Karl-May-Edition I: Orient-Box

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
29. Dezember 2006
Abgelegt unter:
DVD

Nach den Winnetou-Filmen der Rialto hat sich Universum Film auch der Karl-May-Filme von Artur Brauners CCC-Produktion angenommen. Neben der nachfolgend eingehender beleuchteten „Orient-Box“, in der sich die drei Wüstenabenteuer der Karl-May-Welle der 60er Jahre finden, sind noch zwei weitere DVD-Boxen-Sets auf dem Markt: die so genannte „Shatterhand-Box“ mit den Filmen Old Shatterhand und Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten sowie die „Mexiko-Box“, in welcher Der Schatz der Azteken und Die Pyramide des Sonnengottes enthalten sind. (Hinweis: Aus rechtlichen Gründen ist die DVD Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten derzeit vom Markt genommen, Old Shatterhand ist weiterhin als Einzel-DVD erhältlich.)

In den ersten sechs Bänden der Karl-May-Buchreihe finden sich die Wüsten- bzw. Orientabenteuer der May’schen Reiseerzählungen. Ihre Schauplätze sind in den Gebieten des Balkans, des heutigen Iraks, Kurdistans und der Türkei zu finden. Atze Brauner von CCC-Film hat daraus insgesamt drei Filme gemacht, die sich, wie üblich, am Inhalt des betreffenden Buches eher frei orientieren und wie auch die Westernabenteuer eher schematisierte Abenteuerunterhaltung bieten. May, der hier nicht Old Shatterhand sondern Kara Ben Nemsi heißt, wird von Lex Barker verkörpert, und der bereits aus den Winnetou-Filmen bekannte Ralf Wolter ist ebenfalls vertreten, er spielt hier den treuen Begleiter Hadschi Halef Omar.

Der mit Abstand interessanteste der drei Filme ist Der Schut (1964), in dem ein eindrucksvoll schillernder Rik Battaglia in der Titelrolle seine Karriere als späterhin klassischer Karl-May-Bösewicht begründete. Und ebenso wird der Film durch die solide integrierten humorigen Einlagen des Duos Sir David Lindsay (Dieter Borsche) und seines Butlers Archie (Chris Howland) getragen. Besagte funktionieren hier wesentlich besser als die eher willkürlich erscheinenden Auftritte Chris Howlands in Winnetou I oder Vergleichbares von Eddi Arent in Winnetou II. Michael Petzel bezeichnet im „Karl-May-Filmbuch“ den Film Der Schut treffend als „einen Western im Orient-Look“. Eine Feststellung, die auch für die beiden nachfolgenden Produktionen, Durchs wilde Kurdistan (1965) und Im Reiche des silbernen Löwen (1965), gilt. Die beiden letztgenannten sind allerdings längst nicht so überzeugend, sondern deutlich schwächer. Der Schut ist wohl Dank des Mitwirkens von Karl-May-Kenner Georg Marischka, der das Drehbuch verfasste, unterm Strich nicht nur klar das beste der drei Orientabenteuer, sondern überhaupt ein sehr unterhaltsamer Film der Karl-May-Welle. Darüber hinaus ist es der einzige Streifen des Orient-Trios, der zwar im wüstenlosen Jugoslawien gedreht, aber durch die Außenaufnahmen der im Kosovo befindlichen Stadt Peć sogar über einen Schuss originales orientalisches Flair verfügt. Durchs wilde Kurdistan (1965) und Im Reiche des silbernen Löwen (1965) entstanden nämlich in Spanien, in der Nähe des andalusischen Almeria. Ein Ort, der sich seit Anfang der 60er Jahre langsam zu einer Metropole des europäischen Films entwickelte. Sergio Leone hatte dort übrigens kurz zuvor die neue Tradition des Italowesterns mit Für eine Handvoll Dollar (1964) begründet. Beide Filme entstanden — vergleichbar mit beispielsweise den Film-Trilogien zu Der Herr der Ringe oder Die Matrix— in einem Arbeitsgang. Eine Tatsache, der sich allerdings manche der Beteiligten geraume Zeit nicht bewusst waren. Ein groß angelegtes juristisches Nachspiel war die Folge, das dem Filmprojekt eher traurige Popularität in der Presse bescherte. Im Bonusmaterial der DVD gibt Chris Howland dazu ein abgeklärt humorvolles Statement ab.

Für Der Schut komponierte der Winnetou-bewährte Martin Böttcher eine respektable Filmmusik, Raimund Rosenberger vertonte die beiden übrigen Streifen in merklich eigenwilligerer Weise. Alle Karl-May-Filmmusikfreunde, welche die Musiken zu (nicht ausschließlich) den drei Filmen der „Orient-Box“ möglichst vollständig und in guter (Mono-)Qualität besitzen möchten, seien auf die üppige Bear-Family-Box-Edition „Wilder Westen, Heißer Orient“ verwiesen, so sie diese nicht bereits ihr Eigen nennen.

Die Präsentation auf DVD: Universums Karl-May-Edition I — Orient-Box

Wie auch bei den Winnetou-Filmen von Rialto hat Universum auch bei den Filmen der Orient-Box versucht, im Rahmen des finanziell Mach- und Vertretbaren (!) bestmögliche Qualität zu gewährleisten. Entsprechend ist man bemüht, neue Videotransfers im originalen Bildseitenverhältnis (hier in CinemaScope mit 1 : 2,35), möglichst von noch vorhandenem Negativmaterial, zu erstellen — Transfers von alten Kinopositiven sind erheblich problematischer. Dabei werden erforderliche Farbkorrekturen und das Retuschieren von Bildfehlern sowohl mit Hilfe digitaler Computertechnik als auch per besonders zeit- und damit kostenintensiver Handretusche vorgenommen. Nach dem Zustand des zur Verfügung stehenden Filmmaterials ermittelt sich der zum Erreichen eines befriedigenden Gesamtresultates erforderliche Aufwand, welcher letztlich die zur Restauration erforderlichen Gesamtkosten bestimmt. Neben Grenzen der technischen Möglichkeiten (längst nicht jedes Filmmaterial ist überhaupt restaurierbar!) setzen die sich abzeichnenden Kosten in Relation zu den zu erwartenden Verkaufszahlen des finalen DVD-Produkts nachvollziehbare Grenzen des wirtschaftlich noch Vertretbaren.

