Erste Skizzen zur „Deutschen Sinfonie“ erfolgten im Frühjahr 1935. Hierbei handelt es sich um ein Chor-Werk, das im Laufe der Zeit über den ursprünglichen Anspruch – die brutalen Umtriebe des Faschismus in Deutschland (die KZs) anzuprangern – hinaus, zur allgemeingültigen Mahnung gegen selbigen ausgestaltet wurde. Das zuerst zweisätzige Stück sollte anlässlich der Pariser Weltausstellung 1937 uraufgeführt werden. Doch gegen die Aufführung einer „Antihitler-Symphonie“ intervenierten die Nazis in höchsten französischen Regierungskreisen: mit Erfolg.
Nach und nach kamen immer mehr Sätze hinzu, und erst im Herbst 1957 fügte der Komponist den abschließenden „Epilog“ als 11. Satz hinzu. Es ist Eislers umfangreichstes Werk mit großem Apparat geworden: verlangt vier Gesangsolisten, zwei Sprecher, großen Chor und Orchester. Hier erprobte der Komponist erstmals die Zwölfton-Komposition an der großen Form; und schuf dabei ein packendes Werk, das zusammen mit Paul Hindemiths „Flieder-Requiem – When Lilacs Last in the Door-yard Bloom’d“ (1946, nach Texten von Walt Whitman) und Paul Dessaus Oratorium nach Brecht-Texten „Deutsches Miserere“ (1944-47) zu den wenigen vokalsinfonischen Großwerken der antifaschistischen Emigration gehört.
Es ist eine trotz Reihentechnik keineswegs einfach nur spröde, schroffe Musik, vielmehr finden sich aus den kühlen 12-Ton-Reihen abgeleitete, leichter fassliche, wohlklingende Teile und besonders die mehrstimmigen Vokalsätze sind eher an vertrauten melodischen Formen orientiert. Insgesamt zeigt sich auch hier ein klar links stehender Komponist, der die damalige Deutschland-Frage mit dem Klassenstandpunkt und den Faschismus als Zusammenwirken von Kapitalismus und Militarismus begreift. Und was für die Texte der zuvor genannten CDs mit Vokal-Kompositionen Eislers gilt, findet auch hier seine Entsprechung. Die vorzüglich klingende, leidenschaftliche Interpretation der „Deutsche(n) Sinfonie“ auf der CD der Decca-Serie &132;Entartete Musik“ wird dem allzu selten gegebenen eindringlichen Werk mehr als gerecht.
Hanns Eisler, der im ersten Weltkrieg von Seiten eines Batallionskommandeurs als „stinkender Sozialist“ beschimpft wurde, hat sich mit seiner Vertonung des Johannes R. Becher-Gedichtes „Auferstanden aus Ruinen“ – der späteren DDR-Hymne -, in der Führung der damaligen Bundesrepublik natürlich keine Freunde gemacht. Seine Werkrezeption wurde diesseits des Eisernen Vorhanges bis in die 70er Jahre tabuisiert …
Und der 1958 von Peter Kreuder gegen die Hymne erhobene Plagiatsvorwurf erweist sich beim näheren Hinsehen als illustre Facette der Propagandaschlachten des Kalten Krieges. Eisler hat sich hier vielmehr (wie übrigens öfter in seinem Werk nachweisbar) „selbst“ beliehen.
Jeder politisch liberal denkende Musikfreund sollte sich unideologisch und undogmatisch auch des „Falles“ Hanns Eisler annehmen und sich mit dem Werk dieses großen, intellektuellen Künstlers des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Er kann dabei lohnende musikalische Bekanntschaften machen und begegnet einer hervorragenden handwerklichen Professionalität, die der Tonsetzer der überaus gründlichen Ausbildung bei Schönberg verdankte.
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