DeMilles Bibel-Epos in Technicolor und VistaVision
Cecil B. DeMilles (1881-1959) 1956er Remake seines gleichnamigen Bibelepos’ aus dem Jahr 1923, Die zehn Gebote, gehört in die Kategorie Kolossal- bzw. Sandalenfilm und war ein Prestige-Produkt von Paramount Pictures. Der Name des Regisseurs ist unauslöschlicher Teil der US-Kinogeschichte und der Hollywood-Legende. Er gehörte zur Pionier-Generation im aufblühenden Kinogeschäft an der US-Westküste vor dem Ersten Weltkrieg. DeMille steht u. a. für die erfolgreiche Einführung des abendfüllenden Kinofilms, des so genannten Six-Reelers. Sein Name ist in besonderem Maße mit dem der Paramount-Studios verknüpft, die gemäß Chef Adolph Zukor mit dem Slogan firmierten: „If it’s a Paramount picture, it’s the best show in town.“
Bereits beim ersten Paramount-Film The Squaw Man (1914) führte DeMille Regie, und im Laufe seiner über 70 Filme umfassenden Karriere hat er dem Publikum davon auch noch zweimal ein Remake vorgesetzt: 1918 und 1931. Als Regisseur war DeMille ein Showman der alten Schule, der ähnlich wie Samuel Bronston nachdrücklich mit einem Kino der extravaganten Ausstattung, insbesondere des opulenten Historien-Spektakels assoziiert wird: z.B. Cleopatra (1934), The Crusades • Kreuzritter — Richard Löwenherz (1935), Union Pacific (1939), Unconquered • Die Unbesiegten (1947) oder Samson und Delilah (1948). Die Bronston-Epen besitzen zwar ebenfalls ihre zum Teil kräftigen Schwachpunkte, sie erscheinen allerdings doch merklich moderner als die oftmals eher antiquiert wirkenden von DeMille. Einen bemerkenswerten Auftritt als Schauspieler verzeichnet DeMille übrigens in Billy Wilders ironisch-sarkastischem Reflex auf das Hollywooder Studio-System, Sunset Boulevard • Boulevard der Dämmerung (1950, Musik: Franz Waxman). Hier spielt der Regisseur nämlich sich selbst, und der von Gloria Swanson verkörperte Ex-Stummfilmstar Norma Desmond ruft ihm zu: „Ich bin fertig für die Nahaufnahme, Mr. DeMille!“
Hinter der unleugbaren Bildgewalt der DeMille’schen Leinwandepen verbergen sich oftmals eher banale Drehbücher, in denen Logik zudem recht kleingeschrieben wird. Das betrifft auch Die zehn Gebote, wo z.B. die Amme, die sich um den zuvor auf dem Nil als Kleinkind ausgesetzten Moses kümmert, in der nachfolgenden Szene, immerhin rund 30 Jahre später, äußerlich unverändert wieder auftauchen darf — ein Regie-Lapsus, wie er allerdings im Kino des Golden Age häufiger auftritt und selbst heutzutage noch längst nicht ausgemerzt ist — siehe dazu auch Martin Scorseses Gangs of New York (2003).
Charlton Hestons Sohn Fraser erblickte gerade rechtzeitig das Licht der Welt, um die Rolle des Moses als Kleinkind „übernehmen“ zu können. Moses-Darsteller Charlton Heston gehört zu denen, die dank DeMille letztlich zu Leinwand-Stars wurden. Im sehr erfolgreichen DeMille-Zirkusfilm The Greatest Show on Earth, der 1952 den begehrten Oscar als bester Film des Jahres erhielt, hatte Heston seine erste Hauptrolle. Im Anschluss daran ebnete ihm der als Topseller in die Annalen Paramounts eingegangene Die zehn Gebote den Weg zu William Wylers The Big Country (1958, Musik: Jerome Moross) und anschließend zu Ben Hur (1959).
Paramounts Bibel-Epos kostete ca. 13 Mio $ und spielte nach dem ersten Start weltweit rund 64 Mio $ ein, was inflationsbereinigt heutzutage über 500 Mio $ entspricht. Die spektakulären Großszenen entstanden an Originalschauplätzen in Ägypten. Für den Auszug der Israeliten kamen rund 12.000 Statisten zum Einsatz — siehe auch Land der Pharaonen. Technicolor sorgte dabei für leuchtende Farben mit dem unverwechselbaren Ölgemälde-Touch, und Breitwand kam noch obendrauf.
