Flanders International Film Festival Ghent 2002: Seminar, Teil 3

Geschrieben von:
Magdi Aboul-Kheir
Veröffentlicht am:
7. November 2001
Abgelegt unter:
Special

Filmmusik heute – das Geschäft mit Filmmusik. Diskussion mit CD-Produzenten und Komponisten

Filmmusik-CDs standen in einem weiteren Teil des Seminars im Mittelpunkt. Auf dem Podium saßen dabei neben den Komponisten Jean-Claude Petit und Michel Herr auch Vertreter der Platten-Labels Milan und Colosseum.

Welche Filmmusiken sie auf den Markt bringen wollten, sei immer noch ganz simpel, erklärte Emmanuel Chamboredon von Milan Records einführend: „Wir gehen auf Festivals, schauen viele Filme an, treffen dann Entscheidungen und gehen in Vertragsverhandlungen.“ Was sich geändert habe: Die CD sei mittlerweile auch eine Werbung für den Film, nicht nur umgekehrt. „Filmmusik-Alben sind Teil der Filmindustrie geworden.“ Sie gehörten zum Gesamtprodukt Film.

Vor allem sinfonische Filmmusik hat Colosseum Schallplatten (Sitz: Nürnberg; europaweiter Vertrieb des amerikanischen Labels Varèse Sarabande), in den vergangenen 15 Jahren produziert, sagte Françoise Bickert, Marketing-Chefin von Colosseum. Das Geschäft im Filmmusik-Sektor verschiebe sich aber insgesamt immer mehr zu Song-Alben.

Bickert wies darauf hin, dass die Komponisten nicht immer die Rechte an ihren Kompositionen für den Film besitzen – und deswegen häufig recht wenig Einfluss auf das Endprodukt haben. Das Geschäft laufe immer mehr unter Zeitdruck ab. Zum Beispiel sei es oft nicht möglich, ausführlichere Booklets zu gestalten, obwohl gerade in Europa da mehr Bedarf herrsche, etwa an Informationen über die Komponisten. „Aber die CDs müssen einfach schnell auf den Markt.“

1374Der Komponist Jean-Claude Petit (s. Bild re.) berichtete von anscheinend legalen CDs eines japanischen Labels, auf denen weder Coypright-Angaben noch sein Name – immerhin der Komponist – zu finden seien. Er gebe sich Mühe dennoch seine Musik auf CDs in gutem Licht erscheinen zu lassen: Kurze Cues werden zu längeren Tracks zusammengeschnitten, er versuche, Kohärenz auf der CD herzustellen. Manchmal sei auf der CD ein Stück, das zwar für den Film geschrieben wurde, der Regisseur aber abgelehnt habe: „Gut für den Komponisten, wenn seine Musik komplett und vor allem so wie intendiert auf der CD erscheint.“

Ein wichtiger Diskussionspunkt war die wachsende Zahl von Raubkopien im Internet. Als Label sei Colosseum natürlich daran interessiert, dass es keine längeren Downloads gibt, sagte Françoise Bickert. 30-Sekunden-Ausschnitte als Werbung seien gut, aber nicht mehr. Ihre Firma beschäftige einen Anwalt, der das zu kontrollieren versuche, „und der hat viel zu tun“. Es gehe ja auch um den Schutz der Komponisten, die hart für ihre Musik arbeiteten.

1376CDs seien derzeit eben für viele jüngeren Leute zu teuer, gab Michel Herr (s. Bild li.), Komponist und Vertreter Sabams, der belgischen GEMA, zu bedenken: „Sie suchen sich dann andere Quellen.“ Aber es gehe um den Schutz von Komponisten, Musikern und Labels. Man müsse gegen die Musikpiraterie konsequent vorgehen, forderte Jean-Claude Petit. Man wisse ja auch nicht, wie sich die Copyright-Gesetze veränderten, „ob’s die in 30 Jahren überhaupt noch gibt“.

„Warum überhaupt die hohen CD-Preise?“, wurden die Vertreter der Plattenfirmen gefragt. Francoise Bickert führte aus: Bereits im Voraus sei für die Rechte zu bezahlen – und wenn sich die CD nicht gut verkaufe, werde sie unweigerlich zum Minusgeschäft. 15 bis 20 Prozent seien zudem an GEMA-Gebühren fällig, die PR-Arbeit sei auch nicht billig, und die Händler wollten ebenfalls noch etwas verdienen. Grundsätzlich gebe es zwei Arten von Kunden: Filmmusik-Sammler, die sich für einen Komponisten interessieren; Filmfreunde, denen es um den Film geht. Letztere sind der potentiell größere Markt.

Gibt es nicht zu viele Songs auf Filmmusik-CDs? In der Frage sei nunmal der Einfluss der Plattenfirmen stark, meinte Petit. Also noch etwas, das zu bekämpfen wäre. Emmanuel Chamboredon erinnerte an die Quentin Tarantino-Filme: Auch da gebe es viele Songs, aber die würden im Film bewusst und gekonnt eingesetzt. Die gehörten dann auch auf ein Album. „Es kommt eben auf den Filmemacher an.“ Und manchmal helfe ein Erfolgs-Song, eine Score-CD zu verkaufen.

Filme werden immer mehr als Marketing-Vehikel für neue Bands genutzt, erklärte Francoise Bickert – das führe zu den immer zahlreicheren „Inspired by“-Kompilationen. Die Folge: Es gibt immer mehr Doppelveröffentlichungen à la The Matrix. Bickert erzählte von einer Matrix-Vorführung: „Die Warner-Leute wussten nicht einmal, dass es ein Score-Album gibt. Die konzentrierten sich nur auf ihre Song-CD, obwohl im Film dann keiner der Songs vorkam. Am Ende haben sich dann beide Scheiben gut verkauft. Es gibt durchaus einen Markt für beides.“

Ronald Rinklef (Fotos)

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