Fortdauernde Kollaborationen zwischen Regisseuren und Komponisten sind in der Filmindustrie nicht selten. Schon rund 30 Jahre arbeiten Steven Spielberg und John Williams zusammen, Hans Zimmer ist nicht erst in jüngerer Zeit Ridley Scotts (z. B. Gladiator, Hannibal, Matchstick Man • Tricks) musikalischer Vertrauter und M. Night Shyamalan hat bisher bei jedem seiner Filme auf das kompositorische Können James Newton Howards zurückgegriffen (The Sixth Sense, Unbreakable, Signs).
Auch Roland Emmerich begann Anfang der Neunziger eine solche Zusammenarbeit, als er erstmals den bis dato relativ unbekannten britischen Komponisten David Arnold engagierte.
Dessen „außerordentlich melodisches und ausdrucksvolles“ Erstlingswerk zu Young Americans hatten den Schwaben und seinem Produzenten Dean Devlin (aus dessen Laudatio ich hier zitiere) so beeindruckt, dass sie ihm die Chance boten, ihren neuen Film zu vertonen.
Nachdem Emmerich mit Universal Soldiers einen ersten kommerziellen Achtungserfolg erreicht hatte, gab man ihm 1993 grünes Licht für das Projekt Stargate, einem Science-Fiction-Abenteuerfilm über ein Forschungsteam, das mittels eines bei Ausgrabungsarbeiten gefundenen Transmitters zu einem mehrere Milliarden Lichtjahre entfernten Planeten reist. Dort stößt es auf eine uralte menschliche Kultur, die vor Jahrtausenden von Ägypten dorthin verschleppt wurde und nun von dem aus einem als gigantische Pyramide getarnten Raumschiff heraus operierenden Gott Ra beherrscht wird, der ihre Rückkehr zur Erde um jeden Preis verhindern will.
Trotz dieses „abenteuerlichen“ Plots, dessen filmische Vorbilder offensichtlich bei Krieg der Sterne, Indiana Jones etc. liegen, bietet Stargate Dank seiner gelungenen Actionszenen und Spezialeffekte, sowie seiner aufwändigen und stimmigen Requisiten gute Unterhaltung. Negativ anzumerken ist der nach der guten ersten halben Stunde deutlich abflachende Spannungsbogen und das heterogen wirkende und etwas unvermittelte Ende.
Oben genannte Filme dienten wohl auch musikalisch als Inspiration für David Arnold, allerdings nicht in Bezug auf das in letzter Zeit häufig negativ diskutierte pure Abkupfern, sondern im Sinne von Anerkennung für einen breit-orchestralen, epischen Abenteuer-Score.
Im Mittelpunkt steht das strahlende, sehr eingängige Hauptthema, welches gleich in der „Stargate Ouverture“ zu hören ist.
In den nachfolgenden Titeln erklingt es dutzendfach in verschiedenen Variationen.
Mal ist es heroisch, majestätisch in den Blechbläsern zu hören, mal lyrisch und zurückgenommen in Form eines Oboen- oder Flötensolos. Auch das Sekundärthema (wogend in Titel 6 „The Stargate Opens“) verarbeitet Arnold geschickt, moduliert es oft und ändert die harmonischen Gerüste. Die Art und Weise, wie er Motive aus den beiden Themen miteinander kombiniert, oft auch nur in Nebenstimmen, offenbart sein kompositorisches Talent. Ausdrückliche Erwähnung soll hier auch der Orchestrator und Dirigent Nicholas Dodd finden, schließlich ist diesem erst die in solch überzeugender Form dargebrachte Musik zu verdanken.
Dem kulturellen Hintergrund des Films Tribut zollend, fließen mancherorts orientalische Klänge in die Musik ein, so zum Beispiel beginnt Titel 2 mit allerlei exotischem Schlagwerk und fremdartigen Vokalismen (gesungen von Natacha Atlas). Titel 4 „The Coverstones“, 13 „Caravan to Nagada“ oder 29 „Kasuf Returns“ stellen weitere Hörbeispiele in diesem Sinne dar. Parallelen in der Klangkonzeption sind hier in den späteren Vertonungen zu Die Mumie von Jerry Goldsmith und vor allem in Alan Silvestris Die Mumie kehrt zurück zu finden.
Mitreißende Actionpassagen bietet der Score u. a. in den Titeln 10 „Mastadge Drag“, 23 „Slave Rebellion“, 26 „Battle at the Pyramid“ und 28 „The Surrender“, hier wird das gesamte Klangvolumen der Sinfonia of London und des Chameleon Arts Chorus aufgeboten. Der Abschlusstitel („Going Home“) des Scores bildet diesbezüglich ein wahres Finale Furioso.
Natürlich kommt auch die ein oder andere martialisch-dissonante Stelle vor (z. B. Nr. 8 „Entering the Stargate“), trotzdem bietet das gesamte Album reichlich Hörgenuss.
Dem kann auch die auf den ersten Blick etwas übertriebene Einteilung mit 30 Cues (mitunter nur knapp eine Minute Laufzeit) nicht entgegenwirken, sie bietet einen sehr umfangreichen Überblick über die im Film verwendete Musik und stört den fließenden Charakter des Albums nicht.
Wer sich erstmal einen ersten Eindruck verschaffen möchte, dem empfehle ich die Titel 1, 2 und 6 zu programmieren, meiner Ansicht nach stellen sie die Highlights der CD dar.
Das Booklet ist 4-seitig schlicht gehalten, bietet leider keine Fotos, dafür allerdings einen kurzen biografischen Abriss über David Arnold, sowie die oben bereits erwähnte Widmung von Dean Devlin.
Alles in allem also ein äußerst empfehlenswerter Abenteuer-Fantasy-Score, der vor allem die Freunde breit-orchestraler Symphonik erfreuen dürfte. Auch Anhänger von John Williams und Jerry Goldsmith sollten sich angesprochen fühlen, auch wenn David Arnolds „Frühwerk“ – bei oben gezolltem Respekt – noch nicht an deren kompositorische Klasse heranreicht.
In den kommenden Jahren etablierte sich David Arnold weiter an Emmerichs Seite mit Scores zu Independence Day (siehe unten) und Godzilla. Nicht zuletzt wegen seinen Partituren zu den letzten drei James-Bond-Filmen, in denen er seine Erfahrungen im Pop-Musik-Bereich einbringen konnte, ist Arnold mittlerweile eine feste Größe im internationalen Filmmusik-Geschäft.
Wer sich noch etwas eingehender mit der Stargate-Thematik beschäftigen möchte, verweise ich auf den Artikel von Marko Ikonic über die auf dem Kinofilm basierende TV-Serie Stargate SG-1.