Paramounts Antwort auf CinemaScope: Das Breitwandverfahren „VistaVision“
Der 1954 von Paramount mit White Christmas eingeführte Breitwandprozess VistaVision firmierte hierzulande mit dem Zusatz „Symbol der Vollendung“. Dieser vollmundige, blumige Werbe-Slogan besaß allerdings schon eine gewisse Berechtigung. Aufgenommen wurde nämlich auf horizontal (statt wie üblich vertikal) durch die Kamera laufendem 35-mm-Film. Dabei wurden zwei Standardbilder zu einem kombiniert und so auf 2 x 4 = 8 Perforationslöcher umfassende Einzelbilder aufgenommen. VistaVision zeichnet sich damit gegenüber dem normalen, vertikal durch die Kamera laufenden 35-mm-Bildmaterial, durch eine etwa dreifach größere Negativ-Fläche aus. Das sorgt für erheblich besser aufgelöste, deutlich schärfere Bilder mit erheblich weniger Filmkorn. Ein Vorteil gegenüber dem kurz darauf auf dem Markt eingeführten 70-mm-Todd-AO war, dass VistaVision eine annähernd vergleichbare Qualitätssteigerung beim Einsatz des gebräuchlichen 35-mm-Films verbuchen konnte. Der qualitätssteigernde Effekt, bleibt analog zu den 70-mm-Filmverfahren, erst Recht erhalten, wenn auf die üblichen 35-mm-Vorführkopien, mit vertikalem 4-Loch-Transportschritt, umkopiert (verkleinert) wird.
Mit VistaVision kam ein Breitwandverfahren auf den Markt, das im Gegensatz zu CinemaScope und 70-mm, zur Umsetzung der Innovation bei den meisten Abspielstätten nur relativ geringfügige Nachrüstungen erforderte. Der Clou war vielmehr, dass der erforderliche Aufwand primär auf andere Ebenen verlagert war, nämlich bereits beim Aufnehmen der Bilder und anschließend im Kopierwerk erfolgte. Die vom VistaVisions-„Double-Frame“-Negativ angefertigten, besonders hochwertigen Vorführkopien konnten so den Bedürfnissen der Kinobesitzer weitgehend angepasst werden. In der Wahl des zu projizierenden Formats war man flexibel: Je nach Saalgröße konnte man entweder erst einmal beim etablierten Normalformat (1:1,37) bleiben oder auch maßvolle Breitwandprojektion (in 1:1,66 und 1:1,85) realisieren. Die gewünschten Vorführkopien wurden dafür im Kopierwerk durch teilweises Abdecken (matten) des Original-VistaVision-Negativ-Bildes während des Kopier- und Verkleinerungsprozesses angefertigt.
Bei älteren Videotransfers sind VistaVisions-Filme kurioserweise an den Seiten und häufiger auch am oberen und unteren Bildrand merklich beschnitten. Da ist dann die mit fettem Bildstrich versehene Vorführkopie (im Seitenverhältnis 1:1,85) einfach im 4:3-TV-Format abgetastet und eventuell auch noch in das Bild hinein gezoomt worden. So erklärt sich, dass z.B. in einer frühen Szene von Über den Dächern von Nizza Alfred Hitchcock, rechts neben Cary Grant im Bus sitzend, abgeschnitten, also nicht mehr zu sehen ist. (Beim HD-Transfer der 2012er Blu-ray, welcher zwischenzeitlich auch im Fernsehen ausschließlich gezeigt wird, ist nicht nur dieser Lapsus behoben. Gerade Über den Dächern von Nizza sieht darüber hinaus jetzt auch daheim derart gut aus, dass die hervorragende Brillanz von VistaVision für den aufmerksamen Betrachter nicht zu übersehen ist.)
