The Hateful 8 (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. Juni 2016
Abgelegt unter:
Blu-Ray

Film

(--/6)

Bild

(6/6)

Ton

(5/6)

Splatter-Fürst Quentin Tarantinos Weihnachts-Gag 2015: The Hateful Eight

Eine überraschend geräumige Postkutschenstation in winterlicher Einöde bildet den Haupthintergrund für den aktuellsten Tarantino, The Hateful Eight. Tarantinos Vorliebe für Italo-Western ist ja bekannt und das ruft hier Sergio Corbuccis Il grande silenzio * Leichen pflastern seinen Weg (1967) in den Sinn. Das ist so falsch nicht, denn wie sich bald herausstellt, sind sämtliche Figuren der Handlung mehr oder (nur etwas) weniger abscheulich und hassenswert, denn bei allen pflasterten bereits zuvor Leichen ihren Weg.

Was unmittelbar hervorsticht, ist die außergewöhnliche visuelle Brillanz des Gezeigten. Dafür zeichnet das analoge Aufnahmeverfahren Ultrapanavision 70, auch als MGM Camera 65 bekannt, verantwortlich. Aufgenommen auf 70-mm-Filmmaterial liefert es ultrabreite, gestochen scharfe Bilder von außergewöhnlich majestätisch-imposanter Wirkung im Seitenverhältnis 1 : 2,76 – siehe dazu auch Khartoum (1966).  In Ultrapanavision 70 entstanden zuvor insgesamt zehn Großproduktionen wie Das Land des Regenbaums (1957), Ben-Hur (1959), Meuterei auf der Bounty (1962), Der Untergang des römischen Reiches (1964) oder Die letzte Schlacht (1965). Das Verfahren ist allerdings längst museal. Das letzte Mal kam es bei Khartoum (1966), also vor mittlerweile einem halben Jahrhundert, zum Einsatz.

In Deutschland sind derzeit nur vier Kinos überhaupt noch  in der Lage Ultra-Panavision-70 vorzuführen. Aber selbst auf der riesigen Gesamtfläche, welche die 50 Bundesstaaten der Vereinigten Staaten von Amerika ausmachen, finden sich zurzeit nur noch rund 100 einsatzfähige Abspielstätten.

Allerdings gibt’s nur innerhalb der ersten rund 30 Filmminuten einige in der Tat fantastisch aussehende Totalen zu sehen, wenn eine (weil’s schöner aussieht) sechsspännige Postkutsche durch tief verschneite Landschaften (aufgenommen in Colorado) ihrem Ziel entgegen fährt. Darin befinden sich vier Personen: Der Kopfgeldjäger John Ruth (Kurt Russell) mit seiner Gefangenen Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh), ein weiterer Kopfgeldjäger, der farbige Nordstaaten Ex-Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) und Sheriff Chris Mannix (Walton Goggins).

Der überwiegende Teil der dialoglastigen, ansonsten eher dünnen Handlung findet nicht, wie Ultrapanavision 70 eigentlich nahelegt, in der Weite einer grandiose Panoramabilder liefernden Natur statt, sondern in einer einsamen Postkutschenstation mit dem absurden Namen „Minnies Miederwarenladen“. Minnies Miederwarenladen klingt zwar ein bisschen nach Disney, das ist es aber bei Tarantino ganz und gar nicht. Draußen pfeift und heult der Schneesturm, vor dem die Insassen der Postkutsche Schutz suchen. Sie treffen auf weitere vergleichbar zwielichtige Gestalten wie sie selbst: auf  Bob, den Mexikaner (Demián Bichir), Joe Gage, den Cowboy (Michael Madsen), Oswaldo Mobray (Tim Roth), einen Engländer, der vorgibt der neue Henker der Stadt Red Rock zu sein, sowie den Ex-Konföderierten-General Sanford Smithers (Bruce Dern). Damit wären die besagten „hassenswerten Acht“ zwar komplett, aber es gibt noch einen zuerst verborgenen Neunten, der erst spät die Handlungsbühne betritt:  den Bruder von Daisy Domergue, Jordan (Channing Tatum). Vielleicht ist dieser Neunte ja sogar entscheidender Teil des Gags, den Tarantino sich hier erlaubt, denn The Hateful Eight ist nämlich nur dann sein achter Film, wenn die beiden Kill-Bill-Teile als nur ein Film gezählt werden.

