Italo-Western-Special 9: Für eine Handvoll Dollar / Für ein paar Dollar mehr

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
26. November 2005
Abgelegt unter:
Special

Für eine Handvoll Dollar/Für ein paar Dollar mehr

Als Sergio Leone mit überaus bescheidenem Budget daran ging Für eine Handvoll Dollar zu produzieren, war der Euro-Western keine Novität mehr. Vielmehr gab es damals bereits rund 25 Streifen, darunter natürlich auch deutsche Karl-May-Filme. Insofern rechnete niemand mit dem späterhin geradezu umwerfenden, in den Jahren 1964 bis etwa 1972 weltweiten Erfolg des ersten (und auch der nachfolgenden) Dollar-Western, welche die mit Abstand erfolgreichsten italienischen Kinoproduktionen jener Zeit sind. Ursprünglich war Für eine Handvoll Dollar in erster Linie für den italienischen Markt gedacht. Um einigermaßen erfolgsträchtig zu sein, brauchte man schon damals ein US-Zugpferd, hatte den der US-TV-Serie Rawhide schon länger müde gewordenen Clint Eastwood wahrhaft billig (für 15.000 $) eingekauft. Man war übrigens noch derart wenig selbstbewusst, dass man bei der Erstaufführung auf Nummer sicher ging. Leone und die Crew im Rollentitel komplett unter amerikanisch anmutenden Pseudonymen auftreten ließ: so firmierte Ennio Morricone unter Leo Nichols, Sergio Leone als Bob Robertsson — vom deutschen Verleih ist Leone in der Vorankündigung gar als Georg Schock bezeichnet worden.

Trotz des zweifellos vorhandenen Bisses ist Für eine Handvoll Dollar aber noch nicht ein komplett Leone-typischer Western. Er ist letztlich doch in vielem (noch) ein Remake von Akira Kurosawas Yojimbo — Der Leibwächter (1961). Leone hat hier das Erfolgsrezept von Die glorreichen Sieben (1960) kopiert, der ja ebenfalls auf einem Kurosawa-Film beruht: Die sieben Samurai (1953). Besonders beim deutlich virtuoser geratenen zweiten Dollarfilm tritt dann die Entwicklung des Leone-Stils klar hervor. Dabei zeigt sich sowohl das zum Teil auf raffinierte Spiegelung konventioneller Westernschemata aufbauende Neuartige als auch die zugleich vorhandene, mitunter augenzwinkernde tiefe Verbundenheit mit der Tradition. Diese wird nicht allein unübersehbar, wenn die spätere Italo-Western-Ikone Lee van Cleef im Finale von Für ein paar Dollar mehr in den Sonnenuntergang reiten darf. Und der Kreis schließt sich wiederum bei Akira Kurosawa, der seine Filme als Hommage an die großen Western bezeichnet hat.
Dafür stehen aber genauso Anleihen aus und Anspielungen auf beispielsweise John Fords My Darling Clementine • Faustrecht der Prärie (1946, Musik: Cyril J. Mockridge), George Stevens Shane • Mein großer Freund Shane (1953, Musik: Victor Young), Henry Kings Bravados (1958, Musik: Hugo Friedhofer/Alfred Newman), John Sturges Gunfight at the OK Corral • Zwei rechnen ab (1957, Musik: Dimitri Tiomkin), Bud Boettichers Ride Lonesome • Auf eigene Faust (1959, Musik: Heinz Roemheld) und Edward Dmytrycks Warlock (1959, Musik: Leigh Harline). Hier wird auch ansatzweise deutlich, wie sehr sich Leone im US-Western-Genre der 40er und 50er Jahre auskannte, das er in seiner Kindheit und Jugend kennen und lieben gelernt hat.