CinemaScope und die 70-mm-Konkurrenz verwendeten den neuartigen, vom im Jahr 1952 eingeführten besonders aufwändigen Cinerama-Prozess herstammenden, mehrkanaligen Magnetstereoton. Paramount hingegen setzte in diesem Punkt merkwürdigerweise auf das falsche Pferd. In der Anfangsphase von VistaVision blieb man nämlich dem technisch eindeutig überholten Lichtton treu, welchen man zum eher kurios anmutenden „Perspecta Stereophonic Sound“ erweiterte — siehe dazu Continente Perduto. Im Falle von Die zehn Gebote hat Paramount den Film späterhin auch noch mit einem Magnet-Stereoton-Mix ausgestattet. In echtem Stereo war und ist dabei aber einzig die auf Wunsch von Regisseur DeMille stilistisch betont am Wagner-Ring orientierte Filmmusik von Elmer Bernstein. Die Dialoge kommen ausschließlich aus der Mitte, und einzelne Toneffekte sind nur im pseudo-stereofonischen „Perspecta-Stil“ aus dem akustischen Zentrum zu den Seiten und auch mal über die hinteren Kanäle in den Raum gerichtet — ähnlich, wie man hierzulande für die DVD-/Blu-ray-Veröffentlichungen der Karl-May-Filme den Mono-Originalton auf Pseudo-Stereo aufgemotzt hat. Unter diesem Aspekt erscheint der im deutschsprachigen Raum gewählte Zusatz für Paramounts Breitwandverfahren, „Symbol der Vollendung“, doch wesentlich pfiffiger und spektakulärer als das im angelsächsischen an dieser Stelle stehende „Motion Picture High Fidelity“, wobei High Fidelity und (Perspecta-Stereo-)Lichtton geradezu anachronistisch anmutet.
Im Gegensatz zur CinemaScope-Konkurrenz arbeitete VistaVision nicht mit anamorphotischer Optik. Dieser Schritt vollzog sich beim so genannten Technirama-Verfahren, welches bei Paramount in den frühen 1960er Jahren Einzug hielt und das VistaVision-Negativbild mit anamorphotischer Optik kombinierte. Die resultierenden Verleihkopien konnten wiederum mit der üblichen CinemaScope-Optik vorgeführt werden. Eine der letzten Produktionen, die noch mit dem Markenzeichen VistaVision firmierte, war das in Teilen sehr poetische Marlon-Brando-Westernepos One Eyed Jacks • Der Besessene (1961, Musik: Hugo Friedhofer).
VistaVision war nach 1961 aber noch längst nicht einfach nur Geschichte, sondern erlebte vielmehr 1977 eine ungeahnte Renaissance. Das Team um George Lucas benötigte zur Umsetzung der ausgeklügelten Spezialeffekte beim Krieg der Sterne unbedingt ein möglichst kostensparendes Verfahren. Von Paramount, wo sich niemand mehr dafür interessierte, erwarb man das originale VistaVision-Equipment zum Spottpreis. Das hatte den Vorteil, dass man sämtliche Arbeitsschritte auf den herkömmlichen 35mm-Filmmaterialien durchführen, sich den erheblichen Mehraufwand beim Arbeiten mit 70mm sparen konnte. Die exzellente Optik der Special-Effects-Shots von Star Wars war dann Werbung genug und machte VistaVision noch bis in die 90er Jahre (!) hinein wieder zu einem wichtigen Standard der Filmindustrie. Selbst in jüngster Zeit wird das Verfahren noch vereinzelt – z.B. bei Inception (2010) – verwendet.
Das Lucas-Team erwarb seinerzeit neben den modifizierten Kameras auch die zugehörigen optischen Printer, welche in der pre-digitalen Ära optischer Spezialeffekte das fotochemische Zusammensetzen mehrerer Bildelemente erst ermöglichten. Bei einer dieser in der späteren hauseigenen Effektschmiede „Industrial Light and Magic“ (ILM) eingesetzten klassischen Apparate – liebevoll der „Anderson“ genannt – handelte es sich sogar um einen ganz besonders stolzen Veteran. War er doch bereits bei den Trickaufnahmen John Fultons bei Die zehn Gebote zum Einsatz gekommen.
Cecil B. DeMilles 1956er Die zehn Gebote gestern und heute:
Obwohl insbesondere bei der Erstveröffentlichung überaus erfolgreich, hat der Zahn der Zeit doch recht schnell begonnen, an diesem Prestige-Projekt von Paramount Pictures zu nagen, in dem alle Register des groß angelegten Bibelkitsches gezogen werden. Das geht insbesondere auf die so gestelzt wirkenden Dialoge und die wenig mitreißend, vielmehr altertümlich theatermäßig steif und fortwährend mit bedeutungsschwangerer Gestik agierenden Darsteller zurück. Die so inbrünstig, mit erhobenem Zeigefinger präsentierten Botschaften erscheinen dabei heutzutage nur noch penetrant. Spätestens wenn am Schluss der gebrochene Ramses II. (Yul Brynner) bekennt: „Sein Gott ist Gott!“, dann ist der Bibelkitsch perfekt.