The Hateful Eight (Szene 3)Infolge seiner in Teilen schon arg grotesken Überzeichnung erscheint The Hateful Eight in besonderem Maße als ein reines Kunstprodukt. So wirkt Minnies Miederwarenladen, wohl um darin überhaupt einigermaßen überzeugend mit Ultrapanavision  arbeiten zu können, nicht nur riesig, sondern darüber hinaus auch seltsam bizarr. Nicht nur, dass zwischen den Türbrettern deutliche Lücken klaffen, durch die man das Licht hindurch scheinen sieht. Verrückterweise muss diese Tür zum Öffnen auch noch  immer eingetreten und anschließend mit zwei Brettern wieder zugenagelt werden. Der im Türbereich befindliche, durch die großen Rizzen reingewehte Schnee schmilzt nicht, und dank Gegenlicht sieht es immer wieder so aus, als riesele permanent weiterer Schnee ins Innere dieser Herberge. Das soll wohl für eine auch im nicht übertragenen Sinne eiskalte Atmosphäre zwischen den sich gegenseitig belauernden und, wie sich bald herausstellt, auch nach dem Leben trachtenden Figuren stehen. Ebenso kurios wirkt es, wenn die beiden Ex-Offiziere noch Jahre nach dem Bürgerkrieg jeweils in einer neuwertig erscheinenden, vollständigen Paradeuniform – wie aus einem John-Ford-Western entlehnt – posieren dürfen. Ex-Major Marquis Warren z.B. erkennt in Ex-Konföderierten-General Sanford Smithers den „Nigger-Schlächter von Baton Rouge“. Innerhalb der sich entspinnenden Wortduelle wird auch das offenbar kurz bevorstehende Weihnachtfest erwähnt, worauf  der Mexikaner prompt „Stille Nacht“ auf dem Klavier klimpert. Tarantinos The Hateful Eight, ehedem als Fortsetzung von Django Unchained angekündigt, gerät so zum hoch speziellen und zugleich artifiziellen Kammerspiel – um nicht „absurdes Theaterstück“ zu schreiben.

Bis auf den farbigen Ex-Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) sind die Übrigen, insbesondere die aus den Südstaaten stammenden Zeitgenossen, welche ja einige Jahre zuvor den Bürgerkrieg verloren haben, durch die Bank mehr oder weniger rassistisch. „Du hast keine Ahnung, was es heißt, wenn man sich als Schwarzer gegen Amerika behaupten muss. Schwarze können sich nur dann sicher fühlen, wenn die Weißen entwaffnet sind.“ stellt Warren dazu fest und hat durch einen gefälschten Brief Abraham Lincolns vorgesorgt, dessen berührender Inhalt die gewünschte Wirkung erzielt. Am Schluss wird dieser von den zwei letzten noch Lebenden des großen Gemetzels vorgelesen.

The Hateful Eight (Szene 2)Die Schauspieler sind gut, auch technisch ist das Ganze auf hohem Niveau umgesetzt. Mit Kameramann Robert Richardson – Schnee, der auf Zedern fällt (1999), Aviator (2004), Hugo Cabret (2009) –  ist unübersehbar ein Profi am Werke, dem es durchaus gelingt, das den Hauptteil des Films bildende Kammerspiel in zum Teil bemerkenswerte Bilder umzusetzen, auch wenn gerade die extremen Großaufnahmen am wenigsten überzeugen und m.E. klare Grenzen im sinnvollen Umgang mit dem ultrabreiten Format aufzeigen. Ebenso besitzen die mitunter herrlich deftigen und pointierten Dialoge einigen Biss und lassen ob ihres Zynismus und Sarkasmus des Öfteren Schmunzeln. Das gilt auch, wenn Tarantino das im Gegensatz zum heutzutage übertrieben problematisierten Begriff „Neger“ eindeutige Schimpfwort „Nigger“ in extremer Häufigkeit geradezu genüsslich zelebrieren lässt, freilich in einem betont heutigen und flapsigen Sprachstil, der zur Zeit der Filmhandlung nicht üblich war. So bemerkt z.B. der Kopfgeldjäger John Ruth betont scheinheilig zu seiner Gefangenen Daisy Domergue: „Weißt du, Mädchen, denn nicht, dass die Bimbos heute nicht mehr Nigger genannt werden wollen? Sie empfinden das als Beleidigung!“

