Son of Fury

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Dezember 2006
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Son of Fury

Son of Fury • Abenteuer in der Südsee (1942) zählt zu Hollywoods romantischen Kostümabenteuern der Kategorie Swashbuckler. Die Handlung spielt im 18. Jahrhundert und verschlägt den englischen Landedelmann Benjamin Blake (verkörpert wiederum vom Errol Flynn der Centfox: Tyrone Power) infolge übler Machenschaften seiner habgierigen Verwandtschaft sogar in die Südsee, wo er letztlich Geld und Glück findet. Alfred Newman hat dem Protagonisten ein zweigeteiltes Heroenthema zugeordnet, das mit einer schmissigen Fanfare eröffnet wird und deutlich den Einfluss des „Don Juan“ von Richard Strauss widerspiegelt und zugleich auf das Swashbuckler-Scoring Erich Wolfgang Korngolds, z. B. The Sea Hawk • Herr der sieben Meere, (1940) verweist. Über die rund 80 Album-Minuten scheint dieses zentrale Leitmotiv Newman-typisch fortlaufend in vielfältiger Form auf, insgesamt rund 40 Mal. Dabei wird es natürlich gekonnt verarbeitet, dient darüber hinaus zugleich als Keimzelle der musikalischen Charakterisierung weiterer Figuren aus dem verwandtschaftlichen Umfeld der Hauptfigur.

Beim Hörer prägt sich das Benjamin-Blake-Thema jedoch erst nach und nach ein, gewinnt nach mehrmaligem Hören deutlich an Prägnanz und auch Charme. Anders ist es beim ihm zur Seite gestellten, sehr warmen, zugleich etwas süßlichen Liebesthema „Farewell to the Island“, in welchem Newman bereits damals höhere kommerzielle Erfolgschancen sah.

Der beim Liebesthema integrierte Südseezauber sowie die tonmalerisch auskomponierten maritimen Passagen der Musik (z. B. in Track 11, „Stowaway“) spiegeln die gleichen Kompositionsstandards, die auch Bronislaw Kaper rund 20 Jahre später in Mutiny on the Bounty • Meuterei auf der Bounty (1962) eingesetzt hat.

Was das Südseeflair angeht, wirkt der Einsatz der Hawaii-Gitarre heutzutage zwar recht klischeehaft. Trotzdem hat Newman insgesamt keinesfalls grob schematisiert gearbeitet, sondern sogar zwei Experten für polynesische Rhythmik und Gesang zu Rate gezogen, Augie Goupil und Thursten Knudson. Die beiden hatten bereits zuvor diverse Schallplatten bei Decca mit schon damals beliebter Südsee-Musik aufgenommen. Entsprechende Sorgfalt in der Konzeption Newmans spiegelt sich übrigens auch in der chinesischen Klangexotik von The Keys of the Kingdom • Schlüssel zum Himmelreich (1944).

Sicher mögen dem einen oder anderen gegen die aus heutiger Sicht in Teilen vibratolastige Spielweise, insbesondere der hohen Streicher, geschmackliche Bedenken kommen. Das ist jedoch eine Sache der Interpretation und ändert nichts an der insgesamt sorgfältigen Machart der Musik. Son of Fury zählt nicht zu den ausgefeiltesten Newman-Kompositionen, ist vielmehr eine, deren Stellenwert zwar eher durch Routine, allerdings auf überaus beachtlichem Niveau, gekennzeichnet wird.

Und wie (nicht nur in den Goldenen Tagen) üblich, handelt es sich auch bei Son of Fury nicht um sortenreinen Newman. Hier waren vielmehr insgesamt 12 Komponisten, Arrangeure und Orchestratoren beteiligt, dabei unter anderen David Buttolph (The Foxes of Harrow) und David Raksin (Two Weeks in Another Town). Wer hierzu im wie gewohnt reichhaltigen Begleitheft stöbert, mag schmunzelnd geradezu Zimmer’sche Verhältnisse attestieren. Wobei immer wieder fasziniert, wie homogen das Resultat derartiger Kompositionen sein kann, bei denen derart vielerlei Hände beteiligt gewesen sind — siehe auch How to Marry a Millionaire. Neben kompetenten Texten von Jon Burlingame und Rudy Behlmer besticht im liebevollen Begleitheft auch hier wiederum das zur Illustration eingesetzte Bildmaterial. Und last but not least ist es natürlich die mit fast 80 Minuten Spieldauer randvolle CD, die das Herz des Liebhabers ebenso höher schlagen lässt.

The Razor’s Edge

Nachdem bereits im Jahr 2003 die Tsunami-Edition zu Captain from Castile • Der Hauptmann von Kastilien (1946) von SAE wahrlich getoppt wurde, ist nun auch The Razor’s Edge • Auf Messers Schneide (1946) in einer offiziellen Album-Ausgabe des selben Labels erschienen. Für Ausführungen zum Film und zur Musik verweise ich auf den 2001er Artikel zur Tsunami-Edition von The Razor’s Edge.