So in etwa zumindest dürften es viele Leser empfinden, wobei jedoch gerade in den fundamentalistisch christlich angehauchten Kreisen der USA der Stil von Die zehn Gebote wohl immer noch hoch im Kurs steht.
Zu Beginn setzt sich Regisseur DeMille sogar selbst ins Bild und tritt vor der das Spektakel eröffnenden Ouvertüre vor den Vorhang. Mit salbungsvollem Pathos kündigt er seine Leinwandversion des uralten israelitischen Freiheitsmythos an. Da heißt es dann, es gehe im Film darum, ob ein Volk in Freiheit leben oder sich einem Diktator wie Pharao Ramses unterwerfen wolle. Hierbei scheint wohl zumindest unterschwellig auch die damalige Gegenwart durch, bestimmt von Kaltem Krieg, Antikommunismus („Red Scare“) und McCarthy-Ära.
Dies alles lässt die insgesamt 3 Stunden 50 Minuten, die man im heimischen TV-Sessel verbringen muss, in der Praxis für viele denn doch recht lang werden. Aber auch wenn das DeMille-Epos durchweg längst nicht mehr in gleichem Maße zu fesseln vermag wie vergleichbare Hollywoodepen, z.B. Ben-Hur oder Vom Winde verweht: es besitzt seine insbesondere visuell reizvollen Momente eines imposanten Ausstattungskinos vergangener Tage. Dazu zählen besonders die eindrucksvollen Massenszenen, wie die Errichtung eines Obelisken im ersten Film-Teil — wo man an Howard Hawks’ Land der Pharaonen (1955, Musik: Dimitri Tiomkin) denkt — und natürlich auch der spektakuläre Auszug der Israeliten aus Ägypten und die Teilung des Roten Meeres. Recht eindrucksvoll bleibt auch das von der Gott symbolisierenden (animierten) Feuersäule erfolgende Einbrennen der Gebotstexte in die Steintafeln — mit Hilfe von Schießpulver. Ebenso ansehnlich sind die Bilder vom alten Ägypten, wo insbesondere die prächtigen Bauten und zumindest in Teilen auch die Kostüme den erkennbaren Versuch belegen, bei allen hollywood-typischen Vereinfachungen zugleich den Stand der archäologischen Forschung noch einigermaßen korrekt widerzuspiegeln.
Wie groß allerdings zur Zeit der Erstaufführung der Eindruck auf viele Zeitgenossen gewesen sein muss, belegt auch die heutzutage recht kurios anmutende Urkunde der Deutschen Liga für Menschenrechte, die DeMille 1957 als „Schöpfer bedeutender, dem Gedanken der Menschenrechte dienender Filmwerke“ sogar zu ihrem Ehrenmitglied ernannte.
Ehedem waren Cecil B. DeMilles Die zehn Gebote (1956) im deutschen Fernsehen immer in schauderhaften, stark verblichenen und rotbraunstichigen Bildern zu sehen. Nach dem Erscheinen der zum 35-jährigen Film-Jubiläum 1991 veröffentlichten, schon sehr ordentlichen Laserdisc-Version, gelangte diese Fassung Ende der 90er auch ins deutsche Fernsehen. Und jetzt hat das überlange Bibelepos visuell nochmals deutlich zugelegt, ist dank eines 6K-Transfers nun erstmalig auch in HD-Qualität verfügbar — 4K markieren den von Hollywood geforderten Kinostandard (die meisten digitalen Abspielstätten projizieren hierzulande derzeit allerdings „nur“ in Auflösungen von etwa 1,6 bis 2K), die Blu-ray bietet 2K, HD-TV 1K und die DVD 0,5K.
Der Film auf Blu-ray
Warner hat sich bei der deutschen Ausgabe der „Ultimate Collector’s Edition“ zu Ben-Hur sehr nobel aus der Affäre gezogen, indem man eine inhaltlich mit der US-Ausgabe identische, ausschließlich gegenüber der aufwändigeren Verpackung (m.E. vertretbar) abgespeckte, sehr feine Edition auf den Markt geworfen hat. Umso knausriger ist der deutsche Ableger von Paramount bei seinem Prunkstück Die zehn Gebote an die Sache herangegangen.