Aber ist Tarantinos Film damit alles in allem gleich ein substanzieller und intellektueller Beitrag zum Thema Rassismus? Kann man ihm überzeugend das Etikett einer intelligenten und sogar politischen Parabel auf den Zustand der heutigen US-Gesellschaft verpassen? Derartiges wird zwar ähnlich wie auch bei Django Unchained gern hineininterpretiert, aber gerade im Verbund mit dem lustvoll im Detail ausgekosteten physischen Ekel, welchen Splatter-Experte Greg Nicotero (TV-Serie The Walking Dead) gestaltete, wirkt das allzu selbstzweckhaft, und dadurch geht die propagierte Absicht m.E. unter. Das Herumspritzen eines mit zwei Revolvern weggeschossenen Gesichts und einige Galleonen an entsprechend verteiltem Kunstblut oder Kotze kommen drastisch choreografiert herüber. Einer kriegt dabei, wie er selbst wortwörtlich feststellt, die Eier weggeschossen – was wiederum als grandioses Selbstzitat aus Django Unchained gerühmt werden mag. Aber auch wenn in den Gewaltmomenten manches völlig überdreht und daher komplett unrealistisch erscheint, etwa dass derart Schwerstverletzte (wie in der Oper) noch lange in der Lage sind, sich gezielt zu unterhalten, vermag ich mich über so etwas nicht im Sinne einer „lustigen Blutwurst“ (Zeit-Online) zu amüsieren. Je länger ich über das in Teilen auch mehrfach Gesehene nachdenke, desto weniger wird für mich nachvollziehbar, wozu man, um ein bissiges Statement gegen Rassismus zu setzen, dem Zuschauer zugleich eine derart eklige und wüste Schlachtplatte servieren muss. Ich kann mir so etwas, auch um überhaupt mitreden zu können, zwar mal anschauen, aber den ausgeprägten Hype um Tarantino macht es mir deswegen nicht einleuchtender. Ist es nicht vielmehr ein geschickt kalkuliertes Marketingkonzept, was sich hinter der vielleicht nur vorgeschobenen Portion Rassismus-Kritik verbirgt? In Tarantinos Kino werden bekannte Handlungsmuster und Stereotypen verschiedener Genres aufgegriffen, eigenwilligst neu kombiniert und mit filmischen Zitaten durchsetzt präsentiert. Das ist im Ergebnis, da fast nichts so ist, wie es zuerst scheint, ob der überraschenden Wendungen mitunter schon recht originell und auch unterhaltsam, aber doch längst nicht generell überzeugend. Die Übergänge zwischen abgekupfert und echter Hommage sind vielmehr fließend. Wobei gerade die regelmäßig zur schrillen, mittlerweile geradezu popkulturell inszenierten Gewaltorgie ausartenden Finale die Zuschauer in besonderem Maße spalten. Der generelle Insider-Tipp ist dabei nämlich: Ihr könnt Euch drauf verlassen, spätestens am Schluss lässt’s euer Quentin wieder blutigst krachen! Im Falle von Django Unchained finden sich dazu Vorbilder in Mandingo (1974) und Addio, Onkel Tom (1972). Bei The Hateful Eight spiegeln sich im Katz- und Maus-Spiel in einsamer abgelegener Poststation neben der eher losen Italo-Western-Schablone mehr klassischere Krimis, gehalten im „10-kleine-Negerlein-Stil“, gewürzt mit einer Prise aus John Carpenters The Thing (1982) inklusive der originalen Morricone-Musik (s.u.).