Zu den entscheidenden Charakteristika, welche die Italowestern von den US-Pendants deutlich absetzen, gehören die merklich anders gelagerten farblichen Tönungen der europäischen Drehorte. Leone begründete die neue Tradition im südspanischen Almeria. Anstelle der typischen Rot- und Ockertöne des Monument Valley, von Gegenden in Arizona oder auch Neu-Mexiko, prägen das Bild nun Gelb-, Beige- und Grautöne. Hinzu kommt die oftmals spöttisch, ja sarkastisch stilisierte römisch-katholische Ikonografie: vom kleinen Jesus und der Mutter Maria bis hin zu Leonardos berühmtem Gemälde „Das Abendmahl“. Ebenso gehören zum Neuen und Typischen des Leone-Italowestern-Stils die regelmäßig in einer Art von Arena zirkular inszenierten, ausgedehnten Duellszenen. Diese sind, wenn auch auf ganz andere (neue) Art, vergleichbar streng ritualisiert wie die des klassischen Hollywood-Westerns. Aber auch dabei bleibt letztlich wiederum doch ein Quäntchen Traditionelles spürbar: so, wenn die Kamera im ersten großen Finalduell in Für eine Handvoll Dollar in Nahaufnahme die braunen Stiefel des „Guten“ den schwarzen seines oberbösen Haupt-Kontrahenten gegenüberstellt.

Ein Problem des (Western-)Kinos à la Leone ist die oftmals sehr brutale und exzessiv ausgekostete Gewalt. Dazu weist Christopher Frayling (Biograph Sergio Leones) im vorzüglichen Audikommentar zu beiden Filmen auch auf das gelegentlich comichafte in den Figuren hin, welches die Stimmung zumindest ab und an durch groteske Momente auflockern, abmildern und so den Gesamteindruck erträglicher machen soll. Unterm Strich sind diese Filme (oftmals böse) Märchen für Erwachsene. In den häufig sadistisch gedehnten Gewaltszenen wird aber auch mit den moralischen Konventionen des klassischen Kinos gebrochen, so, wenn in Für eine Handvoll Dollar die Herrin eines der verfeindeten Clans und in Für ein paar Dollar mehr sogar ein Kind erschossen wird. Entsprechend ist gerade an diesen Stellen häufig die Schere angesetzt worden — ganz besonders bei TV-Ausstrahlungen. Diese, den Rhythmus der Filme beeinflussenden und zum Teil entstellend wirkenden Kürzungen sind jetzt wieder rückgängig gemacht worden, die Filme können jetzt also vollständig studiert werden. Bei dieser Aussage muss man allerdings beachten, dass die Dollar-Western — wie übrigens auch die beiden Nobody-Filme — in jedem an der Produktion beteiligten europäischen Land in unterschiedlicher Schnittfassung gezeigt worden sind. Dabei sind die Unterschiede allerdings meist minimal, einzelne Szenen unterscheiden sich oftmals nur um eine handvoll Einzelbilder (Frames).

Der zugrunde liegende Transfer ist in den USA bei MGM von guten, aus Italien beschafften Vorlagen angefertigt worden. Allerdings erwies sich ein (wichtiges) Gewaltmoment, die berüchtigte Prügelsequenz als deutlich gekürzt. Hier hat das Restaurationsteam von TLE-Films die Initiative ergriffen und, da aus Italien kein Material zu bekommen war, in Zusammenarbeit mit dem Tobis-Verleih das fehlende Bildmaterial aus deutschen Archivkopien ergänzt. Dazu waren allerdings aufwändige Farbkorrekturen und weitere Arbeiten erforderlich, damit das Eingefügte für den Zuschauer nicht unmittelbar augenfällig wird. Zusätzliche Infos zur Restauration der Prügel-Szene finden sich nebst Bildbeispielen auf der Homepage von TLE-Films. Die bundesdeutsche DVD-Version der Dollar-Movies präsentiert damit sogar die weltweit derzeit kompletteste Fassung von Für ein paar Dollar mehr.

Markant agieren in Für ein paar Dollar mehr unter anderem Lee van Cleef (s. o.) und Klaus Kinsky. Van Cleef war in US-Western der 50er eher eine solide Nebenfigur. Für ein paar Dollar mehr machte ihn (zumindest in Europa) zum Star. Zwar wirkte er im Anschluss an den dritten Dollar-Film, Zwei glorreiche Halunken, in vielen weiteren Streifen mit, wurde dabei aber bald verheizt. Recht ansprechend ist aber noch sein Auftritt im britischen Captain Apache (1971). Klaus Kinski wurde durch sein Auftreten im ersten Dollar-Film von David Lean für eine kleine Rolle in Dr. Schiwago engagiert. Im Italo-Western erging es ihm letztlich ähnlich wie seinem Widerpart Lee Van Cleef. Sein wohl mit Abstand bester Genre-Film danach ist Sergio Corbuccis Il Grande Silenzio • Leichen pflastern seinen Weg (1968), in dem er sogar die Hauptrolle verkörpert.