Klanglich ist die ebenfalls stereophone SAE-CD ihrem Vorläufer beträchtlich voraus. Der Stereo-Mix der aus zwei unterschiedlichen Mikrofonpositionen aufgenommenen Lichttonmaster kommt von SAE nicht allein ohne den merklichen Hall der Tsunami-Edition daher. Im Vergleich klingt die Musik nicht nur erstaunlich klar und frisch, auch die lichttontypische dezente Rauhheit ist hier fast überhaupt nicht auszumachen. Im Gegensatz zur von leichten Qualitätsschwankungen gezeichneten Tsunami-Ausgabe gilt dies beim SAE-Album durchgehend. Somit bilden die SAE-Alben zu The Razor’s Edge und The Foxes of Harrow in Sachen Lichtton-Stereo der 40er Jahre die derzeitige Spitze des Gehörten. Selbst ausgebuffte HiFi-Freunde dürften hier zumindest verblüfft sein.

Einen weiteren Pluspunkt gegenüber der älteren Tsunami-CD verdient das Sequencing des neuen SAE-Albums: Erfreulicherweise sind hier Source-Cues und Score-Tracks sauber voneinander separiert. Kräftig mehr Punkte sammelt SAE natürlich beim wiederum erstklassig informativen, umfangreichen Begleitheft. Dem kann die schon allein bei der Cover-Optik etwas holprig wirkende Tsunami-Edition natürlich nicht das Wasser reichen.

Auch wenn die Tsunami-Edition insgesamt zwangsläufig nicht mithalten kann, einfach nur gnadenlos unterlegen ist sie dennoch nicht. Sie schlägt sich vielmehr auch klanglich recht wacker, da hier (auch die SAE-Stücke rauschen kaum) das Cedar-System deutlich behutsamer zum Einsatz gekommen ist als in anderen berüchtigten Fällen. Das seinerzeit der Ton-Aufbereitung verliehene Attribut „brillant“ müsste allerdings einem „durchaus respektabel“ weichen — was wieder einmal verdeutlicht, wie schwierig es ist, das Ergebnis von Klangrestaurationen sauber zu beurteilten.

Merkwürdiges kommt dafür beim eingehenderen Vergleich der beiden CDs heraus. Direkt fällt ins Auge, dass die Tsunami-Version rund neun Minuten länger ist als ihr SAE-Konkurrent. Bei SAE fehlen merkwürdigerweise die sechs Alternate-Cues, wobei hier besonders die drei merklich unterschiedlichen Versionen des Finales ein Verlust sind. Im Begleitheft ist zwar kurioserweise erwähnt, dass Newman den Main Title, das Finale und auch eine Musik für den Trailer nach Abschluss der offiziellen Aufnahmesitzungen aufgenommen hat. Auf der CD findet sich davon aber erstaunlicherweise nichts. Bei zwei Score-Tracks vermerkt die Tsunami außerdem, sie seien in der endgültigen Schnittfassung nicht verwendet worden. Von diesen beiden im angelsächsischen Fachjargon als „Outtakes“ geläufigen Stücken findet sich auch nur eines auf der SAE-Ausgabe. Die rund vierminütige „Exit Music“ auf SAE ist identisch mit „Uncle Elliot’s Waltz“ auf der Tsunami. Damit fehlen der SAE-Edition gegenüber der Tsunami-Ausgabe erstaunlicherweise rund 10 Minuten Musik. Eine Tatsache, für die sich im Begleitheft merkwürdigerweise keinerlei erklärende Hinweise finden.

Alles in allem präsentiert sich SAEs Edition von The Razor’s Edge schon eindeutig als Schmankerl, allerdings mit ein paar Schönheitsfehlern in Form der nur auf der Tsunami vertretenen Outtakes. Diesen Verlust vermag die wiederum nur auf der SAE-CD zu hörende Demo-Version eines Source-Cues schlichtweg nicht zu kompensieren.

Sowohl Son of Fury als auch The Razor’s Edge sind hierzulande übrigens praktisch unbekannt. Ende der 1940er Jahre waren sie zwar auch auf den deutschen Kinoleinwänden zu sehen. Anschließend verschwanden beide Streifen jedoch sang- und klanglos komplett in der Versenkung und sind hierzulande meines Wissens bislang auch noch nicht einmal im TV gezeigt worden. Ob’s allein daran liegt, dass sie im Gegensatz zum Piraten-Vehikel The Black Swan nicht mit der Üppigkeit des Dreifarben-Technicolors aufwarten können?

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2006.

© aller Logos und Abbildungen bei den Rechteinhabern (All pictures, trademarks and logos are protected).


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Newman, Alfred

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
79:33 Minuten
Sampler:
SAE
Kennung:
CRS-013

Weitere interessante Beiträge:

Flyboys

Flyboys

Twisted

Twisted

Soldier Blue

Soldier Blue

A Christmas Carol (TV)

A Christmas Carol (TV)

Cinemusic.de