Dabei will ich nicht verschweigen, dass mich die Gewaltdarstellung  in einer Reihe von Filmen von Martin Scorsese vergleichbar abstößt, wobei Scorsese in meinen Augen trotzdem eindeutig der bedeutendere Filmemacher ist. Nun, wie auch immer: Zum Thema Rassismus gibt’s in jedem Fall ausreichend gewichtige Alternativen: etwa die historischen Betrachtungen in Lincoln (2012) und Twelve Years A Slave (2013), im Blick auf die Bürgerrechtsbewegung in Selma (2014) oder auch das spannende, freilich etwas idealisierte Justiz-Drama The Jury (1996), in welchem wiederum Samuel Jackson eine tragende Rolle überzeugend verkörpert. Nicht zu vergessen die beiden in ihrer eindringlichen Darstellung der Verhältnisse im Old South besonders überzeugenden Klassiker zum Thema: Mississippi Burning – Die Wurzel des Hasses (1988) und In der Hitze der Nacht (1967).

Ennio Morricones Filmmusik auf Decca

Tarantinos Vorliebe für die Filmmusiken des mittlerweile 87-jährigen italienischen Altmeisters Ennio Morricone ist ja bekannt. Diese führte dazu, dass er in seinen Filmen das musikalische Gewand zum Großteil aus (mitunter durchaus geschickt) kompilierten Morricone-Musikschnipseln schneidern ließ. Geraume Zeit war Morricone auf Trarantino nicht allzu gut zu sprechen. Der Maestro hat sich insbesondere über Django Unchained fast schon vernichtend geäußert, für den er zusammen mit der Sängerin Elisa Toffoli bereits die süffige Pop-Ballade „Ancora Qui“ lieferte. Aber dann hat man sich doch wieder angenähert. Für The Hateful 8 hat die italienische Kinolegende Splatter-Fürst Tarantino nun sogar die Orchestermusik komponiert, dabei allerdings auch Teile der Musik zu John Carpenters Remake von The Thing * Das Ding aus einer anderen Welt (1982) wiederverwendet – die im Albumschnitt nicht vertreten sind.

The Hateful Eight (Szene 6)Das knapp 72-minütige CD-Album enthält rund 50 Minuten Morricone und darüber hinaus diverse Dialogschnipsel, die sich aber – Gott sei Dank – nicht mit den Musik-Tracks überschneiden, also auch wegprogrammiert werden können. Außerdem hat Tarantino wieder DJ-mäßig in seine LP-Kollektion gegriffen und offenbar direkt von den Platten (einzelne typisch analoge Nebengeräusche inklusive) einige Songs hinzugefügt. Davon unabhängig und zugleich drollig ist allerdings das australische Volkslied „Jim Jones at Botany Bay“, welches sogar in die Zeit der Filmhandlung passt und das Jennifer Jason Leigh in einem speziellen Arrangement selbst zur Gitarre singt.

Alles in allem ist das Album sicher ein solides Souvenir zum Film und für Tarantino-Fans wohl eh unverzichtbar. Für alle Anderen ist zumindest Probehören angeraten, denn mit Morricones Arbeiten für die Westernfilme von Sergio Leone und anderen hat das, was es hier zu hören gibt, nur wenig zu tun. E-Gitarren-Sounds, Maultrommel, Mundharmonika, Peitschenknallen oder gar etwas Eingängiges, das zum Mitpfeifen einlädt, kommt überhaupt nicht vor. Die betont und dabei in jedem Fall sehr gekonnt die Stimmungen auslotende Musik schafft vielmehr durchgehend eine unheimliche, fröstelnde Atmosphäre latenter Bedrohung.

