Allgemeines zu den vorgestellten CD-Alben
Direkt gesagt: Die Bear-Family-CD-Reihe „Deutsche Filmkomponisten“ (www.bear-family.de) ist insgesamt eine glänzende editorische Leistung. Die unregelmäßig (in Abstand und Reihenfolge) erscheinenden Alben sind überaus liebevoll, mit Herz und Hirn produzierte Sammlerstücke.
Jede der – großzügig mit zwischen 70 und 80 Minuten Musik bestückten – CDs enthält meist nur kurze Stücke (mitunter aber auch kleine Suitenzusammenstellungen) aus repräsentativen Filmkompositionen des jeweils porträtierten Komponisten. Erstklassig und prächtig gehalten, aber mechanisch empfindlich, sind die aufwändig gestalteten Digipacks, durch deren farbenprächtige Ausstattung mit Kinoplakatmotiven der Käufer bereits einen Vorgeschmack von der Qualität der in jedem Einzelfall umfangreichen und edel gestalteten Begleithefte bekommt. Neben einem einführenden Artikel mit biografischen Daten zum Komponisten nimmt den größten Teil eine Präsentation von Material zu den vertretenen Filmen ein – pro Album etwa 25 bis 30 Filme. Dieses Material belegt im Regelfall zwei Doppelseiten, die in erster Linie mit (oftmals farbigen) Filmfotos und Plakatmotiven gespickt sind. Zu jedem Film werden außerdem wichtige Basisinfos zu Darstellern, Regie, Drehbuch, Kamera, Produktion und Uraufführungsdatum angegeben.
In den Begleitheften zu stöbern, erzeugt beträchtlichen Nostalgiespaß und lässt allein schon über Titel wie „Nackt wie Gott sie schuf“ schmunzeln – wobei eh über mindestens 90 % der deutschen Nachkriegsfilmproduktion getrost der berühmte Mantel des Schweigens gebreitet werden kann. Die vermutlich auf 10 Titel angelegte Reihe wächst in der Fülle des gebotenen Materials – neben dem nostalgischen Aspekt – zum beeindruckenden (natürlich zwangsläufig etwas grob gerasterten) Überblick über das bundesrepublikanische Nachkriegskino heran. Insofern ist der Repertoire-Wert der Alben besonders hoch anzusetzen (Als Albumbewertung daher generell 3,5 S).
Es ist natürlich schwierig, derartig „bunte“ musikalische Flickenteppiche gerecht zu bewerten: Die Qualität des musikalischen Materials ist oft wie die der Filme zu denen es komponiert wurde und damit zwangsläufig recht durchwachsen. Vieles ist dabei natürlich (wie die Filme) sehr stark dem Zeitgeschmack der Ära unterworfen: Somit gibt es oftmals Big-Band-Sounds oder sonst wie jazzig oder auch poppig angelegte Unterhaltungsmusik zu hören. Manches liebäugelt dabei auch (nett anhörbar) mit den Musicals aus Hollywood, anderes ist mitunter einfach nur seicht und beliebig. Ebenso anzutreffen sind aber auch kleinere bis mittlere Highlights merklich inspiriert ausgeführter Filmkompositionen.
Wie bereits oben angemerkt, ist infolge der liebevoll gemachten Begleithefte der editorische Wert der CD-Kollektion „Deutsche Filmkomponisten“ recht hoch anzusetzen, was unterm Strich keinesfalls immer völlig stimmig mit den gebotenen Musiken zusammenpasst. Dies gilt ebenso für die Alben 90 Minuten nach Mitternacht, Marina/Am Tag als der Regen kam und „Film Jazz“, deren Begleithefte zwar gegenüber denen der Reihe „Deutsche Filmkomponisten“ etwas abgespeckt, aber vom Dokumentarischen immer noch sehr beachtlich sind, so dass ich hier generell eine „kleine Empfehlung“ und damit 3 Sterne für gerechtfertigt erachte. Für sämtliche Titel des Labels Bear Family gilt: Auch klanglich ist alles getan worden; die qualitativ in Teilen unterschiedlichen Materialien (in der Regel in Mono) sind sauber aufbereitet und klingen fast durchweg sehr frisch.
