Dumbo (70. Jubiläum, Blu-ray & DVD)

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
3. April 2010
Abgelegt unter:
Blu-Ray, DVD

Film

(4.5/6)

Bild

(6/6)

Ton

(4/6)

Extras

(5/6)

Nur wenige Monate, nachdem der besonders beliebte Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937) seine HD-Premiere erlebte, folgt bereits ein weiterer Disney-Zeichentrickklassiker. Die Jubiläumsedition Dumbo • Dumbo der fliegende Elefant (1941) erscheint wieder einmal sehr frühzeitig, ist dem 70. Jubiläum des Films um rund ein Jahr voraus.

Nicht nur mit der nur knapp 65 Minuten umfassenden Laufzeit wird bereits angedeutet, dass Dumbo ein bescheideneres Disney-Projekt ist, eines, das sich im Aufwand weder mit Schneewittchen noch mit seinen unmittelbaren Vorläufern Pinocchio (1940) oder Fantasia (1940) messen kann. Der Film entstand in schwierigen Zeiten: Nicht nur, dass nach dem überwältigenden Erfolg von Schneewittchen die ehrgeizigen und vergleichbar ambitionierten und besonders teuren Filme Pinocchio und Fantasia bei der Erstauswertung an den Kinokassen floppten. Der Krieg in Europa, obwohl noch nicht unter Beteiligung der USA zum 2. Weltkrieg geworden, beeinträchtigte bereits massiv das im Normalfall immerhin etwa 40% der gesamten Einnahmen ausmachende internationale Verleihgeschäft. Pinocchio wurde daher synchrontechnisch nur noch für Spanien und Portugal vorbereitet. Der noch in Produktion befindliche, ebenfalls sehr aufwändige Bambi (1942) band und verbrauchte teure Ressourcen. Wieder einmal stand also die Existenz des Studios auf dem Spiel. Disney brauchte daher ganz dringend kurzfristig einen geschäftlichen Erfolg.

Mit der Ausarbeitung der nur rund 12 Seiten umfassenden Geschichte „Dumbo, the Flying Elephant“ (1939) von Helen Aberson und Harold Pearl beauftragte Walt zwei seiner Profis: Joe Grant und Dick Huemer. Die beiden überzeugten Disney durch häppchenweise vorgestellte Entwürfe von dem Projekt und erweiterten die im Original sehr schlichte Kindergeschichte zum 80-seitigen Drehbuch. Sie haben daraus schließlich eine ganz disneytypische, dieses Mal ganz besonders gefühlvoll umgesetzte Außenseiter- und zugleich Mutter-Kind-Story gemacht.

Klein aber fein! Das gilt in besonderem Maße für dieses vierte abendfüllende Leinwandprodukt aus der Disneywerkstatt, das trotz seiner relativ einfachen technischen Umsetzung so eindeutig Charme besitzt. Aus Kostengründen wurden für die Hintergründe Wasser- anstelle von Ölfarben verwendet. Auch sonst wurde Zeit und Geld gespart. So hat der Film fast gar nichts von den ausgeklügelten, raffinierten Spezial-Effektinnovationen seiner Vorgänger. Dumbo verfügt nur über einzelne, deutlich weniger komplexe Multiplanshots und orientiert sich in seiner Machart, nicht zuletzt in seiner ausgeprägten Technicolorbuntheit, unbekümmert an den Cartoons der Reihe „Silly Symphonies“ — siehe auch „Lustige Melodien“ und „Micky Maus — im Glanz der Farbe“. Aber diesen kreativen Schritt zurück macht der Film durch seine liebevolle und sorgfältige Gestaltung der einzelnen Charaktere sowie eine Reihe raffinierter Erweiterungen der Basisstory klar wieder wett. So wird die Hauptfigur, der wegen seiner übergroßen Ohren gnadenlos verspottete kleine Zirkuselefant, eine echte Identifikationsfigur, in der sich die Zuschauer, jung wie alt, wiedererkennen können: Denn als gehänselter Außenseiter hat sich wohl praktisch jeder schon einmal gefühlt.

