The Film Music of Francis Chagrin

The Film Music of Francis Chagrin
Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
23. Dezember 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

The Film Music of Francis Chagrin

Francis Chagrin (1905 — 1972) gehört zu den kaum geläufigen Komponisten, deren Namen die allermeisten Leser bislang, wenn überhaupt, eher unterbewusst im Rollentitel eines der von ihnen vertonten Filme wahrgenommen haben werden. Von den auf dem Chandos-Album präsentierten zehn Filmmusiken sind hierzulande übrigens nur vier der zugehörigen Filme regulär gezeigt worden. Chagrin, gebürtiger Rumäne (geb. in Bukarest als Alexander Paucker), ging Ende der 20er Jahre nach Paris, wo er seinen neuen Namen, Francis Chagrin, annahm. Aufgrund seiner Jahre in Frankreich sprach er elegantes Französisch (wurde häufig für einen Franzosen gehalten) und behielt auch nach seiner Übersiedlung nach Großbritannien zeitlebens einen französischen Akzent.

Das Begleitheft bezeichnet Chagrin als Vielschreiber, spricht (etwas missverständlich formuliert) von einem üppigen ŒŒuvre von rund 200 Vertonungen für Film und Fernsehen sowie unzähligen Werbespots. In der IMDB sind unter dem Komponisten knapp 30 Filme gelistet. Neben Filmmusik entstanden für die meisten Gattungen Werke, so z. B. im Bereich Orchestermusik unter anderem zwei Sinfonien und ein Klavierkonzert.

Das Album wird eröffnet durch die schmissige (Konzert-)Ouvertüre zu Helter Skelter (1949), ein im Comedy-Stil gehaltenes witziges Orchesterstück, in dem partiell auch die osteuropäische Herkunft des Komponisten durchschimmert — man sich an die Rumänischen Rhapsodien George Enescus erinnert fühlt. Es folgt das charmant walzerhafte „Portrait of Eva“ aus An Inspector Calls • Ein Inspektor kommt (1954). In The Colditz Story (1954) steht als Prelude ein ruppig-schroffer, dissonanter Kriegsmarsch für die Schrecken in einem Lager für britische Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg. Mit diesem kontrastiert ein hymnisch angelegtes Finale, welches den Gefangenen die Freiheit ankündigt.

Greyfriars Bobby (1961) ist eine hierzulande unbekannte Disney-Familienunterhaltung um einen außergewöhnlich treuen Hund, den Skey-Terrier Bobby, der im schottischen Edinburgh sowohl Ehrenbürgerrechte erhielt als auch ein Denkmal in Form einer Statue gesetzt bekam. Chagrin untermalte die zweifellos rührselige Tierstory mit stimmungsmäßig reichhaltiger, vom Volkslied inspirierter Musik. In derem Zentrum steht ein prächtiges schottisches Thema, das äußerst wirkungsvoll verarbeitet fortwährend präsent ist. Die zwei Stücke aus The Four Just Men • Die vier Gerechten (1959) entstammen der Musik zu einer britischen TV-Krimi-Serie. Dem leicht swingenden Titelthema, das im Rhythmus auf das berühmte SOS im Morsealphabet anspielt, folgt ein zweiter, zu Beginn eher traditionell marschartiger Entwurf. Im zweiten Teil dieses Stücks scheinen charakteristische musikalische Anspielungen zu den vier Metropolen (London, Paris, Rom und New York) auf, in denen jeweils einer der vier Gerechten gegen das Verbrechen zu Felde zieht.

In The Hoffnung Symphony Orchestra (1965) geht es um die fantasievollen Einfälle des deutschstämmigen Humoristen Gerrard Hoffnung, dessen Karikaturen auf Musiker und ihre Instrumente abzielten — s. u. Malcolm Arnold: Overtures, wobei das Cover auf einer von G. Hoffnungs Karikaturen basiert. Entsprechend ist Chagrins Musikbeitrag eine reizende Montage aus humorvoll arrangierten, miteinander kombinierten und auch originell verfremdeten Zitaten aus bekannten klassischen Werken, wie Rossinis Barbier, dem Nussknacker-Ballett Tschaikowskys, den Bildern einer Ausstellung Mussorgskys, dem Schubert’schen Militärmarsch usw. Das drollige Stück lädt gerade dazu ein, ein kleines Musik-Quiz à la „Erkennen Sie die Melodie“ zu veranstalten. The Intruder (1953) thematisiert die Probleme mancher Ex-Soldaten, sich im Nachkriegsleben zu Recht zu finden. Die viersätzige Konzertsuite nimmt den harschen Kriegsmarsch aus der im folgenden Jahr produzierten The Colditz Story vorweg. Der Score verfügt über ein eingängiges Hauptthema, das im Finale triumphiert, und reflektiert ansonsten feinfühlig und geschickt die Stimmungen und Aktionen der Handlung, wie in „Pursuit at Night“.