Clint Eastwood hinterließ die wohl markanteste Spur in der Westernfilmgeschichte, obwohl er sich nach Zwei glorreiche Halunken aus dem Euro-Western zurückzog. Mit Hang’Em High • Hängt ihn höher (1967) läutete er sein Comeback in den USA ein. In Hang’Em High werden bereits Elemente des Italowesterns sowohl mit denen des klassischen Westerns als auch des US-Spätwesterns vereint. Wobei Eastwood immer betonte, dass der Stil seiner (Western-)Filmproduktionen neben Sergio Leone maßgeblich von Regisseur Don Siegel beeinflusst worden ist, mit dem er unter anderem den originellen Western Two Mules for Sister Sarah • Ein Fressen für die Geier (1969) drehte. Diese beiden Filme sind die entscheidenden Bindeglieder zu seinen späteren Eigen-Produktionen, in denen er in gewisser Weise zum Nachfolger Leones wurde. Wobei Eastwood in Two Mules for Sister Sarah, dessen Plotidee drolligerweise auf Westernlegende Budd Boetticher zurückgeht, als käuflicher Revolverheld Hogan nicht nur im Outfit den von ihm in den (Euro-)Dollar-Western verkörperten Charakteren ähnelt.

High Plain Drifters • Ein Fremder ohne Namen (1972) wurde Eastwoods erster Western, in dem er sowohl Regie als auch den Hauptdarsteller abgab und ist eine Art von grimmiger Hommage an Leones Für eine Handvoll Dollar. Es folgten The Outlaw Josey Wales • Der Texaner (1976) und Bronco Billy (1980). Pale Rider • Der namenlose Reiter (1985), in dem er eine Art Öko-Shane verkörpert, ist der erste seiner beiden wohl persönlichsten Westernproduktionen. Mit dem zweiten, Unforgiven • Erbarmungslos (1992), bekam er, auch infolge der vorzüglichen Darstellerriege, letztlich den Oscar verliehen.

Sergio Leone hatte in den 50er Jahren als Regieassistent beim Inszenieren von Sandalen-Epen begonnen. Er half mit beim Vorläufer vom Troja-Film unserer Tage, bei Robert Wises Helen of Troy • Die schöne Helena (1956, Musik: Max Steiner), und ebenso beim berühmten Wagenrennen aus William Wylers Ben Hur (1959). Leone vollendete die Arbeit seines Mentors Mario Bonnard bei Gli ultimi Giorni di Pompei • Die letzten Tage von Pompeji (1959), und seine erste eigene Regiearbeit wurde Il Colosso di Rodi • Der Koloss von Rhodos (1960). Für die beiden Letztgenannten komponierte übrigens Angelo Francesco Lavagnino die Filmmusik und so war Ennio Morricone bei Für eine Handvoll Dollar anfangs eben nicht die erste Wahl.

Auch in der pfiffigen Musik Morricones spiegeln sich Traditionelles und zugleich raffinierte klangliche Innovationen. Mit der E-Gitarre halten Elemente des Pop und Rock’n’Rolls Einzug: Pate standen dafür das James-Bond-Thema und die Musik zeitgenössischer Bands wie „The Beach Boys“ oder „The Shadows“. Hinzu kommt das Sinfonieorchester, dessen Streicher, dank der Rhythmik in der Musik, auch popverwöhnte Ohren nicht mehr als „kitschig“ empfinden. Der partiell üppige Orchesterklang ermöglicht erst den ebenso charakteristischen Opern-Touch, z. B. in den ausladend mit Musik unterlegten Duellsequenzen. Hier ist einiges vom Sound der großen Unterhaltungsorchester der Ära zu spüren; ausgehend vom üppigen Streichersound Mantovanis bis zu den mit Choreinlagen versehenen Sounds eines Ray Conniff und Bert Kaempfert. Und ein Hauch der Gitarrenkonzerte eines Joaquin Rodrigo ist ebenfalls mit von der Partie.