In den USA erschien am 29. März 2011, anlässlich des 55-jährigen Jubiläums, neben einem äußerlich — zumindest auf den ersten Blick — mit der deutschen Ausgabe identischen 2er-BD-Set eine verschwenderisch ausgestattete 6-Disc-Geschenk-Box (3x BD & 3x DVD, s. u.), bei der die 6 Discs originellerweise in einer Kunststoff-Replik der Gebotstafeln untergebracht sind. Davon ist rund ein Jahr später in der deutschen Ausgabe allein der restaurierte Film übrig geblieben und sonst leider gar nichts: Sowohl auf den Audiokommentar zum Film als auch auf die paar Boni auf BD 2 des US-2er-BD-Sets (Trailer-Kollektion und Wochenschauausschnitte) muss der Käufer der hiesigen Ausgabe leider komplett verzichten.
Hierzu muss allerdings fairerweise angemerkt werden, dass die US-Geschenk-Box geradezu unchristlich schamlos aufgeblasen und überdimensioniert worden ist. Sie enthält nämlich das komplett identische Material zweimal, untergebracht auf jeweils drei Discs: in HD auf Blu-rays und in SD auf konventionellen DVDs. Man muss außerdem feststellen, dass es sich dabei in erster Linie „nur“ um eine technisch verbesserte Fassung der bereits zum 50. Jubiläum des Films 2006 erschienenen, drei DVDs umfassenden Edition handelt. Neben dem komplett neuen 6K-Transfer ist die alte DVD-Dokumentation durch eine neue, rund 75-minütige „The Ten Commandments: Making Miracles“ in HD ersetzt worden. (Inwieweit die bereits 2006 ebenfalls vertretene 1923er Stummfilm-Version neu transferiert oder ob nur ein älterer Transfer videotechnisch aufgepeppt worden ist, dazu habe ich keine zuverlässigen Infos gefunden.)
Da die 2006er-DVD-Edition auch im deutschen Sprachraum erhältlich war — und noch ist —, stellt sich die Frage, warum man hier nicht mehr gewagt hat und ein verpackungstechnisch zwar abgespecktes, aber solide aufgemachtes, inhaltlich mit der US-Version identisches 3er-BD-Set aufgelegt hat. Neben der neuen HD-Doku und dem Audiokommentar wäre es natürlich zusätzlich reizvoll, DeMilles 1923er Stummfilm-Erstverfilmung in besonders guter Qualität mit im Paket zu haben. Böse Zungen haben freilich schon vor Dekaden behauptet, drehe man bei der 56er-Version die Farben heraus, habe man die alte. Dies bezieht sich allerdings auf die Massenszenen der biblischen Moses-Geschichte, welche in der 1923er Version jedoch nur ein (wenn auch sehr ausladender) Prolog für die eigentliche, in der „Jetztzeit“ des Jahres 1923 angesiedelte Haupthandlung ist. Dabei ist im Moses-Prolog die für ihre Zeit bereits recht eindrucksvoll getrickste Teilung des Roten Meeres sogar in Zweifarben-Technicolor aufgenommen und teilweise auch noch zusätzlich von Hand coloriert worden — einzelne Zweifarb-Technicolor-Szenen finden sich auch im 1925er Ben Hur. Diese frühe Farbsequenz ist übrigens sowohl bei der 2006er-DVD-Ausgabe als auch im aktuellen US-BD-Set nicht im schwarzweißen Film integriert, sondern in einem separaten Segment zu begutachten.
