Glaubt man dem aktuellsten Dreamworks-Animationsabenteuer, dann spielten sich in grauer Vorzeit im hohen Norden, auf der kleinen Insel Berk heftige Kämpfe zwischen Wikingern und Drachen ab. Dabei bereitet der kleine, eher schmächtige Wikingerjunge Hicks seinem Vater, Chef des Wikinger-Clans und als Haudrauf „Der Stoische“ bekannt, eher Sorgen. Hicks, der sich als geschickter Tüftler erweist, will seinem Papa imponieren. Eines Nachts holt er mit einer seiner Erfindungen einen besonders gefährlichen Vertreter der schuppigen Zunft vom Himmel: einen jungen Nachtschatten. Doch dieser überlebt und der Junge bringt es nicht übers Herz, das verletzte Jungtier zu töten. Er freundet sich mit ihm sogar an und tauft den Jungdrachen auf „Ohnezahn“ (Toothless). Bis es den beiden schließlich gelingt, die Wikinger mit den feuerspeienden Echsen zu versöhnen, steht dem ungewöhnlichen Duo aber noch manch wahrhaft hitziges Abenteuer bevor.
John Powell zählt mittlerweile im Bereich derartiger Cartoon- bzw. Animationsfilmvertonungen fast schon zu den Veteranen. Mit Antz (1998), über Chicken Run (2000), Shrek (2001), Robots (2005), Ice Age 2 — The Meltdown (2006), Happy Feet (2008), Horton Hears a Who! (2008) und Ice Age: Dawn of the Dinosaurs (2009) sind an dieser Stelle auch nur diejenigen Vertonungen aufgeführt, deren CD-Alben auf Cinemusic.de vorgestellt wurden.
Dabei sollten die bombastisch und brachial daher kommenden Actionpassagen des Drachenepos nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier eine besonders sorgfältig ausgearbeitete Filmmusik vorliegt, auch wenn deren teilweise mit martialischer Rhythmik durchsetzter und zusätzlicher choraler Unterstützung fetter Klangstrom teilweise durchaus Zimmer-typisch ist. Auch wenn manches anfänglich ein wenig auf Musiken wie den Gladiator zu verweisen scheint, bei eingehenderem Hören zeigt sich, wie geschickt sowohl die lautstarken als auch die lyrischen Teile auskomponiert und wie sorgfältig diese thematisch bzw. motivisch gestaltet sind. Dazu wartet die Musik zum Drachenabenteuer mit mehreren sehr eingängigen Themen auf, denen zudem eine merkliche Portion Ohrwurmcharme attestiert werden darf, z. B. „Forbidden Friendship“, das breit ausgespielte, charmante Liebesthema in „Romantic Flight“ oder der episch anmutende „Test Drive“.
Auch dank seiner trickreichen Instrumentierung ist How to Train Your Dragon sehr farbig gestaltet. Dabei ist der Amboss in „Dragon Battle“ ein nettes Detail, wie auch die Marimba in „Forbidden Friendship“, ein Schlaginstrument aus der Familie der Xylophone, das hier entscheidend zum Charme dieses Stücks beiträgt. Hinzu kommt häufiger eine merkliche Prise unerwarteter, da keltisch anmutender Klangfärbungen durch Dulcimer und Pennywhistle, z. B. in „New Tail“. Dass passt freilich zu den, in den Credits im (praktisch nur aus Bildern bestehenden) Begleitheft erwähnten insgesamt 14 Dudelsäcken (Warpipes). Nun, diese waren wohl auch bei den Wikingern gebräuchlich und bilden hier eine echt drollige Angelegenheit, die zum Hörvergnügen mächtig beiträgt. Und darüber hinaus sorgt die markante, norwegische Hardanger-Fiedel (siehe auch „Klassikwanderung 17: Eine nordische Rhapsodie, 2. Teil“) für stimmiges Kolorit.
Powell erweist sich somit ein weiteres Mal als der wohl interessanteste Spross der Zimmer-Schule. Mit How to Train Your Dragon hat er ein Album vorgelegt, das auch über die erfreulich lange Spielzeit von über 70 Minuten nicht nur ohne echte Durchhänger funktioniert. Der Score zum Dreamworx-Animationsspektakel steht überhaupt auf vergleichbar hohem Niveau, wie die bislang wohl überzeu-gendsten Genrearbeiten die Powell geliefert hat: Chicken Run und Robots. Außerdem ver-dient nicht nur die technisch tadellose Präsentation des Varèse-Albums, welche die einzelnen Tracks nahezu bruchlos ineinander fließend kombiniert, einiges Lob. Das verdienen auch die fulminant aufspielenden Londoner Musiker sowie die transparente Aufnahmetechnik.
Hierzulande hat das in freier Adaption nach dem gleichnamigen Kinderbuch von Cressida Cowell entstandene aktuelle Dreamworks 3-D-Animationsabenteuer, Drachenzähmen leicht gemacht, leider längst nicht vergleichbar gut eingeschlagen wie in den USA. Dabei ist den Regisseuren von Lilo & Stitch, Chris Sanders und Dean DeBois, ein durchaus ansprechender Familienfilm gelungen. Indem es gerade den Kinderfiguren der Handlung auch eine Entwicklung zugesteht, hebt sich das Drachenabenteuer von der primär effektgeladenen Spektakelmasche der meisten seiner Vorgänger aus dem Hause Dreamworks doch ein merkliches Stückchen ab und das macht den Streifen besonders sehenswert. Zur Portion Tiefe des Plots kommen in der 3-D-Version unter anderem die besonders gelungen umgesetzten Flugszenen hinzu. Wenn das nicht auch so manchen der kleinen Zuschauer für die dritte Leinwanddimension begeistern dürfte. Mögen DVD- und Blu-ray-Edition und vielleicht auch eine (weitere) positive Rezeption von John Powells gekonnter Filmmusik dabei helfen die bislang eher enttäuschende Bilanz noch spürbar zu verbessern. Dabei wäre etwas von der in den USA zum Film erfolgten Mund-zu-Mund-Werbung an dieser Stelle sehr zu wünschen.