The 7th Voyage of Sinbad

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
12. August 1999
Abgelegt unter:
CD

Score

(6/6)

Neben aktuellen Filmmusiken bietet der Filmmusik-Markt auch interessante Neueinspielungen sinfonischer Filmmusiken des „Golden Age“, also der Zeit von etwa 1935 bis 1956. Ende letzten Jahres erschien The 7th Voyage of Sinbad • Sinbads siebte Reise (1959) von einem der bedeutendsten Komponisten dieser Ära: Bernard Herrmann. Geboren 1911 in New York, wurde Bernard Herrmann bereits im Alter von 22 Jahren von Columbia-Broadcasting-System (CBS) unter Vertrag genommen, um im Klassik- und Bildungsprogramm als Komponist und Dirigent zu wirken. Herrmann schärfte dabei seinen Sinn für Dramatik durch die Komposition unzähliger Hörspielmusiken. Die äußerst fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Orson Welles begründete seinen Ruf als Filmkomponist 1941 mit Citizen Kane, einem ersten Meisterwerk. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen hat sich Herrmann dem Hollywood-Studiosystem aber nie voll unterworfen: Er lehnte es ab, Filmmusik praktisch wie am Fließband zu produzieren, und überließ das Instrumentieren niemals den angestellten Orchestratoren. Er schuf für das Kino in 35 Jahren auch nur rund fünfzig Kompositionen, die aber fast alle von großer Meisterschaft zeugen.

The 7th Voyage of Sinbad gehört zu insgesamt fünf Filmmusiken, die der Komponist Ende der fünfziger Jahre für das Genre des Fantasy-Films schuf. Damals steckten die Genres Fantasy- und Science-Fiction-Film noch in den Kinderschuhen: Es gab weder ausgefeilte Trickstudios noch Computertricks, sämtliche Special Effekts waren noch „self made“ und wurden mit zum Teil unglaublich primitiven Mitteln häufig sehr liebevoll realisiert. Leider bekommt man Sinbads siebte Reise zur Zeit im Fernsehen nur noch in farblich stark defekten Kopien zu sehen. Besonders in technisch guter Präsentation mit seinen üppigen Dekors und märchenhaften Farben vermag der Streifen auch heute noch angenehm zu unterhalten und zu bezaubern. Inszeniert von Nathan Juran und berühmt durch Ray Harryhausen, den Meister der Stop-Motion-Technik, stellt der Film eine durchaus geglückte Synthese aus Abenteuerkino und orientalischer Märchenwelt dar. Sinbads siebte Reise war übrigens der erste Fantasy-Film, der die Monster und Schrecken auch live zeigte und nicht ausschließlich die Protagonisten davon sprechen ließ und dazu der erste Farbfilm mit der von Harryhausen verfeinerten Stop-Motion-Technik im sogenannten „Super-Dynamation-Verfahren“.

Ein nicht unbedeutender Teil der Wirkung entfällt aber auf die brillante Komposition Bernard Herrmanns, der hier alle Register eines Meisters der Instrumentierung und der suggestiven Klänge zieht. Herrmann hat sich immer sehr kritisch mit dem Medium Film und der dazu komponierten Begleitmusik auseinandergesetzt. Als Mensch war er nicht einfach, konnte Kollegen und auch Produzenten gegenüber außerordentlich ruppig und verletzend sein; er widersetzte sich heftig der Ansicht, Filmmusik sei weniger wertvoll als Konzert- oder Opernmusik, und verachtete jene, die den Film mit drittklassiger Musik ausstatteten. Herrmann sagte einmal: „Die Tonspur eines Films ist ein äußerst heikles Medium. Geht man entsprechend fachmännisch zu Werke, können ein einfaches, tiefes Flötensolo, das Klopfen einer Basstrommel oder die Töne verhalten klingender Hörner oft mehr bewirken, als das Drauflosspielen eines halben Hunderts von Musikern“. Der Einsatz elementarer, klanglicher Ausdrucksmittel, wie Rhythmus, Klangfarben und Lautstärken gepaart mit ungewöhnlich farbiger Orchestrierung wurden zu Herrmanns Markenzeichen: Meist spielen nur einzelne Gruppen des Orchesters, das Tutti wird selten benötigt. Trotzdem waren die Einspielungen keineswegs preisgünstig, da Herrmann zur Realisierung seiner Klangvorstellungen häufig extravagante Besetzungen forderte. So z. B. in  Beneath the 12-Miles-Reef • Das Höllenriff (1953) neun Harfen (normal ist eine) und in On Dangerous Ground (1951) acht Hörner, sechs Trompeten und sechs Posaunen (Standard sind hier jeweils zwei).

Die ein wenig an Rimski-Korssakoff erinnernden Tracks, „Main Title, Baghdad“ und „Fest des Sultans“ setzen die orientalisch romantische Grundstimmung für diesen Abenteuerscore. Reizend auch die kleine Fanfare im Track „The Trumpets“ für den Palast des Sultans. Der Klangwelt für die Fabelgestalten der Sinbad-Musik sind, und dies ist auffällig, keine Streicher sondern nur Bläser und raffiniert zusammengestelltes Schlagwerk zugeordnet; interessant ist hier auch der schlagzeugartige Einsatz des Klaviers in „Die Armbrust“. Im „Kampf mit dem Skelett“ setzt der Komponist zwei Xylophone ein und beeindruckt durch eine fast physische Präsenz des Klappergestells: Trotz der illustrativen Mittel fühlt man das Skelett aber mehr, als dass man es sieht. Herrmanns Konzeption von Filmmusik folgt überwiegend diesem „sensorischen“ Klang-Modell. Sie zielt nur selten auf unser Assoziationsvermögen oder unsere Emotionen, sondern überwiegend auf unsere Physiologie und Nerven. Hollywood und das ganze Metier lernte hierdurch eine fundamentale Erweiterung der Wirkungsmöglichkeiten von Filmmusik, und Herrmann wurde damit zu einem der größten Vorbilder für die Komponistengenerationen danach. Nicht nur Altmeister wie Alfred Hitchcock, mit dem er fast zehn Jahre zusammenarbeitete, auch jüngere Regisseure wie Brian de Palma, Francois Truffaut oder Martin Scorsese haben ihn sehr verehrt. Bernard Herrmann starb am Heiligabend 1975.

Fazit: John Debney und das Royal Scottish National Orchestra sind in Top-Form und auch die Tontechnik hat erstklassig gearbeitet. Eine sehr gelungene Einspielung dieser in prächtigen Klang-Farben leuchtenden Herrmann-Fantasy-Musik.

Komponist:
Herrmann, Bernard

Erschienen:
1998
Gesamtspielzeit:
61 Minuten
Sampler:
Varèse
Kennung:
VSD-5961

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