Die erst kürzlich bei peermusic Germany (www.peermusicpop.de) erschienene Martin-Böttcher-CD wartet sogar mit vier vollständigen Filmkompositionen auf: Unser Haus in Kamerun (1961), Der Fälscher von London (1961), Straße der Verheißung (1962) und Auf Engel schießt man nicht (1960). Die Tonmaterialien sind klanglich ebenfalls sehr gut aufbereitet worden und erklingen zum Teil in sehr sauberem Stereo-Sound. Das Booklet ist, (auch) da nur vier Kinofilme thematisiert sind, deutlich weniger umfangreich gehalten als die Booklets zu den Bear-Family-Alben 90 Minuten nach Mitternacht, Marina/Am Tag als der Regen kam und „Film Jazz“, aber grundsätzlich im gleichen Sinne gestaltet.
Peter Sandloff: Deutsche Filmkomponisten, Folge 6
Peter Sandloff (∗ 1924) ist Deutschamerikaner, Sohn eines russischen Arztes und einer deutschen Schauspielerin, geboren in New York. Bereits 1926 kehrten nach dem Tode des Vaters Mutter und Sohn nach Deutschland zurück. Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte Peter Sandloff an der Deutschen Musikbühne Freiburg. Zum Film kam er eher zufällig durch Hans-Martin Majewski, der ihm Mitarbeit bei der Vertonung des Films Liebe ´47 anbot. Neben Film- und Fernsehmusiken ist Sandloff auch in anderen Musiksparten tätig gewesen: außer sinfonisch komponierten Werken gibt es in seinem Werkkatalog Kammer- und Chormusik, mehrere Ballette, eine Oper und Experimente im Big-Band-Sound.
Die CD präsentiert Musik aus 15 Filmen: An die Edgar-Wallace-Film-Vertonungen von Peter Thomas erinnern die Klänge zu zwei Dr.-Mabuse-Streifen und zu Der Rächer (1960) gibt es zum Teil verfremdeten Big-Band-Jazz. In Teilen ein wenig an die „Neue Wiener Schule“ (speziell Alban Berg) gemahnen die dezent modernistisch gehaltenen Töne zum Triebtäterdrama Viele kamen vorbei (1955). Im Bereich netter sinfonischer Unterhaltung rangiert Geliebte Corinna (1957) und erweist im letzten Viertel dem Rosenkavalier von Richard Strauss eine hübsch-walzerhafte Referenz. Dramatische sinfonische Klänge bietet Mädchen in Uniform (1958), wobei hier das Glockenspiel der Garnisonskirche wichtiger integraler Part ist. In Teilen recht spritzig gemachte collageartige Montagen aus jazziger Big-Band-Unterhaltung und verfremdeten NS-Marschrhythmen erklingen zur Satire Wir Kellerkinder (1958). Eine walzerhaft schwebende Liebesszene bietet Eheinstitut Aurora (1962). Interessante – schon experimentell zu nennende – Klangwirkungen entstehen durch Kombination von Akkordballungen des Klaviers mit Stabglocken und jazzigen Trompetensounds in der Titelmusik, und im barocken Concerto-Grosso-Stil kommt die Schlussmusik von Durchbruch Lok 234 (1963) daher. Ebenfalls barocke Formen spiegeln sich in der Titelmusik des Dokumentarfilms Ruf der Götter (1957). Die hier präsentierte, rund 11-minütige Suite bietet eine mit Exotismen angereicherte breitsinfonisch angelegte und gekonnt auskomponierte romantisch gehaltene Musik. Im Tonfall dabei gelegentlich auch mal dezent modern und auch parodistisch, wie in der „Elefanten-Parade“.
Eine insgesamt sehr gut geschnittene CD in durchweg sauberer Mono-Qualität. Sandloff erweist sich dabei als recht vielseitiger und handwerklich überzeugender Vertreter der Gattung „Deutsche Filmkomponisten“.
Mehrteilige Rezension:
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