Was hier auf den Hörer einströmt, ist zwar gegen den Strich gebürstet, damit in vielem neu, aber eben keineswegs schlichtweg fremdartig. Der mexikanische Trauermarsch mit der Mariachi-Trompete wurzelt in Dimitri Tiomkins „Deguello“ — komponiert für Rio Bravo (1956) und wieder verwendet in Alamo (1960). Hinzu kommen der schlichtweg unverständlichen Text intonierende Chor, Glocken, Pfeifen, Peitschenknallen und natürlich die damals voll im Trend liegende Fender Stratocaster (E-)Gitarre. Zusätzlich eingestreut werden ungewöhnliche Klangeffekte, erzeugt mit unkonventionellen Instrumenten, wie dem (traditionellen) sizilianischen Argilophone — einer Tonpfeife.

Verbundenheit zur Tradition beweist wiederum das Arbeiten mit Leitmotiven. Damit ist hier aber keine ausgeklügelte thematische Verarbeitung gemeint. Vielmehr werden einprägsame, knappe musikalische Gedanken, einfach, aber wirkungsvoll benutzt: als markant instrumentierte pfiffige Erinnerungsmotive. Betrachtet mit dem Abstand von nunmehr rund 40 Jahren erscheint die Innovationsleistung Morricones in der Tat grandios. Und da das meiste dieser Kompositionen trotz des erkennbaren Zeitbezugs bis heute seine Frische bewahrt hat, dürfte dies auch ein klarer Beleg für seine Qualitäten sein. Falls Ennio Morricone nicht doch noch ein Ehren-Oscar als Anerkennung seines Lebenswerks vergönnt sein sollte, in die Musik-Geschichte des Westerns ist er längst unauslöschlich eingegangen.

Dollars auf DVD! Mehr Infos zu den DVD-Editionen:

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Wie im Falle des Nobody-Film-Duos sind jetzt auch die (ersten) beiden Dollar-Filme sowohl zusammen als 4er- als auch einzeln in zwei 2er-DVD-Sets erhältlich. Darüber hinaus ist eine Deluxe-Ausgabe in einer Holzbox erhältlich, die neben den beiden DVD-Sets noch mit Souvenirs lockt: einem Filmstreifen sowie einer Replik der legendären Taschenuhr des zweiten Dollar-Films.

Die bei MGM angefertigten HD-Videotransfers (s. o.) sind auch dieses Mal von TLE-Films sorgfältig nachbearbeitet (optimiert) worden. Das Resultat kann sich wiederum klar sehen lassen. Einschränkungen rangieren auf einem oberen Qualitätsniveau. Im Vergleich markiert Mein Name ist Nobody die Spitze, gefolgt von Für ein paar Dollar mehr, und auf Platz drei kommt Für eine handvoll Dollar. Beim ersten Dollar-Western dürften die Ursachen für die beim Bild merklichen, insgesamt aber kleineren Einschränkungen wohl in erster Linie in den äußerst bescheidenen Produktionsbedingungen zu suchen sein, für die die Bezeichnung „Low-Budget“ sogar fast noch zu hoch gegriffen erscheint. Entsprechend abenteuerlich müssen die Umstände beim Dreh gewesen sein. Neben verschiedentlichen Stromausfällen gab es infolge unregelmäßig gezahlter Löhne diverse Streiks, und selbst Toilettenwagen sollen ausgespart gewesen sein. Vom in Für eine handvoll Dollar häufiger zu sehenden leichten Griesel und Grenzen in der Detailschärfe sind bei Für ein paar Dollar mehr nur noch vereinzelte Reste zu sehen. Insgesamt wirkt das Bild gegenüber dem des ersten Dollar-Films deutlich brillanter. Um Missverständnissen vorzubeugen, nochmals: Die genannten Einschränkungen beim Bild liegen auf einem hohen Qualitätsstandard! Sie wirken beim Lesen eventuell erheblich dramatischer als sie letztlich in der Praxis „stören“. Auch hier gilt — wiederum wie bei den Nobody-Filmen —: Niemals haben die Dollar-Filme auf Video besser ausgesehen.

