Im dritten Reich verboten – „Entartete Musik“, Folge 3

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. Oktober 2003
Abgelegt unter:
Special

Folge 3: Werke von Eisler, Schönberg, Ullmann und Hindemith

Nur wenige der aus dem Lande vertriebenen Künstler hatten das Glück – beispielsweise E. W. Korngold – die Jahre des Exils zumindest materiell sorgenfrei zu verbringen. Für viele wurde das lebensrettende Exil außerdem zur künstlerischen Katastrophe. Sie mussten sich einem in vielem anderen Kulturbegriff und dementsprechend verschiedenen Kriterien für Erfolg und Wert anpassen oder blieben erfolg- und brotlos. Die Erfolglosen führten, wie Heinrich Mann, entwurzelt und als „enemy aliens“ ein äußerst bescheidenes Dasein am Rande des Existenzminimums. Sie hatten zwar das nackte Leben gerettet, aber für sie wurde das Dasein in der Isolation letztlich zur Qual, das Paradies zur Hölle.

Natürlich wirkten sich die Umstände auch fatal auf das Schaffen der Vertriebenen aus. Sie und ihre einst zum Teil sehr erfolgreichen Werke wurden aus dem Bewusstsein des europäischen Kulturbetriebs geradezu nachhaltig getilgt; sie gerieten bei Publikum und Musiker-Nachwuchs in Vergessenheit. Selbst Erfolgreichen wie E. W. Korngold blieb es versagt, nach ihrer Rückkehr da anzuknüpfen, wo sie aufgehört hatten. Kein Wunder, saßen doch im Nachkriegskulturbetrieb zum großen Teil noch dieselben Leute an den Schalthebeln wie unter dem Hakenkreuz. Erschwerend hinzu kamen die rücksichtslos auf „Fortschritt“ ausgerichteten Dogmatiker der Seriellen Musik, die ebenfalls an einer Wiederbelebung kein Interesse zeigten. Und Komponisten, die keine Fürsprecher finden, deren Werke werden nicht gespielt. Für manche der Betroffenen galten Vertreibung und Ausmerzung gar bis in die 1980er, als die Ausstellung „Entartete Musik“ rekonstruiert wurde. Es ist m. E. daher sinnvoll den Begriff „Entartete Musik“ in erweitertem (und geschichtswissenschaftlich sicherlich strittigem) Kontext auch auf die Werke zu anzuwenden, die den Verantwortlichen des NS-Regimes überhaupt nicht bekannt sein konnten und/oder die gar erst nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. Dies ist also nicht ein reiner Werbegag, sondern vielmehr ein Stück späte Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.

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