In den beiden einander nahe stehenden Sinfonien ist Gustav Mahler zwar als Ausgangspunkt spürbar, beide Werke sind jedoch nicht zuletzt durch die Kürze der einzelnen Sätze deutlich von der Monumentalität des Vorbilds abgesetzt. Das „Alte Wien“ spiegelt sich in den launig verspielten, verfremdeten Walzerklängen und neben einem Zitat aus Heubergers „Der Opernball“ wird bitterböse das bekannte Volkslied „O du lieber Augustin, alles ist hin“ zitiert. Besonders erwähnenswert ist das Finale der 2. Sinfonie: an Max Reger erinnernde „Variationen und Fuge über ein hebräisches Volkslied“. Der klagend-schwermütige Gestus des Liedes wird in der sich leuchtend steigernden Schlussfuge ins Tröstlich-Optimistische gewandelt.
Die von der Sopranistin Juliane Banse einfühlsam und stimmungsvoll interpretierten 6 Lieder op. 17 entstanden 1937 und wurden 1994 von Geert van Keulen für Kammerensemble eingerichtet. Auch hier stellt der Komponist seine romantische Neigung erneut unter Beweis, indem er sich der damals als überkommen angesehenen Gattung des Orchesterliedes widmete.
James Conlon und das Gürzenich Orchester Kölner Philharmoniker sind exzellente Sachwalter dieser Musik, was eine ebenso tadellose Aufnahmetechnik noch unterstreicht.
Auch diese Werke zeigen, dass Ullmann kein fanatischer Neutöner war, vielmehr eine moderne Verbindung von atonalen und tonalen Klängen anstrebte. Seine Tonsprache ist markant ausdrucksvoll, mitunter schwelgerisch und ebenso subtil. Sie verrät außerdem den Klangsinn eines hervorragenden Instrumentators. Eine Musik, die merkliche Berührung mit der von Alexander von Zemlinsky zeigt; eine, die zur Romantik goldene Brücken offen hält.
Die Wirkung von Ullmanns Theresienstädter Kompositionen auf den Hörer ist natürlich auch von den (mitunter schon rein äußerlich) erschütternden Umständen ihrer Entstehung beeinflusst – „Der Kaiser von Atlantis“ ist im Original teilweise auf der Rückseite von Deportationslisten notiert. Allerdings ist unter dem Eindruck von Repression und Leid Geschaffenes nicht automatisch wertvoll. Ullmanns Schöpfungen erweisen sich jedoch in jedem Fall als von einem großen musikalischen Geist entworfene eigenständige Musik. Die Oper „Der Kaiser von Atlantis“ ist das Zugpferd der bisherigen Ullmann-Rezeption. Mögen zukünftig auch weitere seiner vorzüglichen Werke den ihnen gebührenden Platz in den Konzertsälen bekommen und damit auch im Bewusstsein breiterer Hörerschichten nachhaltig verankert werden.
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