Easy Money • Toto-Glück (1947) ist ein Episodenfilm, der heitere Geschichten um Menschen vereint, die Gewinner im Fußballtoto werden. Chagrins Beitrag zur Episode „Il basso ostinato“ ist humorvoll in bester Light-Music-Tradition und gipfelt in einer elegant ausgeführten kleinen Fuge. Der berühmte Alec Guinness wirkt mit in der charmanten britischen Komödie Last Holiday • Ferien wie noch nie (1950). Die abwechslungsreiche Musik reicht vom ohrwurmhaften thematischen Hauptgedanken, einem charmanten Salon-Walzer, gesetzt für Violine und Klavier, über eine dezent gefühlvolle orchestrale „Nocturne“ bis hin zur Unterhaltungsmusik im feurig ausgeführten „Samba“. Aus der Musik zum Dokumentarfilm The Bridge (1946) stellte der Komponist Material für den Konzertgebrauch als „Jugoslawische Skizzen“ zusammen. Geschildert wird das Leben und Leiden der Bewohner in einer vom Krieg stark in Mitleidenschaft gezogenen jugoslawischen Stadt. Die wiederum stimmungsvolle und abwechslungsreiche Musik spiegelt in „Village Feast“ erneut die osteuropäische Herkunft Chagrins wider. Sie reflektiert in „Childhood“ in subtilen Klangfarben die Welt der Kinder und im hymnischen, breit ausklingenden Finale, „The New Bridge“, krönt sie zum einen die Wiederaufbauleistung der Bevölkerung und setzt zum anderen einen optimistischen Ausblick auf die Zukunft.

Um die für die Einspielungen benötigten Orchestermaterialien hat sich wieder einmal Philip Lane verdient gemacht. Nur in zwei Fällen, Ouvertüre zu Helter Skelter sowie den „Yugoslawischen Skizzen“ aus The Bridge, handelt es sich um vom Komponisten selbst vorgenommene Konzertbearbeitungen.

Rumon Gamba und die bewährten Mannen des BBC Philharmonic Orchestra präsentieren ein knapp 80-minütiges, unterm Strich vielseitiges und auch abwechslungsreiches musikalisches Programm des außerhalb von Großbritannien wohl praktisch unbekannten Vertreters der britischen Filmmusikzunft. Dem Hörer begegnet dabei nicht ausschließlich manch schöne Melodie, auch die Verarbeitung der Themen und die einfallsreiche Instrumentierung dürfen mehr als einfach „nur“ solide genannt werden. Handwerkliches Geschick und des Öfteren auch Eleganz sind hierbei nicht überzogene Attribute. Damit resultiert beim Anhören beträchtlicher Hörspaß. Dank fehlender Durchhänger bekommt Langeweile keine Chance. Dieser sehr positive Eindruck wird durch die besonders gelungenen Interpretationen noch unterstrichen. Die Dirigate Gambas in der Chandos-Reihe wirken mitunter etwas sehr steif und damit unterkühlt. Vom daraus mitunter resultierenden dezenten (!) Mangel an Pep ist dieses Mal allerdings überhaupt nichts zu spüren. Die Musiken wirken sehr luftig, besitzen Biss, und (da wo geboten) klingt es auch typischer nach Filmmusik.

Wertungsmäßig startet das Gebotene bei (vereinzelt drei), überwiegend bei dreieinhalb und reicht häufiger über volle vier Sterne hinaus. Das hier zu Hörende ist etwa zwischen Richard Addinsell und Malcolm Arnold einzuordnen und kann sich ebenso mit dem Clifton-Parker-Album messen. Damit stehen viereinhalb Sterne im Sinne einer Albumwertung auf solidem Grund.

Hier gibt es eine Übersicht der bisher besprochenen Chandos-Movies-CDs.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Chagrin, Francis

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
77:34 Minuten
Sampler:
CHANDOS MOVIES
Kennung:
CHAN 10323
Zusatzinformationen:
BBC Philharmonic Orchestra, Rumon Gamba

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