Deutschland von oben – Der Kinofilm (Blu-ray)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
2. März 2013
Abgelegt unter:
Blu-Ray

5696Andere erfolgreiche TV-Dokumentarserien haben es bereits vorexerziert. Sie waren nach der ausgestrahlten TV-Version zusätzlich auch als geschickt kondensierte Kinofassung zu sehen: etwa die 2006er BBC-TV-Reihe Planet Erde als Unsere Erde (2008) oder auch Wildes Russland (2009), neuvermarktet unter dem Kino-Titel Russland — Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane (2011). Und so tritt die ebenfalls sehr erfolgreiche sechs teilige Terra-X-Reihe des ZDF, Deutschland von oben, in dieselben Fußstapfen. Nach dem Kinostart am 7. Juni 2012 ist der Kinofilm seit dem 7. Dezember 2012 nun auch auf Blu-ray und DVD erhältlich.

Der aus Dortmund stammende Journalist und Dokumentarfilmer Freddie Röckenhaus (•1956) hat zusammen mit seiner langjährigen Kollegin Petra Höfer in den vergangenen zwei Dekaden rund 70 Dokumentationen produziert. An der TV-Fassung von Deutschland von oben wurde rund drei Jahre gearbeitet und aus rund 300 Stunden Bildmaterial ausgewählt. Für die nun für das Kino zusammengestellte (Kurz-)Fassung ist aber auch noch zusätzliches Material produziert worden, insbesondere für die Winterszenen.

Es lohnt sich, Deutschland von oben zu betrachten, zumal die visuelle Qualität der Bilder bestechend ist. Deutschland von oben — Der Kinofilm (2012) erweist sich dabei schnell als ein Heimatfilm der ungewöhnlichen Art. Die Perspektive nämlich bestimmt den jeweiligen Eindruck des Gezeigten. Zwar sind einzelne Helikopter-Shots in derartigen Dokumentationen durchaus geläufig, aber diese betrachten die Dinge praktisch ausschließlich aus der Vogelperspektive. Ein derartiges Vorhaben erfordert allerdings erhebliche Vorbereitungszeit. In den meisten Fällen konnte man nicht einfach die Drehorte auswählen und bei gutem Wetter drauflos fliegen, sondern musste zuvor umfangreiche Genehmigungen einholen.

Und so erlebt der Betrachter Deutschland dieses Mal als eine Montage über ein ganzes Jahr und damit im Spiegel der Jahreszeiten, als ein Füllhorn überraschender wie fesselnder Blicke von oben. Das kreiselstabilisierte, am Bauch des Hubschraubers angebrachte Cineflex-HD-Kamerasystem ist nicht nur extrem beweglich und unanfällig für sämtliche beim Fliegen auftretende Turbulenzen. Die außergewöhnlich stabile Positionierung der Kamera beseitigt nicht nur sämtliche sonst unvermeidlichen Wackler, sie ermöglicht zugleich elegante Zooms aus extremer Höhe. Für die meisten Flugbilder zeichnet der Neuseeländer Peter Thompson verantwortlich, der übrigens auch an Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Epos mitgearbeitet hat. Daneben waren auch Minikameras im Einsatz: Etwa die Helmkameras für die Fallschirmspringer oder Basejumper. Und wenn man in Augenhöhe mit einem zahmen Steinadler über Alpentäler fliegt, dann ist das möglich, weil diesem eine Contour-HD-Minikamera mit einem Gewicht von weniger als 100 g auf dem Rücken befestigt war.

Im Kaleidoskop brillanter Bildeindrücke aus glitzernden Winterpanoramen und sommerlich frischen, zum Teil verträumt anmutenden Naturschönheiten finden sich auch interessante Satellitenbild- und Computeranimationen eingestreut: etwa wenn das Gewimmel des alltäglichen Flugbetriebs oder die erstaunlichen Bewegungen von Robben sowie der Zug der Wildgänse mit Hilfe von Satellitenbildern nachgezeichnet werden. Mit Hilfe der Luftbilder, die Aufklärer der Royal Air Force aufnahmen, wird durch Animationen ein Eindruck von den verheerenden Flächenbombardements während des 2. Weltkriegs auf u.a. Hamburg erzeugt. Ebenso ist zu sehen, wie aus einem römischen Militärlager letztlich die Stadt Regensburg entstand.

5698Das rund 120 Minuten umfassende Gesamtergebnis ist insbesondere visuell schlichtweg brillant und wird durch Benjamin Völz (die deutsche Synchronstimme von z. B. Keanu Reeves und Charlie Sheen) angemessen wie angenehm kommentiert. Der Film springt dafür in mitunter rasantem Wechsel zwischen über die gesamte Republik verstreuten Orten von Nord nach Süd und West nach Ost hin und her. Dass dabei keine etwas mehr in die Tiefe gehende Charakterisierung der so vielfältigen und abwechslungsreichen deutschen Regionen und Plätze resultieren kann, liegt auf der Hand. Aber als optisch brillante PR-Tour, als ein prachtvoller Bilderbogen funktioniert das Ganze durchaus, in welchem unter anderem neben hinreißend schön eingefangenen Naturstimmungen malerische mittelalterliche Städte, eingebettet in reizvolle Umgebung, effektvoll kontrastieren mit modernen Großstadtansichten und Industrieanlagen oder auch den Mondlandschaften des Braunkohletagebaus in der Lausitz.