Die drei Album-Tracks, „L’ultima diligenza di Red Rock (The Last Stage to Red Rock)“ mit seinem vom Fagott intonierten, fast hermannesque anmutenden düsteren Thema, die darauf folgende „Ouverture“ sowie „Neve (Snow)“ mit seinen tonmalerisch glitzernden Glockenspielfiguren, bilden das auch für die übrigen Morricone-Stücke essentielle Musikmaterial ab. Nur einzelne für Morricones Westernscoring typische Manierismen schimmern dabei hin und wieder dezent durch. Einzig „La lettera di Lincoln (The Lincoln Letter)“ mit dem heroisch-feierlichen Trompetensolo erinnert klar an Zwei glorreiche Halunken.

The Hateful 8 von Blu-ray

An den Verkaufsstart geht Tarantinos achter (oder doch neunter?) Kinostreich, The Hateful Eight, in einer Einzeldiscausgabe. Neben dem Film sind nur zwei Trailer sowie zwei kurze Featuretten mit im Paket.

Bild und Ton

Bekanntlich besitzt Tarantino eine ausgeprägte Abneigung gegen das digitale Filmemachen. Die selbst von Blu-ray geradezu bestechende Brillanz der digital transferierten Ultrapanavisionsbilder sollte ihn daran eventuell mal zweifeln lassen. Bereits in „nur 2k“ – was ja im Übrigen selbst auf großen Kinoleinwänden durchaus ausreicht, die Zuschauer zu beglücken – sticht unmittelbar deren vorzügliche Schärfe hervor. Filmkorn ist dabei kein Thema. Zusammen mit den knackigen Farben, einem üppigem Kontrastverhältnis sowie sattem Schwarzwert resultieren sehr detailfreudige, geradezu plastische Eindrücke. Das Bild gibt’s übrigens in der vollen Ultrapanavisionsbreite (1 : 2,76) zu sehen, wobei man freilich die grandiose Ultrapanavisionswirkung im normalen Kino und erst Recht daheim nur erahnen kann.

The Hateful Eight (Szene 1)Auch wenn es sich hierbei nicht um die 70-mm-Roadshow-Version handelt: Abgesehen von der fehlenden Ouvertüre sowie der Pause sind die Unterschiede zur konventionellen Kinofassung eher gering. Die sechs Minuten weniger an Lauflänge der Standard-Kinoversion beinhalten nämlich nicht zusätzliche Handlungselemente, sondern sind durch speziell für die Ultrapanavisions-Präsentation eingerichtete, zum Teil etwas verlängerte Einstellungen bedingt.

Auch beim Ton jeweils in Deutsch und Englisch in DTS-HD MA 5.1 gibt’s keine Beanstandungen. Betont effektvoll agiert dieser freilich allein in den Außenaufnahmen zu Beginn. In der skurrilen Farce in Minnies Miederwarenladen hingegen bleibt er zwangsläufig eher unspektakulär und weitgehend frontlastig.

Die Extras:

Die Boni-Sektion ist kaum der Rede wert, handelt es sich dabei doch um reine Werbung. „Beyond the Eight“ (5 min) ist schon ob seiner verdächtigen Kürze kein wirklicher Blick hinter die Kulissen des Drehs, sondern besteht aus reinem PR-Gelaber. „Sam Jackson’s Guide to Glorious 70mm“ (8 min) ist leider auch nur eine zu oberflächliche, in allererster Linie die Produktion selbstbeweihräuchernde Werbung für die Ultrapanavision-70-Roadshow, inszeniert von Samuel Jackson mit überschnappender Stimme und penetrant überdrehtem Ausdruck.