Wer’s nicht glaubt, vergleiche mit den erstmalig im vergangenen Jahr zwar in technisch verbesserter Form erfolgten TV-Ausstrahlungen beider Filme auf Kabelkanal. Die hier zugrunde liegenden Videomaster sind mit den aufbereiteten MGM-Transfers übrigens allein im Bildformat (wenn auch nur) annähernd (!) identisch. Qualitativ können sich diese aber mit besagten nicht messen.

Vergleichbar überzeugend ist auch die Restauration der monoralen deutschen und englischen Tonfassung geraten. Neben Mängeln durch Alterung sind dabei auch Fehler der ursprünglichen Tonmischung —wie Asynchronitäten in Geräuschen und Musik sowie nicht lippensynchrone Sprachschnitte — gleich mit beseitigt worden. So kann der Zuschauer jetzt auch die häufig sehr originellen Klangdesigns dieser so typischen Tonspuren (Soundtracks) besonders gut erfassen.

Anzumerken ist dabei, dass der deutsche Ton auf der Synchronisation der Erstaufführungskopien beruht. Für die Wiederaufführung, Mitte der 1970er Jahre, sind die Filme nicht allein in den Gewaltmomenten beschnitten, sondern erstaunlicherweise auch nochmals komplett neu synchronisiert worden. Wohl in Folge der TV-Serie Die 2 und von Mein Name ist Nobody kam dabei die „deutsche Synchronkuh“ Rainer Brandt zum Einsatz. Besagte Brandt-Synchronisation wird allerdings in ihren übertriebenen Verballhornungen dem Original-Text kaum noch gerecht. Insofern ist die keinesfalls trockene, vielmehr bissige deutsche Ur-Synchronisation zweifellos ein Gewinn.

Im Werbetext findet sich dazu die stimmige Anmerkung: „Gemessen an den Filmelementen und den uns zugänglichen Video- und Audiomastern, ist die resultierende Präsentation von DVD so nahe an den 35-mm-Negativ-Elementen wie nie zuvor, mit erheblich verbesserter Qualität des Bildes und der restaurierten Soundtracks.“ Wobei hier der Begriff „Soundtrack“ im Gegensatz zum landläufigen Gebrauch erfreulicherweise sogar richtig verwendet ist! Nämlich im traditionellen — sich direkt durch simples Übersetzen ergebenden (!) — Sinn als Synonym für die gesamte (Film-)Tonspur und eben nicht für die Filmmusik allein. Und falls jemand beim Nobody-Duo doch den stereophonen 5.1-Upmix vermisst haben sollte, hier, bei den beiden Dollarfilmen, gibt’s einen derartigen (nur in Englisch) noch obendrauf.

Die Ausstattung mit Boni (ca. 75 und 60 Minuten) mag auf den ersten Blick etwas bescheiden anmuten. Dieser Eindruck bleibt bei sorgfältiger Betrachtung der Edition(en) aber keinesfalls bestehen. Seriöserweise hat man hier eben nicht (!) PR-mäßig dick aufgetragen und die Audiokommentare des Leone Biografen Christopher Frayling großzügig draufgeschlagen. Dafür bestehen die Kommentare im vorliegenden Fall eben nicht aus eher seichtem, belanglosem Geschwätz. Durch die ausführlichen analytischen Hinweise zu Machart, Struktur und Ikonografie des zu Sehenden erhält der Interessierte ungemein hilf- und aufschlussreiche Zusatzinformationen — ansatzweise findet sich dazu bereits etwas in den ebenfalls von Frayling kommentierten jeweils rund 20-minütigen Film-Dokus „Ein Held neuer Art“ und „Ein neuer Standard“. Dank der profunden Audiokommentare wird der Betrachter durch die Filme wie durch eine Ausstellung geführt, und dabei Wichtiges direkt kenntlich gemacht. Entsprechend gehören besagte Kommentare zweifellos zum besonders Wertvollen einer insgesamt durchdacht und sorgfältig ausgestatteten DVD-Ausgabe der ersten beiden Dollar-Filme.