Ein paar kleinere Vorbehalte gibt es allerdings schon. So sollen die gelegentlich arg künstlich erscheinenden, gewollt ruckartig-schnellen Kamerabewegungen offenbar ein junges Publikum ansprechen. Ob ein derart zweifelhafter, aus den modernen Blockbuster-Actionmovies stammender modischer Gag an dieser Stelle überhaupt angebracht ist, liegt sehr im Auge des Betrachters. Auch die speziell für die Kinoversion komponierte und produzierte Filmmusik des aus Hamburg stammenden Boris Salchow schlägt zumindest teilweise in dieselbe Kerbe. Während die Klanglandschaften in den romantisch pastoral orientierten, betont orchestralen Teilen noch recht überzeugend wirken, herrscht über weite Strecken ein modisches, insgesamt recht Zimmer-typisch erscheinendes, mitunter zum Bombastischen tendierendes Klanggebräu vor, durchsetzt mit viel synthetischen Sounds und Rhythmik. Darunter gibt es denn auch einige Sequenzen, in denen eine aufdringlich stampfende Poprhythmik dazu angetan ist, das Gezeigte fast zu erschlagen.

Deutschland von oben — Der Kinofilm auf Blu-ray

Insbesondere das brillante Bild bewegt sich fast durchgehend auf Demoqualitätsstandard. Dafür stehen neben exzellenter Schärfe der ebenso exzellente Kontrast und ein sehr guter Schwarzwert. Die oftmals leuchtenden Farben stehen fast immer absolut ruhig. So soll/muss HD aussehen. Der Ton ist okay, allerdings TV-dokumentationstypisch etwas unspektakulär. Nahezu das gesamte von der mitunter aufdringlichen Musik dominierte klangliche Geschehen beschränkt sich auf die Frontkanäle.

5697Zum Film findet sich eine kleine Kollektion an Bonusmaterialien, die passabel sind, jedoch kaum Anlass dafür liefern, ins Schwärmen zu geraten. Darunter findet sich kurioserweise unter „Filmclips“ eine nochmals auf Highlights von 10 Minuten zusammengestutzte weitere Kurzfassung des Films. Kameramann Thompson hat rund vier Minuten, um sein Kamerasystem zu erklären – leider nur in Englisch ohne deutsche Untertitel. Die Regisseure Petra Höfer und Freddie Röckenhaus dürfen sich in „Making of Regisseur“ drei Minuten lang zu Wort melden, wobei man auch das originale 16:9-Bildformat der HD-Kamera mit darüber gelegtem Scopeausschnitt (1 : 2,35) für’s Kino gezeigt bekommt. Über rund 12 Minuten gibt es ein so genanntes „Making-of zum Soundtrack“, allerdings in Form eher beliebig ausgewählt erscheinender Momentaufnahmen von den Aufnahmesitzungen der Filmmusik.

Sicher entfaltet der Film insbesondere auf der großen Kinoleinwand den gewollten allerbesten Effekt, aber auch auf einem HD-TV-Gerät mit großzügig bemessener Bilddiagonale kommt in jedem Fall echte Freude auf. Bei aller Brillanz der im Kino-Scopeformat präsentierten Eindrücke, für die Heimkinoversion wäre — analog zu etwa Titanic 3D oder Avatar — eine formatfüllende 16:9-Bildversion eine Bereicherung gewesen.

Fazit: Deutschland von oben ist schon aufgrund seiner Konzeption zwangsläufig sicher mehr ein auf Hochglanz polierter, zweifellos bildgewaltiger und dabei sehr unterhaltsamer Appetizer denn ein seriöser Reiseführer durch die deutschen Lande. In diesem Punkt nähert sich der Film merklich dem Stil der ebenfalls als durchaus ansehnliche, aber eben auch eher oberflächliche Reiseprospekte fungierenden Reise-/Kulturfilme im Nachkriegskino: etwa dem US-Cinemiracle-Spektakel Windjammer (1958), den italienischen „Kulturfilmen“ L’impero del sole (1956), L’ultimo paradiso (1957) oder auch der ersten deutschen 70-mm-Produktion Flying Clipper – Traumreise unter weißen Segeln (1962). Entsprechend gibt’s grandiose Bilder in Fülle in HD-Demoqualität, die durchaus das Zeug besitzen dürften, auch international erfolgreich auf PR-Tour für die Tourismusindustrie zu gehen.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

© aller Logos und Abbildungen bei den Rechteinhabern. (All pictures, trademarks and logos are protected.)

Erschienen:
2012
Vertrieb:
Universum Film Home Entertainment
Zusatzinformationen:
D 2012

Weitere interessante Beiträge:

Die Schöne und das Biest (2017, 3D)

Die Schöne und das Biest (2017, 3D)

Der letzte Wagen

Der letzte Wagen

Vatel

Vatel

Delfine hautnah (Blu-ray)

Delfine hautnah (Blu-ray)

Cinemusic.de