World Soundtrack Awards 2002 Preisverleihung in Ghent
Zum zweiten Mal sind kürzlich im belgischen Ghent die World Soundtrack Awards vergeben worden. Wie schon im Vorjahr waren nur wenige der Preisträger und Nominierten nach Flandern gekommen, und nicht alle Entscheidungen der Fachjury erschienen den Filmmusikkundigen nachvollziehbar.
Die Auszeichnung in der Kategorie „Best Score of the Year“ ging – wenig überraschend – an die erste The Lord of the Rings-Musik von Howard Shore. Ebenfalls nominiert waren Black Hawk Down (Hans Zimmer), Monsters, Inc. (Randy Newman), Star Wars: Episode II – Attack of the Clones (John Williams) und Spider-Man (Danny Elfman). Die Musiken wurden jeweils mit einem kurzen Clip vorgestellt, doch bei Spider-Man hatten die Organisatoren peinlicherweise den Rock-Song von Aeromith statt Elfmans Score untergelegt, was beim fachkundigen Teil des Pulikums für Kopfschütteln sorgte.
The Lord of the Rings wurde an dem Abend auch – noch weniger überraschend – mit dem Publikumspreis geehrt. Abgestimmt worden war in den vergangenen Wochen im Internet unter www.soundtrackawards.com. Howard Shore war nicht nach Belgien gekommen, er nahm in London die Musik zum zweiten Teil der Tolkien-Trilogie auf. Immerhin hatte er per Fax ein paar Dankesworte geschickt. Zu Ehren des Scores spielte das Belgische Nationalorchester das Hobbit-Thema, allerdings nicht sonderlich inspiriert, zu getragen und mit einem fehlergespickten, geradezu grausigen Flötensolo.
Neben dem „Best Score“ zeichnet die World Soundtrack Academy auch den „Soundtrack Composer of the Year“ aus. Man könnte meinen, in dieser Kategorie wären die Komponisten dann mit allen ihren Arbeiten eines Jahres vertreten, und der Preis zeichne die beste Gesamtleistung der zurückliegenden zwölf Monate aus. Doch die Nominierungen waren jeweils mit nur einem Film verbunden: Patrick Doyle (Gosford Park), James Horner (A Beautiful Mind), Randy Newman (Monsters, Inc.), Howard Shore (The Lord of the Rings: The Fellowship of the Ring) und Hans Zimmer (Black Hawk Down). Der Preis ging mit Patrick Doyle (s. Bild li.) an den einzigen Anwesenden der Nominierten. Ein Schalk, der Böses dabei denkt? Doyle, der regelmäßig das Festival in Ghent besucht, bedankte sich gut gelaunt für den Preis und vor allem bei Gosford Park-Regisseur Robert Altman.
Zum besten Song wurde der Oscar-Gewinner „If I Didn’t Have You“ von Randy Newman aus Monsters, Inc. gekürt. Die Konkurrenz, die keine war: zwei Bryan Adams/Hans Zimmer-Songs aus Spirit: Stallion of the Cimarron („Here I Am“, „This Is Where I Belong“), Elliot Goldenthals „The Dream Within“ aus Final Fantasy: The Spirits Within und Stings „Until“ aus Kate & Leopold.
Eine lobenswerte Preis-Kategorie ist die „Discovery of the Year“; lobenswert auch, dass die Nominierungen über den Hollywood-Dunstkreis hinausgingen: Rupert Gregson-Williams (Thunderpants), A.R. Rahman (Lagaan), Peter Vermeersch (Minoes), Brian Tyler (Frailty) und Klaus Badelt (The Time Machine). Letztgenannter wurde denn auch als beste Neuentdeckung ausgezeichnet. Media-Ventures-Kollege Jeff Rona nahm den Preis an Stelle Badelts entgegen.
„A little surprised“ zeigte sich Sir George Martin (s. Bild re.) über die Trophäe des „World Soundtrack Lifetime Achievement Award“. Die musikalischen Verdienste des großen Beatles-Produzenten sind unbestritten, auch hat er durchaus an einigen Filmen mitgearbeitet, so an den Beatles-Streifen A Hard Day’s Night und Yellow Submarine, zudem stammt der Score des James Bond-Thrillers Live and Let Die aus George Martins Feder – aber dafür einen Filmmusik-Lebenswerk-Preis? Wie der Brite selbst humorig bemerkte, hatte er ja musikalisch eher ein paar andere Sachen gemacht. Als Ständchen gab es auf jeden Fall ein hübsches symphonisches Arrangement von „Yellow Submarine“.
Die World Soundtrack Academy, die die Preise vergibt, ist vor zwei Jahren aus dem Internationalen Filmfest von Flandern erwachsen. In der Akademie sitzen Komponisten und andere Aktive aus dem Feld der Filmmusik wie Produzenten und Agenten – insofern wären fachkundigere Auszeichnungen als etwa seitens der Oscar-Jury zu erwarten. Doch die Nominierungen und Preise des Jahres 2001/2002 lassen da einige Fragen aufkommen: Warum ein Preis für die beste Musik und den besten Komponisten, wenn sich der Komponisten-Preis dann auch nur auf eine Musik bezieht? Wieso dermaßen viele Nominierungen aus dem Media-Ventures-Zirkel (insgesamt 6 von 20) – etwa nur weil Hans Zimmer zu den wichtigsten Köpfen der Akademie gehört? Warum wird ein James Horner ausgerechnet mit seiner schwächsten Arbeit als bester Komponist nominiert – nur weil sie die populärste ist und auch für den Oscar vorgeschlagen war? Und was soll der Lifetime Achievement Award an Sir George Martin, wenn die Morricones, Williams, Goldsmiths noch leben, ganz zu schweigen vom 90-jährigen David Raksin?
Wenn solche Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten verschwinden, kann sich der World Soundtrack Award durchaus zu der renommierten und repräsentativen Auszeichnung entwickeln, die sein großspuriger Name verspricht. Eine eigene Fanfare hat er zumindest schon, geschrieben von Elmer Bernstein und in diesem Jahr erstmals gespielt.
Ronald Rinklef (Fotos)