit Original-Einspielungen dreier klassischer Korngold-Filmmusiken, die im einzelnen bereits auf Cinemusic.de vorgestellt worden sind: The Prince and the Pauper • Der Prinz und der Bettelknabe (1937), auch unter dem Titel Mit eiserner Faust gezeigt), Between Two Worlds (1944, als TV-Premiere Zwischen zwei Welten) sowie der hierzulande bislang noch nicht offiziell gezeigte Juarez (1939).

Im Gegensatz zu verschiedenen früheren Tsunami-Veröffentlichungen vergleichbarer Lichttonmaster vermag die Tonqualität des vorliegenden Albums klar zu überzeugen. So leiden einige der besagten Tsunami-Alben historischen Tonmaterials daran, dass beim Aufpolieren mit diversen tontechnischen Nachbearbeitungsprogrammen wie „Cedar“ einfach zuviel des Guten getan worden ist. Geht man z. B. beim Entrauschen eines Musiksignals nicht äußerst behutsam und zurückhaltend vor, läuft man Gefahr, die Höhen hörbar zu beschneiden und so das gesamte Klangbild zu deformieren, ja gar zu ruinieren — siehe dazu auch FSMs On Dangerous Ground.

Das bereits 1921, also noch vor der offiziellen Ära des Tonfilms, zuerst in Deutschland entwickelte Lichttonverfahren durchlief in seiner Frühphase eine Reihe recht stürmischer technischer Verbesserungen. Bereits in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wurde infolge der Weiterentwicklungen von amerikanischer Seite ein solider Qualitätsstandard mit einem Frequenzgang von etwa 40 bis ca. 6000 Hz erreicht. Entsprechend zeigen gut erhaltene Lichttonmaster schon einen überraschend sauberen Bass- und Mitteltonbereich, klingen im Vergleich zum späteren hochwertigeren Magnetton in erster Linie rauer, sind anfälliger für Verzerrungen und weisen einen merklich stärkeren Rauschpegel auf — siehe dazu auch The Foxes of Harrow • Eine Welt zu Füßen (1947).

Besonders frisch klingt die 15-minütige Suite aus Between two Worlds, knapp dahinter gefolgt von Juarez, und den immer noch sehr respektablen dritten Platz belegt The Prince and the Pauper. Warum diese Musik zwangsläufig das Schlusslicht bildet, wird in den „Restoration Notes“ des Begleitheftes verdeutlicht: hier stand nämlich nur eine Kopie vom originalen Lichttonmaster auf Acetat-Platten zur Verfügung. Derartiges war seinerzeit nicht ohne unmittelbar hörbare Kopierverluste machbar. Markus Mahlkes Texte im ansprechenden Begleitheft liefern bei Juarez und The Prince and the Pauper kompetente Infos zu Film und Filmmusik; kurioserweise fällt Between two Worlds komplett unter den Tisch.

The Prince and the Pauper dürfte mit rund 53 Minuten vollständig sein. Bei Juarez fehlt zur Vollständigkeit zumindest ein kürzeres Fragment. Besagtes erklingt im Film, wenn Juarez auf der Flucht vor den Franzosen in einem Moment der Ruhe des Freundes Abraham Lincoln gedenkt und Korngold die „Battle Hymn of the Republic“ elegant eingearbeitet zitiert.

Qualitativ sind die hier vertretenen Korngold-Musiken über jeden Zweifel erhaben. Dabei dürfte der auch filmisch überzeugende Juarez als gelungene Kombination von Melodram- und exotisch angehauchtem Abenteuerscore mittelfristig wohl das größte Potenzial für eine komplette Neueinspielung besitzen. Gegenüber der mittlerweile wieder vergriffenen knapp halbstündigen Suite, gespielt vom New Zealand Symphony Orchestra unter James Sedares, macht die Originalversion in der Langfassung überdeutlich, wie viel wertvolles Musikmaterial der ordentlichen, aber keineswegs perfekten Nachspielung fehlt. Bei The Prince and the Pauper hingegen ist die von Morgan & Stromberg 1996 in der RCA-Reihe „100 Jahre Filmmusik“ eingespielte 38-minütige Suite vom Musikmaterial praktisch perfekt zusammengestellt und auch gut interpretiert — von einigen partiell etwas zu langsamen Tempi einmal abgesehen. Die im Original außerdem zu hörenden rund 15 Minuten Material enthalten keine echten musikalischen Highlights mehr, bestehen vielmehr aus sehr bildbezogenen, teilweise slapstickhaft anmutenden Stücken, die letztlich weniger wichtig sind — womit die diesbezüglichen Anmerkungen im Artikel zur Chandos-Einspielung von The Sea Wolf einer kleinen Korrektur bedürfen.

Korngold im Original zu hören, ist immer eine interessante und wertvolle Referenz. Wer beim Klang mit den genannten Einschränkungen leben kann, der liegt hier ebenso richtig, wie der historisch-technisch Interessierte. Da es sich hier, im Unterschied zu vergleichbaren Alben von SAE oder FSM, nicht um ein offiziell lizenziertes Produkt handelt, fallen die Infos im Begleitheft zwangsläufig erheblich weniger detailliert aus. Davon einmal abgesehen gibt’s am vorliegenden sorgfältig produzierten Tsunami-Album nichts Entscheidendes zu bemängeln, auch die Trackbezeichnungen sind zuverlässig.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.

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Erschienen:
2006
Gesamtspielzeit:
(2 CDs) 148:25 Minuten
Sampler:
Tsunami
Kennung:
TCI 0626

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