„Doktor Schiwago: Zwischen Liebe, Sehnsucht und Tod“ – ein Konzertbericht

Geschrieben von:
Cinemusic.de - Team
Veröffentlicht am:
16. August 2002
Abgelegt unter:
Special

1674Für den 22. und 23. März war es angesetzt, das Konzert unter der Leitung von Maurice Jarre: „Musik aus weltberühmten Filmen wie Doktor Schiwago und Lawrence von Arabien wird vom Komponisten, dem Oskar-Preisträger Maurice Jarre, selbst dirigiert“. Er selbst sollte also in die Industriestadt Ludwigshafen kommen und dem Rhein-Neckar-Dreieck zeigen, wie seine Filmmusik klingt.

Die Enttäuschung war natürlich groß, als bekannt wurde, dass Jarre aus gesundheitlichen Gründen ausfallen musste. Als Ersatz sprang kurfristig Frank Strobel ein, das für die beiden Abende angesetzte Programm wurde geringfügig geändert, doch man widmete immer noch einen Großteil des Konzerts dem Komponisten. Mit Frank Strobel als Dirigenten, der besonderes Engagement für Filmmusik zeigt, konnte man sich schon im Voraus auf eine ordentliche musikalische Interpretation freuen. Die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist zudem Mitglied der Filmphilharmonie – mit ihr führt Frank Strobel des öfteren Konzerte auf – ist also ein filmmusikalisch nicht unerfahrenes Orchester. Das letzte Mal zum Beispiel gab es eine Stummfilmvorführung der rekonstruierten Metropolis-Fassung mit der Musik von Bernd Schultheis. Das Programmheft zum Konzert in Ludwigshafen verfasste übrigens Ulrich Wünschel, der für einen Artikel (John Williams Special) auf Cinemusic.de verantwortlich zeichnet.

Aber kommen wir zum Programm: Die Casablanca-Suite (zu finden auf der Charles Gerhardt-CD) wurde als erstes dargeboten. Ein aufregendes Stück mit vielen Stimmungswechsel, die einem wieder klar machen, das man einer (gut gemachten) Filmmusik lauscht: Arabische Exotik, das „As Time Goes By“-Thema und die Marseillaise erklingen im Wechsel.

Leider komme ich jetzt schon zu zwei Kritikpunkten. Auf Wunsch der BASF illustrierte man die Musik mit Szenenfotos. Das kann dem Abonnement-Publikum natürlich helfen, einen Bezug zur Musik herzustellen. Aber warum heißt es dann Filmmusik und nicht etwa Diamusik? Wieso kann ein Filmmusik-Konzert nicht wie ein normales Sinfoniekonzert ablaufen? Wieso wohl illustriert man dann nicht gleich sinfonische Dichtungen zum Beispiel nach diesem Schema?

Der Schauspieler Friedrich Schoenfelder – einigen Lesern vielleicht bekannt als Synchronstimme von u.a. Rex Harrison und Peter Cushing – begrüßte dann die Konzertbesucher und erntete im Verlauf des Abends einige Lacher für seine „Geschichtchen“ und Anekdoten. Die hatten dann allerdings meist nicht wirklich etwas mit Filmmusik zu tun. Zum Beispiel erzählte Schoenfelder vom Berliner TÜV, der vor kurzem festgestellt hat, dass bei Wagner-Opern oft der zulässige maximale Dezibel-Wert im Orchestergraben überschritten wird. Oder er sprach über seine Filmerfahrung, hier im deutschen Remake eines amerikanischen Films aus den 50ern, Sabine und die 100 Männer, in dem er einen Dirigenten spielen musste. Ich persönlich empfinde Moderationen in Konzerten immer als störend, da ich normalerweise hauptsächlich wegen der Musik eben dieses Konzert besuche. Bei diesem Konzert jedenfalls wurde meinem Eindruck nach zu oft am Thema „vorbei moderiert“. Die Moderation störte vielleicht deshalb das Musikvergnügen ein wenig.

Nun gut, als nächstes folgten dann zwei Schmankerl: Die Robin Hood-Suite (The Adventures of Robin Hood • Robin Hood – König der Vagabunden, 1938) von Erich Wolfgang Korngold und, anlässlich des 70. Geburtstags von John Williams, „Harry’s Wondrous World“ aus Harry Potter and the Sorcerer’s Stone • Harry Potter und der Stein der Weisen (2001). Besonders die Robin Hood-Suite scheint mir sehr für den Konzertsaal geeignet zu sein, da nicht bloß Fragmente, z. B. Themen zu Gehör kommen, wie beispielsweise in den folgenden Suiten aus Doctor Zhivago • Doktor Schiwago (1965) oder A Passage to India • Reise nach Indien (1984), sondern eine in sich geschlossene Komposition. Besonders die schwierig zu spielende Actionmusik „Kampf, Sieg und Epilog“ meisterte die Staatsphilharmonie unter Frank Strobel bravourös, die einzelnen Soli der Instrumentalisten (tolles Cello-Solo!) waren sehr schön und wurden entsprechend vom Publikum gewürdigt. Darauf folgte Harry Potter and the Sorcerer’s Stone von John Williams, der Korngold ja stilistisch nicht unähnlich ist. Für meinen Geschmack war hier das Tempo stellenweise etwas zu langsam – auffällig war das bei den absteigenden Streicherfiguren – aber ansonsten kommt diese feine, sehr „farbige“ Komposition live einfach besser „rüber“ als aus der Konserve. Anschließend folgte die erste Maurice Jarre – Komposition aus Mad Max 3: Beyond Thunderdome („The Thunderdome Fanfare – 7M2“), die das Schlagwerk gleichermaßen wie das Blech fordert. Nach diesem martialisch-rasanten musikalischen Einblick in die Endzeit-Welt des Mad Max war schließlich die Pause angesetzt.

1675Der zweite Teil des Konzerts war zum Großteil den David Lean-Epen gewidmet, für die Jarre jeweils den Musik-Oscar erhielt. Reise nach Indien, Die Blechtrommel, Doktor Schiwago sowie Lawrence of Arabia • Lawrence von Arabien (1962) standen auf dem Programm. Erstes zähle ich dabei zu Jarres musikalisch schwächeren Arbeiten. Die Blechtrommel ist da schon viel interessanter: Die erste „intime“ Komposition des Abends mit einem toll vorgetragenem Saxophon-Solo. Das Doktor Schiwago-Arrangement wirkt wie auch bei der Reise nach Indien etwas unzusammenhängend, da lediglich einzelne Themen zu einem symphonischen Stück verarbeitet wurden. Nicht dass ein falscher Eindruck entsteht: Das gilt auch für den Großteil der anderen Stücke, aber hier wird das ganz deutlich, da sowohl Doktor Schiwago als auch Reise nach Indien aus vielen weniger dramatischen Stücken bestehen, wie Märschen oder Tanzmusik.

Das Highlight des Abends war dann zweifellos Lawrence von Arabien. Gespielt wurde die Suite und anschließend die Ouvertüre. Besonders das Hauptthema, das die gesamte Komposition durchzieht, und die gelungene Interpretation (lediglich die Streicher waren etwas unterbesetzt oder wurden einfach zu oft vom Blech übertönt) sorgten für die richtige Wüstenstimmung im Feierabendhaus.

Ein gelungener Abschluss für ein insgesamt unterhaltsames, musikalisch vielleicht etwas zu kurz geratenes Konzert.

Eine kleine Zugabe war vorgesehen (der Prolog aus Harry Potter and the Sorcerer’s Stone nämlich), doch das Publikum applaudierte nicht kräftig genug. Schade drum!

Frank-Strobel-Special

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