Fazit: Tarantinos The Hateful Eight, gedreht in Ultrapanavision 70, ist trotz der in den ausgewählten 70-mm-Kinos erfolgten nostalgischen Roadshow-Präsentation im Übrigen kaum nostalgieverdächtig. Selbst von den Fans des Regisseurs ist das, was sich zu rund 80 % in einer einsamen Berghütte in Form eines skurrilen Kammerspiels ereignet doch recht verhalten aufgenommen worden. Trotz seiner unübersehbar professionellen und über eine Reihe interessanter Akzente verfügenden Machart blieb auch ich am Ende eher ratlos zurück. Meiner Meinung nach zerstören die für Tarantinos Kino so typischen, offenbar unverzichtbaren Splattereien, versehen mit ausgeprägtem Ekelfaktor, auch hier zu vieles von dem, was der Film vielleicht sein könnte. In meinen Augen ist das Ganze mehr gewollte Selbstinszenierung als hohe Kinokunst und außerdem ein eher makabrer Weihnachts-Gag. Dessen Blu-ray-Präsentation in der Standard-Kino-Version ist vorbildlich, das Bonusmaterial ist hingegen dürftig.

The Hateful Eight (Szene 5)Wenn ich die vorzügliche Bildqualität der Hateful 8 mit der außergewöhnlichen Brillanz des derzeit im persönlichen Focus befindlichen The Revenant vergleiche, dessen grandios eingefangene epischen Naturstimmungen sich gerade für eine Wiederbelebung von Ultrapanavision  angeboten hätten, lässt mich dies zugleich stutzen: Abseits der bemerkenswerten Huldigung an einen Kino-Breitwandmythos ist der Einsatz des klassischen 70 mm Ultrapanavisionsverfahrens bei The Hateful Eight wohl nicht zuletzt ein Werbegag, der in den wenigen dafür noch in Frage kommenden Kinos als nostalgische Roadshow-Präsentation, mit Ouvertüre, 12-Minuten Pause und Souvenirprogrammheft zelebriert worden ist. Technisch dürfte eine Top-4K-Projektion dem zweifellos ehedem die Königdisziplin der Kinotechnik bildenden Ultrapanavisionsverfahren im visuellen Praxistest bereits jetzt zumindest recht nahe kommen können. Voraussetzung dafür ist freilich, dass diese nicht allein mehr Pixel zeigt, sondern darüber hinaus auch die zusätzlichen Ultra-HD-Attribute, den erweiterten Farbraum und den größeren Kontrastumfang (HDR), darzustellen vermag. Zumindest in diese Richtung zielt wohl Garreth Edwards komplett digitaler Anlauf bei Rogue One: A Star Wars Story (2016), aufgenommen unter Verwendung von Ultra-Panavision-70-Optiken mit Arri Alexa 65 Kameras.

 

Ergänzende Links:

Was ich bei Tarantinos Gewaltfantasien für besonders bedenklich halte, ist, konkret auf Django Unchained bezogen, die Derartiges zunehmend verharmlosende Tendenz offizieller Stellen, welche sich mit den Themen Bildung und Jugendschutz befassen. So empfiehlt „Rassismus. Erkennen & Bekämpfen“, ein in seiner einseitig verzerrenden Darstellung zudem offenbar auch noch äußerst fragwürdiges Themenheft des Netzwerkes „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, den Film sogar als Unterrichtsmaterial, weil dort „ein Schwarzer mit der Institution Sklaverei aufräumt“:

„Rassistischer Antirassismus für den Unterricht“, Alan Posener, DIE WELT

Und die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) hat der von pro7 mit einer handvoll Schnitten versehen Fassung sogar eine Freigabe ab 12 Jahren (!) und damit den Weg ins TV-Programm zur Primetime (20 bis 22 Uhr) geebnet: „Aber es wird eingeschätzt, dass ab 12-Jährige die Überspitzung der Gewalt und die Überhöhung der Figuren als solche bereits erkennen können, ebenso wie einige Genrezitate. Friedfertige Szenen, slapstickartige Dialoge und Naturaufnahmen bieten ausreichende Distanzmöglichkeiten.“

„Ein Tarantino bis auf’s Blut“ (Django Unchained), auf Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.

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Mehrteilige Rezension:

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Erschienen:
2016
Vertrieb:
Universum Film GmbH
Zusatzinformationen:
USA 2015

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