Kommentar zu Film und Filmmusik
Der Beginn von Regisseur Joe Johnstons Film Hidalgo • Hidalgo — 3000 Meilen zum Ruhm ruft The Last Samurai in Erinnerung. Der Kurierreiter Frank Hopkins, der auf seinem Mustang Hidalgo Geschwindigkeitsrekorde vollbringt, ist in Hidalgo die übrigens historisch belegte Hauptfigur. Hopkins überbringt im Dezember 1890 den Befehl zur rücksichtslosen Entwaffnung der am Wounded Knee von der Armee umzingelten Indianer — Angehörigen der letztlich friedlichen, vom Christentum inspirierten Ghost-Dance-Bewegung. Besagter Befehl führt(e) letztendlich zum berühmt-berüchtigten Massaker, bei dem über zweihundert kaum eine Bedrohung darstellende Indianer, darunter mehr als zwei Drittel Frauen und Kinder, von überängstlichen und hysterischen Soldaten förmlich abgeschlachtet wurden.
Bei den Ausführenden handelte es sich übrigens um die 7. Kavallerie, das Regiment, das vierzehn Jahre zuvor unter General Custer am Little Big Horn eine blutige Niederlage hatte hinnehmen müssen. Das Verbrechen von Wounded Knee markiert den Schlusspunkt in der in vielem traurigen und unrühmlichen Geschichte der Eroberung des Wilden Westens.
Hopkins, selbst halber Indianer (Sohn einer Squaw und eines Armeekundschafters), ist anschließend vergleichbar aus der Bahn geworfen wie Captain Nathan Algren in The Last Samurai und tingelt, dem Alkohol verfallen, als Showreiter mit Buffalo Bill Codys „Wild West Show“ durch die Lande. Aber trotzdem erreicht der Ruhm des ehedem so fixen Meldereiters und seines Pferdes das ferne Arabien, von wo Scheich Riyadh (Omar Sharif) ihm durch zwei Beauftragte ein verlockendes Angebot machen lässt: Die Teilnahme am legendären Wüstenrennen „Ocean of Fire“, bei welchem dem Sieger nach der Überwindung von 3000 Meilen durch den Glutofen der arabischen Wüste $ 100.000 winken. Natürlich entspinnen sich um das Rennen und seinen Favoriten, einen edlen Araberhengst, zahlreiche Intrigen und Verwicklungen, die der Filmhandlung einigen Drive verleihen und damit auch für angenehme und spannende Unterhaltung sorgen.
Der vom Ex-Effekt-Spezialisten Joe Johnston aus The Rocketeer (1991) bekannte recht üppige Inszenierungsstil findet sich auch in Hidalgo, der die erfreulich ungebrochene Tradition des klassischen Abenteuerkinos der 40er und 50er Jahre auch im 21. Jahrhundert gelungen fortsetzt. Da ist Omar Sharif, der, hier ein wenig spiegelbildlich zur Rolle von Alec Guinness (Prinz Feisal) in David Leans berühmten Lawrence von Arabien (1962), jetzt als weiser alter Stammesführer (Scheich Riyadh) mit originellem Westernspleen agieren darf; und überhaupt atmen die stimmungsvollen Wüstenszenen merklich den Geist des großen Lean-Epos. (Omar Sharif wirkte übrigens seinerzeit ebenfalls in Leans Film mit, verkörpert den jungen, heißblütigen Sherif Ali Ibn El Kharisch.)
Der Disney-Familienunterhaltungstouch ist natürlich ebenso klar spürbar: So ist die Heftigkeit der Actionszenen begrenzt und desgleichen ist das Wounded-Knee-Massaker sehr zurückhaltend inszeniert: nach den ersten Schüssen sind allein noch die Konsequenz, nämlich in Schnee und Kälte erstarrte Leichen zu sehen — das berühmte Foto der Leiche von Sioux-Häuptling Big Foot ist dabei ebenfalls nachgestellt.
Ebenso findet sich eine Portion Hollywood- und auch Disney-typisches Sentiment: So, wenn Hopkins am Schluss die vom Abschuss durch die Armee bedrohten Indianerpferde der Stammesbrüder des alten Häuptlings Eagle Horn großzügig freikauft und Hidalgo ebenfalls mit der in die Freiheit galoppierenden Herde ziehen lässt. Und auch, wenn der Mustang während des Rennens durch eine Falle verletzt wird, aber in der Zielgeraden doch noch die Kraft zum finalen, den Sieg bedeutenden Push findet. Damit ist Hidalgo natürlich auch (klassisches) Kino der Emotionen, bei dem der Zuschauer wie ehedem mit den menschlichen und tierischen Helden empfinden darf und soll.