Gut erklärt wird auch das beiden Filmen zugrunde liegende Techniscope-Verfahren. Lustiger- und sinnigerweise wird es als CinemaScope für Arme präsentiert: „Zwei Bilder zum Preis von einem“. Gearbeitet wurde nämlich mit halber Bildhöhe des üblichen 35-mm-Frames — und damit Zweiloch- statt Vierloch-Perforation pro Bild. Entsprechend ist das so resultierende Bild natürlich auch doppelt so breit wie das übliche Normalbild. Die teure und empfindliche anamorphotische Optik kam erst im Kopierwerk zum Einsatz, wo das Zweiloch-Perforationsbild in ein im normalen Kinobetrieb mit CS-Optik vorführbares, anamorphotisch komprimiertes Vierloch-Perforationsbild umgewandelt wurde. Was an dieser Stelle manchem Leser vielleicht doch noch etwas zu abstrakt erscheinen mag, wird spätestens beim Ansehen der beiden Film-Dokumentationen „Restauration Italian Style“ restlos durchschaubar.

In den insgesamt vorzüglichen Bonusmaterialen findet sich neben Trailern, Radio Spots und Drehortvergleichen, „Damals und heute“, eine heutzutage drollig anmutende Kuriosität: Mit einem speziell für die 1977er US-TV-Erstausstrahlung erstellten „Network Prolog“, der vor dem eigentlichen Filmvorspann gezeigt wurde, wollten die Verantwortlichen die amoralisch-zynische Grundtendenz der Filmhandlung abmildern. Hierbei wird der im Film von Clint Eastwood verkörperte Joe — noch passabel gedoubelt — aus dem Kittchen geholt und erhält vom Gouverneur einen Geheimauftrag. Der Regisseur des Prologs, Monte Hellmann, gibt darüber in „Nicht geeignet für die Hauptfernsehzeit“ nähere Auskünfte.

Nicht nur zu den Audiokommentaren kann man sorgfältig erstellte Untertitel (auch in Deutsch!) hinzuziehen, die erfreulicherweise völlig sauber im unteren schwarzen Balken platziert sind, also nicht (!) ins Bild hineinragen. (Dies gilt übrigens ebenso für die Nobody-Editionen.) Vielleicht für manchen sogar noch empfehlenswerter ist, zum Film die deutsche Film-Tonspur zu wählen, aber zugleich die deutschen Untertitel zur Audiokommentarspur mitzulesen.

Warum allerdings die Texttafeln in „Über den Transfer und das Mastering“ unbedingt (mit entsprechend kleinen, finzeligen Lettern) in Letterbox präsentiert sein müssen, bleibt absolut schleierhaft. Für diesen entbehrlichen Gag in Form ungenießbaren Augenpulvers verdient der Verantwortliche (zumindest symbolisch) einen Satz heiße Ohren, wie „Locke“ diese von Nobody verpasst bekam.

Die Macher von TLE-Films haben übrigens ebenfalls darauf geachtet, bei der für die DVD notwendigen MPEG-Kompression des Studiomasters, optimal zu arbeiten, d. h. beim Encodierungsprozess die (nutzbare) Gesamtkapazität des Datenträgers DVD möglichst vollständig zu nutzen. Derartiges ist natürlich Voraussetzung, um die bestmögliche Bildqualität zu erreichen. Was sich hier wie selbstverständlich liest, fällt im Alltag vieler hastig produzierter DVDs leider oftmals unter den Tisch …

Ein kleines Marketing-Kuriosum zum Schluss. Es ist schlichtweg merkwürdig, dass die Dollar-Film-trilogie unchronologisch und derart zeitversetzt vermarktet worden ist. Die DVD-Edition zum dritten und letzten Spielfilm, Zwei glorreiche Halunken, bedarf längst wg. dezenter Verstaubung des Abwischens. Nun, wenn auch mit beträchtlicher Zeitverzögerung, kann der Interessierte seine Leone-(Dollar-)Western-Kollektion vorzüglich komplettieren.

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Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2005.

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