Als Jerry Goldsmith anlässlich eines ausgezeichneten Live-Konzerts 2000 in London erstmals verlauten ließ, er habe gerade einen aufregenden neuen Sampler seiner Filmmusiken mit dem London Symphony Orchestra aufgenommen, konnte ich, wie wohl viele andere Bewunderer des Komponisten auch, die Veröffentlichung der CD kaum erwarten. Dazu sollte es Goldsmiths erste Aufnahme im brandneuen, von den Erfindern Sony und Philips als bahnbrechend propagierten Super-Audio-CD-Format (SACD) sein. Eine weitere Besonderheit: Gegenüber der schon damals vorhandenen, stetig wachsenden Bibliothek an stereophonen Super-Audio-Titeln handelte es sich bei der Goldsmith-Kompilation um einen der ersten mehrkanaligen Tonträger im SACD-Standard. Zu Promotions- und Demonstrationszwecken wurde den neuen mehrkanalfähigen Abspielgeräten dementsprechend auch eine schmucklos aufgemachte Variante des Samplers beigelegt.
Ein Jahr später liegt nun beim audiophilen Label Telarc das Endergebnis vor: „The Film Music of Jerry Goldsmith“, ein knapp 70-minütiger Rückblick auf 40 Jahre Goldsmith’schen Schaffens. Was angesichts der hochkarätigen Kombination Goldsmith/LSO ein Muss für jeden Filmmusikinteressierten hätte werden können, präsentiert sich auf Grund der unspektakulären Programmauswahl als eher durchwachsene Wiederbegegnung mit Altbekanntem, als buntes Sammelsurium an Musik, die zum Teil ihrer originalen Raffinesse beraubt wurde, um sie leichter „verdaulich“ zu machen. Kurz: Als teilweise vergebene Chance.
Nett anzuhören ist die CD dabei auf jeden Fall, was vor allem den virtuos spielenden Musikern des LSO und einigen inhaltlichen Höhepunkten zu verdanken ist. So gibt es etwa an den prächtigen „End Credits“ von Twilight Zone: The Movie, den immer noch sehr ansprechenden Suiten aus MacArthur/Patton (auch als „The Generals“ bekannt) und The Boys from Brazil, sowie dem erweiterten Star Trek: The Motion Picture-Hauptthema kaum etwas auszusetzen. Starke Musik, hervorragend eingespielt. ähnliches gilt für die kurze Rudy-Suite. Kleinere Abweichungen von den vertrauten Filmfassungen in den genannten Beispielen wirken durchaus überlegt und veranschaulichen, dass der Komponist sich auch nach Jahrzehnten noch mit seiner Musik auseinandersetzt und im Rahmen einer filmunabhängigen Neuinterpretation manchmal geringfügig andere Akzente setzt.
Die hörenswerten Stücke der CD wurden benannt, die verbleibenden 6 Selektionen sind also schlecht? Nein, so pauschal lässt sich das wohl nicht behaupten. Der Konzert-Dauerbrenner „Medley of Television Themes“ z. B. stellt einen positiven Ausnahmefall dar. Obwohl das Medley einer bloßen Aneinanderreihung von in ihrer Atmosphäre unterschiedlichsten Einzelthemen gleicht, die überdies fast alle in nachträglich aufgezwängten, überdimensional großsymphonischen Arrangements des Goldsmith-Freundes Morton Stevens (1929-1991) erklingen, bereitet das Stück ungeheure Freude beim Hören. Das dürfte hauptsächlich daran liegen, dass, anders als bei längeren und in der Regel vielschichtigeren Filmpartituren, der einzig bemerkenswerte musikalische Bestandteil einer TV-Serie eben oft das Hauptthema ist. Der knallbunt-kernige Streifzug durch 35 Jahre amerikanische Fernsehgeschichte – auch er funktioniert also.
An genau diesem Punkt wiederum krankt meiner Ansicht nach ein weiterer alter Bekannter auf dieser aktuellen CD, das „Medley of Motion Picture Themes“. Die darin vorgestellten Scores haben alle weitaus mehr zu bieten als ihren jeweiligen Main Title, das isolierte Nebeneinander winziger Auszüge tut ihnen keinen guten Dienst. Das zweite, nicht weniger gravierende Problem besteht in den überproportionalen Arrangements einiger Medley-Segmente, für die 1985 wieder Morton Stevens verantwortlich zeichnete. Maßloser Bombast und vereinzelte Pop-Einflüsse bekommen nicht allen Stücken gleich gut. Wenigstens die neueren Beiträge (Basic Instinct, Air Force One) haben in der überlegenen Originalform Eingang in die Suite gefunden.
Über The Russia House, Sleeping With the Enemy und Forever Young schließlich braucht nicht mehr viel gesagt zu werden. Drei wunderschöne Themen, aber zum Leidwesen des Hörers in unnatürlich repetitiver Präsentation. Allzu selten wurde das Gespann Goldsmith/LSO bisher auf Tonträger gebannt, und da dies sehr leicht das letzte Mal gewesen sein könnte, hätte man den kostbaren Platz auf der CD vielleicht für pfiffigere Stücke nutzen sollen, die auch das weltberühmte Orchester eventuell etwas mehr aus der Reserve gelockt hätten.
Wie der hochauflösende Mehrkanalklang dieser SACD sich macht, kann in Ermangelung des teuren Equipments hier nicht erörtert werden. Die meisten SACDs, und im Besonderen alle aus dem Hause Telarc, sind glücklicherweise uneingeschränkt abwärts kompatibel. Auf einem Standard-CD-Player abgespielt, ergibt sich beim Goldsmith-Sampler ein sehr positiver Gesamteindruck. Die Aufnahme vermag mit gewaltigem Volumen und fein abgestufter Dynamik zu punkten, und auch subtilere instrumentale Details werden meist kristallklar wiedergegeben. Trotz des mit reichlich Echo ausgestatteten Konzerthallensounds (Abbey Road Studios) sind jederzeit alle Instrumentalgruppen, auch die verschiedenen Streicherstimmen, zu verfolgen.
Das gut gemeinte Booklet enthält neben einigen Fotos von den Aufnahmesitzungen sehr ausführliche Informationen über Jerry Goldsmiths Werdegang als Filmkomponist. Notwendige, etwas mehr in die Tiefe gehende Erläuterungen zu den auf der CD vertretenen Scores fehlen leider.
Fazit: Einsteiger, die auf der Suche nach einem kleinen Appetithappen in Sachen Goldsmith sind, dürften an The Film Music of Jerry Goldsmith (günstigere CD-Version: Telarc CD-80433) noch am Ehesten Gefallen finden. Denn um Lust auf mehr zu machen, ist der Sampler ohne Frage gut genug. Kenner des Komponisten, die sich eine auf voller Linie überzeugende Sammlung einiger ihrer liebsten Goldsmith-Musiken erhofft haben (siehe dazu das stimmigere „Frontiers“-Album), werden dieser Telarc-Kompilation kaum mit stürmischem Enthusiasmus begegnen, sondern sie eher zurückhaltend zur Kenntnis nehmen. Ungeachtet dessen verdienen das makellose Spiel des LSO und der vorzügliche Klang der CD großen Respekt.