Für den von den Winnetou-Editionen verwöhnten Konsumenten vereint die Orient-Box Licht und Schatten miteinander. Erfreulicherweise war die Materialsituation beim mit Abstand stärksten Film des Trios, Der Schut, vorzüglich. Das Resultat von DVD besticht daher durch satte und zugleich stimmige Farben, entsprechendem Kontrast sowie eine fantastische, an 70-mm-Produktionen gemahnende Schärfentiefe. Ebenso erfreuen dürfte die Fans, dass dieser Film jetzt gegenüber der bisher im TV zu sehenden FSK-6-Kinofassung um insgesamt rund 11 Minuten ergänzt ist und damit wieder die ursprüngliche Kinolänge besitzt.

Merklich eingeschränkter, aber immerhin als noch gut bis befriedigend, zeigt sich das Endresultat bei Durchs wilde Kurdistan. Dafür ist letztlich der schlechte Zustand des allein noch beschaffbaren, zum Teil durch Alterungsprozesse stark in Mitleidenschaft gezogenen und teilweise beschädigten Negativs verantwortlich. Die Farben der aufbereiteten Videoabtastung sind durchweg sogar gut bis sehr gut geraten, die Schärfe ist nicht perfekt, aber noch okay. Dagegen ist, neben einigen offenbar nicht korrigierbaren Bildfehlern, über weite Strecken mittleres bis starkes Grieseln im Bild unübersehbar. Trotz gewisser Mängel kann man hier unterm Strich aber „noch gut“ attestieren.

Demgegenüber nochmals deutlich bescheidener stellt sich die Situation bei Im Reiche des silbernen Löwen dar. Jeder der drei DVD-Amaray-Hüllen ist übrigens ein Info-Blatt beigefügt, das zum silbernen Löwen vermerkt, dass kein überspielbares Filmmaterial mehr zur Verfügung stand. Das Originalnegativ ist offenbar seinerzeit durch einen Wasserschaden unrettbar beschädigt worden und damit verloren. Entsprechend ist man hier den zwar nicht voll befriedigenden, aber letztlich wirtschaftlich einzig vertretbaren Weg gegangen, indem man den seinerzeit wohl für das Fernsehen angefertigten Studio-Videotransfer in technisch aufbereiteter Form auf DVD herausgebracht hat. Entsprechend der lange Zeit geltenden Gewohnheiten bei Videoüberspielungen bekommt man hier nur ein seitlich deutlich beschnittenes Bild zu sehen. Gegenüber Durchs wilde Kurdistan fällt neben merklich körnigerem Bild und eher matten, unbrillanten Farben besonders ein deutlicher Verlust an Schärfe ins Auge. An dieser Stelle reicht es also nur noch für ein wohlwollendes „noch befriedigend“. Der allerdings fast ausschließlich noch aus nostalgischen Gründen ansehbare Film macht dies angesichts des superben Der Schut m. E. erträglich, oder?

Neben den jeweiligen Filmen ist auf jeder DVD neben einer Bildergalerie jeweils ein Film-Trailer des betreffenden Karl-May-Films sowie eine Kollektion Werbe-Trailer des UFA-Universum-DVD-Programms enthalten. Das eigentliche Bonusmaterial ist auf der DVD zu Im Reiche des silbernen Löwen zu finden. Eine kleine Dokumentation vermittelt, wenn auch in sehr knapper Form, zumindest grundlegende Einblicke zum Verständnis des komplexen Film-Restaurationsprozesses. Ein kurzer Ausschnitt aus einer Wochenschau hat Nostalgisches im Gepäck, in Form eines Berichtes zur Deutschland-Premiere von Der Schut. Das kleine Highlight bildet das rund 21-minütige „Making Of“, in dem es neben Hintergrund-Infos zum Teil originelle Ausschnitte aus Interviews zu sehen gibt. Neben dem bereits erwähnten Statement von Chris Howland bereitet es gewisses Erstaunen, zu sehen und anzuhören, wie Atze (Brauner) in höchsten Tönen von der angeblichen Harmonie schwärmt, die seinerzeit während der Dreharbeiten zu Der Schut im Team geherrscht haben soll. Wobei Brauner noch ergänzend feststellt, so etwas wäre heutzutage jawohl völlig undenkbar. Das etwas ungläubige, fast andächtige Staunen schlägt aber direkt anschließend in süffisantes Grinsen um, wenn der Kommentator mit den Worten „das hat ein anderer aber merklich anders in Erinnerung“ zu Rik Battaglia überleitet.

Unterm Strich resultiert zur Orient-Box trotz gewisser Einschränkungen ein eindeutig positives Gesamturteil und so kann der folgende Werbeslogan zur Jagd auf die Fans freigegeben werden: „Auf, auf, denn Alle zwischen 12 und 90, hinein ins große DVD-Abenteuer. Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef — die Helden des Orients, erwarten Euch schon bald.“

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.

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Erschienen:
2005
Vertrieb:
Universum Film
Kennung:
DVD 82876 72396 9 (3 DVDs)

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