Bei aller Verbundenheit mit den Traditionen des klassischen Erzählstils sind aber auch gewisse zeitgemäße Einsprengsel unübersehbar: Dafür steht nicht nur die selbstbewusste und emanzipierte schöne Tochter des Scheichs, Jazira (Zuleikha Robinson), zwischen der und Hopkins sich eine — nur sehr dezent angedeutete — Beziehung entwickelt, die allerdings (stimmig) unerfüllt bleiben muss. Und auch die schlaglichtartigen Blicke auf die Westerngeschichte sind nicht beschönigend geraten. Dies betrifft neben den Ereignissen am Wounded Knee die Darstellung des zwiespältigen Charakters von Westernlegende Buffalo Bill Cody und dessen Wild West Show, in der von den Helden der 7. Kavallerie unter Custer und den für das Massaker am Wounded Knee verliehenen Tapferkeits-Medallien (!) die Rede ist. Dies alles besitzt hier zwar nicht die entlarvende, zynische Schärfe von Robert Altmans Buffalo Bill und die Indianer (1976), ist aber keinesfalls einfach nur verklärend angelegt. Ebenso wird in der Figur des von Viggo Mortensen (Darsteller des König Aragorn im dreiteiligen Herr-der-Ringe-Epos) überzeugend verkörperten wortkargen, einsamen Cowboys zugleich der lange verdrängte Konflikt eines Halbblutes zwischen den Kulturen ausgetragen — den der alte Häuptling Eagle Horn ja allein deshalb „Far Rider“ nennt, weil er vor sich selbst (!) davon reitet.
Der Mustang Hidalgo benimmt sich übrigens dermaßen pfiffig und funktioniert mit seinem menschlichen Partner derart perfekt und auch charmant zusammen, dass man ihn irgendwo zwischen dem schwarzen TV-Hengst „Fury“ aus den Fifties, dem sprechenden „Mr. Ed“ (ebenfalls eine US-TV-Serie, diesmal der frühen Sixties) und Tonka • Sie nannten ihn Komantsche (1958) — ebenfalls ein Disney-Film um ein Indianerpferd — einordnen möchte.
Natürlich gibt es visuell ein paar zeitgemäße Updates: beispielsweise im digitalen Sandsturm — bei dem Die Mumie (2000) grüßen lässt — sowie bei den sich als nützlich (da essbar) erweisenden Heuschrecken und ebenso in den Zeitraffereffekten für den Wechsel der Tageszeiten und Veränderungen in Wolkenformationen. Besonders überzeugend wirken übrigens die dank CGI sehr realistisch anmutenden Leoparden, die ihren Auftritt erhalten, wenn Frank Hopkins und sein Pferd in einen Hinterhalt gelockt werden und zur Strecke gebracht werden sollen.
Unterm Strich bleibt eine gut besetzte, angenehm kurzweilige und dazu sehr schön fotografierte Kinounterhaltung im klassischen Stil von rund zweieinviertel Stunden, bei der manches nicht stimmt und auch das Ende etwas zu schön ist, um wahr zu sein. Letzteres gilt übrigens auch für die angeblich „wahre“ Lebensgeschichte des Frank Hopkins, der wohl eher eine gewisse Seelenverwandtschaft zum Lügenbaron Münchhausen aufwies. Aber wen vermag das letztlich schon wirklich entscheidend zu stören: Das gehört doch zum Unterhaltungskino irgendwie hinzu, oder?
James Newton Howard hat sich bei seiner Komposition an gewohnten und dabei ebenso an eigenen, hinlänglich bekannten Vertonungsstandards orientiert. So ist das Western- und auch Actiontypische in Hidalgo ein deutlich an Wyatt Earp erinnernder Americana-Mix aus Elmer-Bernstein-Rhythmik und Coplands „Rodeo“-Ballett. Das Arabisch-Ethnische bleibt ebenso weitgehend traditionell, ist dabei allerdings handwerklich findig erzeugtes Klangkolorit. Hierzu ist die Klangpalette des Sinfonieorchesters mit einer Sektion ethnischer Instrumente bereichert, deren Klangmöglichkeiten geschickt genutzt und integriert werden. Die Ethno-Gesangseinlage über dezentem Synthesizer von Hovig Krikorians in „Montage“ erinnert dabei für einige Momente sogar ein wenig an Media Ventures Black Hawk Down.
Das Gebotene ist insgesamt durchaus versiert gemacht, aber es reicht bei weitem nicht an die Originalität und Raffinesse von Jerry Goldsmith in Der Wind und der Löwe (1975) heran und auch die exotische Vielseitigkeit der Musik zu Atlantis wird nicht voll erreicht.
Somit hat Newton Howard zu Hidalgo zwar keinesfalls einen Score geschaffen, der einen geradezu aus dem Sessel zu katapultieren vermag, aber von lieblos routiniert runterkomponiert kann hier sicher ebenso wenig die Rede sein. Nein, alles in allem handelt es sich um eine handwerklich sehr solide und auch für den Film völlig adäquate Filmmusik. Nicht allein Dank zweier sehr ansprechender, umgehend gut ins Ohr gehender Themen, einem Abenteuer-Hauptthema und einem weiteren, das ein überzeugendes exotisches Wüstenfeeling erzeugt, erhält der Käufer ein sehr unterhaltsames CD-Album. Eines, das besonders nach zwei- bis dreimaligem Hören noch zusätzlich an Charme gewinnt. Allerdings hätte man den zweifellos recht repräsentativen Schnitt ruhig noch um 15 oder gar 20 Minuten erweitern dürfen, um eine attraktivere Spielzeit zu erreichen. Dies mag jedoch — die Musik wurde in LA eingespielt — allein schon aus Kostengründen nicht in Frage gekommen sein. In jedem Fall erscheinen mir für das Album „fette“ dreieinhalb Sterne als keinesfalls überzogene Wertung.
Und hier geht’s zu Hidalgo auf DVD.