Künstliche Welten

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
21. August 2000
Abgelegt unter:
Lesen

Das Buch „Künstliche Welten“ (Herausgeber Rolf Giesen und Claudia Meglin) erschien Ende September 2000 anlässlich der gleichnamigen Dauerausstellung im Berliner Filmmuseum (im Sony Center am Potsdamer-Platz), deren Organisator Rolf Giesen ist. Die Kunst, auf der Leinwand echt scheinende Illusionen zu erzeugen, ist so alt wie das Kino selber. Das Buch dokumentiert die Fülle der Spezial-Effekte von der Ära der stummen Bilder bis zur Computeranimation unserer Tage. Neben den Herausgebern plaudern in Essays zum Thema unter anderem auch klassische Akteure der Special-Effects aus dem Nähkästchen: z.B. Albert Whitlock – bekannt durch seine reizvollen Glasmalereien „Matte Shots“ zu unzähligen Filmen von Hitchcocks Torn Curtain bis Dune – und Ray Harryhausen – Spezialist für Stop-Motion Technik z.B. in The 7th Voyage of Sinbad. Den fantastischen Filmen des Tschechen Karel Zeman ist ein Kapitel des Kameramannes Antonin Horák gewidmet. Horák hat sich in besonderem Maße um die mit gemalten Dekorationen versehene Jule-Verne-Verfilmung Die Erfindung des Verderbens verdient gemacht: Er gilt überhaupt als innovativster Kameramann des frühen tschechischen Trickfilms. Rolf Giesen widmet sich im Anschluß den „Spezial-Effekten made in Germany“. Seine Wanderung beginnt in den Kindertagen des Kinos bei Paul Wegener Der Golem, macht Station bei Fritz Langs Metropolis und den nach dem Schüfftan-Verfahren realisierten Tricks, präsentiert Einzelheiten der Arbeiten zum 1943er-Ufa-Jubiläumsfilm Münchhausen und geht bis zur berühmten (inzwischen kultigen) Science-Fiction-Fernsehserie der 60er: Raumpatrouille. Im Ufa-Trickfilm-Studio der zwanziger Jahre begegnet dem Leser George Pal, der später in Hollywood mit Filmen wie The Time Machine bekannt wurde. Der Werdegang der mittlerweile in Hollywood erfolgreichen „Germans“ Roland Emmerich und Wolfgang Petersen wird ebenfalls nicht ausgespart.

In der Mitte präsentiert die Publikation eine beeindruckende Sammlung von farbigen Trick-shots, die von Albert Whitlocks Glasmalereien bis zu Disneys Dinos reicht. Es folgt „Special Effects: Eine Chronik“ in der die technische Entwicklung an besonders wichtigen Film-Beispielen chronologisch (1898-2000) kurz erläutert wird. Daran anschließend beschreibt Claudia Meglin die Geschichte der Computeranimation in „Aufbruch ins digitale Zeitalter“, als deren erster Film Disneys Tron (1982) gilt, bei dem computergeneriertes Material allerdings nur 15 Film-Minuten ausmachte. Kein Wunder, dauerte es damals noch rund 400 Stunden, um rund eine Minute Trick-Sequenzen fertig zu stellen.

Es folgen Artikel einiger deutscher Trick-Profies: Wissenswertes zu Modell-Tricks bringt Karl-Heinz Christmanns „Motion Control: Kameraroboter“, Volker Engel beschreibt seine Arbeiten für Roland Emmerichs Independence Day, für die er als erster deutscher Trickspezialist einen Oskar erhielt und Frank Petzolds Essay widmet sich schwerpunktmäßig den Arbeiten am „Unsichtbaren“ in Hollow Man. Wolfgang Borgfelds „Das Werk der digitalen Wunder“ widmet sich der Bildnachbearbeitung per Computer. Hier soll die digitale Technik möglichst unbemerkt bleiben, dient also allein einer möglichst realistischen Darstellung des Gezeigten und eben nicht (wie landläufig mit Computer-Trick zur Zeit noch mehrheitlich assoziiert wird) zur Realisierung des spektakulären Unmöglichen.

Den Abschluss bilden ein Anhang mit einem Glossar wichtiger Begriffe und Verfahren; kurze Infos zu wichtigen Technikern, Künstlern und sonstigen Spezialisten; ein Literaturverzeichnis und ein Register der Film-Titel.

Das flüssig lesbare und sorgfältig ausgestattete Buch „Künstliche Welten“ ist die derzeit wohl umfassendste Monografie zum Thema „Special-Effects“ im deutschsprachigen Raum und erheblich mehr als ein bloßes Souvenir für Besucher der gleichnamigen Berliner Ausstellung.

Erschienen
2000
Seiten:
240
Verlag:
Europa Verlag
Kennung:
ISBN3-203-84114-2
Zusatzinfomationen:
€ 24,90 (D)

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