Als kleines Positivum mag man der deutschen BD-Edition schon noch attestieren, dass Paramount bei der Filmpräsentation vergleichbar auf Qualität gesetzt hat wie Warner beim aktuellen Ben-Hur-Set, indem der Film auf zwei BD-50-Discs verteilt untergebracht ist. Und das sieht man auch. So schneidet der neue 6K-Transfer (s. u.) von Die 10 Gebote gerade bei der Bildqualität besonders gut ab. Über weite Strecken besitzt das kontrastreiche Bild sehr gute Schärfe, üppige Technicolorfarben mit typischem Gemälde-Touch, und entsprechend bieten die opulente Ausstattung, die Sets und die verschwenderischen Kostüme wie nie zuvor reiche und vielfältige Details. Nur in einzelnen Momenten tritt auch das Filmkorn etwas überdeutlich hervor. Infolge der sehr guten Farb-Qualität der Restauration sehen die heutzutage natürlich nicht mehr wirklich spektakulären Tricks (Rückprojektionen und frühe Blue-Screen-Shots) so gut aus, wie sie wohl seit der Uraufführung nicht mehr zu sehen gewesen sind. Gerade in den oftmals farblich stark defekten Kopien früherer (TV-)Tage schnitt die überholte Tricktechnik ganz besonders schlecht ab. Man erkennt es bei älteren Filmen zwar immer sofort, wenn getrickst worden ist, aber bei einwandfrei ausbalancierter Farbgebung sind auch veraltete Spezial-Effekte dazu in der Lage, immer noch respektabel auszusehen.
Allerdings sind gerade beim Schärfeeindruck doch verschiedentlich merkliche Schwankungen unübersehbar. So erscheinen im zweiten Film-Teil, wenn Moses aus der Wüste nach Ägypten zurückkehrt und vom Pharao die Freilassung seines versklavten Volkes erzwingt, größere Teile der Atelieraufnahmen deutlich softer. Beim sich anschließenden Auszug der Israeliten steht dann wieder alles zum Besten, erstrahlt das Bild in voller Brillanz. Natürlich drängt sich hier der Vergleich mit der aktuellen Ben-Hur-BD-Version auf. Und unterm Strich liegt Ben Hur an dieser Stelle schon ein klares Stückchen vorn, ist gerade beim Schärfeeindruck insgesamt doch eindeutig konsistenter.
Beim Bild belegen Die zehn Gebote somit noch fünfeinhalb Sterne, beim (ehedem Perspecta-)Ton sieht es zwangsläufig bescheidener aus. Die komplett neu gemixte englische Originalversion ist auf ihre Art zweifellos gut gemacht. Sie besitzt aber trotz High-Tech ihre klaren, oben erläuterten Grenzen. Gegen den echt stereofonen Magnetton von Ben-Hur belegt die engl. Sprachversion mit klarem Abstand einen ordentlichen zweiten Platz (3,5 Sterne). Dagegen fällt die deutsche Mono-Version allerdings kräftig ab, kommt nicht allein erheblich matter herüber. Sie ist zudem kräftig angerauscht und mit vielen Knacksern übersät. Einzelne Teile, wie die hierzulande wohl seit Ewigkeiten nicht mehr eingesetzte Ouvertüre oder die Pausenmusik, liegen nochmals spürbar dahinter: hier wirkt der Klang besonders betagt und ist zudem nicht frei von leiernden und verzerrten Passagen (noch 2 Sterne). Infos zu den Problemen, die das Paramount-Home-Entertainment-Restaurationsteam unter Ron Smith zu bewältigen hatte, finden sich in dem im Anhang verlinkten Artikel von Michael S. Palmer auf High-Def Digest.
Fazit: Wie zuvor bereits Ben-Hur (1959) ist nun auch DeMilles Die zehn Gebote (1956) hierzulande erstmalig im HD-Zeitalter angekommen und hinterlässt von Blu-ray insbesondere visuell einen prächtigen Eindruck. Der mit (zu) viel religiösem Pathos und Theatralik inszenierte Kolossalschinken vergangener Tage trägt seine christliche Propaganda ähnlich dick auf wie Mervin LeRoys Quo Vadis (1951, Musik: Miklós Rózsa). Entsprechend erfordert er von Nicht-Bibelsüchtigen beträchtlich Sitzfleisch, eventuell sogar aktweise einen hochprozentigen Schnaps, wenn man sich seine zweifellos vorhandenen bildgewaltigen Höhepunkte in das Gesamtwerk integriert antun will.
Ergänzende und weiterführende Links:
- Zum US-Deluxe-BD/DVD-Set
- „High-Def Digest Takes a Trip to Paramount to see Behind the Scenes of „The Ten Commandments“
- A few words about The Ten Commandments in HD von Restaurator Robert Harris
- VistaVision, „Symbol der Vollendung“
- Ausgrabungen zum 1923er Die zehn Gebote
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Pfingsten 2012.
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