Dass der so liebenswerte kleine Kerl dabei den ganzen Film über kein Wort spricht, alles vielmehr durch seine Mimik zum Ausdruck bringt, wird dem Zuschauer erst am Schluss, eher zufällig, bewusst. Das zeigt bereits, wie geschickt die Macher gearbeitet haben. Aber auch auf weitere Aspekte des Films treffen Attribute wie ideenreich und erfrischend zu. Da sind nicht nur der nette Timothy, ein Micky Maus nachempfundener Zirkusmäuserich, der Dumbos treuester Gefährte wird. Oder die anfänglich auf dem armen kleinen Elefanten spöttisch herumhackenden Krähen, die sich aber dann doch als hilfsbereit und damit letztlich als freundschaftlich erweisen. Es ist drollig anzuschauen, wenn Dumbo am Schluss alle überrascht, indem er wie ein kleines Flugzeug durch den Zirkus fliegt und die zuvor bösartigen Clowns vor sich her treibt. Dazu dürfte manch einer nicht nur zum Schmunzeln sondern auch zum Lachen angeregt werden. Auch zwischendrin vermag der Film dank seiner die Story zusätzlich bereichernden Einfälle bei der Stange zu halten. Beispielsweise, wenn in stürmischer Nacht der Zirkus aufgebaut wird, wobei interessanterweise nicht nur die Elefanten tatkräftig mithelfen. Da ist die kleine Dampflok, die so sichtlich Mühe hat, den Zirkuszug in Fahrt zu bringen, oder die humorvolle Szene mit dem Elefantenbaby Dumbo im überquellenden Schaumbad oder auch die lustige Elefantenpyramide. Unbedingt erwähnenswert ist die an Fantasia erinnernde Traumsequenz, die sich durch ihre so interessanten Übergänge von Formen und eigenwilligen Farbkombinationen besonders hervorhebt und in eine surrealistische Parade der pinkfarbenen Elefanten mündet.

Dumbo ist für manch einen punktuell sicher etwas sehr sentimental geraten, z.B. in der Szene, wenn das kleine einsame Elefantenkind, begleitet vom Song „Baby Mine“, seine eingesperrte Mutter besucht. Der Disneyfreund empfindet dies allerdings nicht als Kitsch, sondern vielmehr als berührend. In den stark vermenschlichten Tiercharakteren, die ja gerade deswegen so liebenswert sind, liefert der Film den Gegnern des Disneystils natürlich ebenfalls Munition. Zum in jüngerer Zeit erhobenen schlichtweg albernen Rassismus-Vorwurf gegenüber dem so witzig choreografierten, swingenden Ballett der schwarzen (!) Krähen bleibt allerdings nur mit den Achseln zu zucken. Muss denn immer derart übertrieben sein?

Alles in allem zählt Dumbo der fliegende Elefant zu den sehr gelungenen, ja zeitlosen Disneyproduktionen. Es ist ein Film, der Heiteres und Trauriges subtil und temperamentvoll zugleich miteinander verbindet, einer der gekonnt die Balance hält und auch seine moralische Botschaft nicht zu dick aufträgt. Einen guten Teil seiner Wirkung verdankt der Streifen der Musik und den Songs, welche die Komponisten Frank Churchill und Oliver Wallace beisteuerten. Beide wurden dafür 1942 mit einem Oscar geehrt. Für Disney wurde Dumbo der so dringend benötigte, große Erfolg und rettete das Unternehmen. Trotz seiner relativ einfachen Machart ist der Film so manchem seiner Nachfolger aus den Dekaden danach, etwa dem beliebten Das Dschungelbuch (1967), eindeutig überlegen und hat bis heute an Charme nichts eingebüßt.

Dumbo auf Blu-ray & DVD

Die Special-Edition vereinigt im Set geschickt die Blu-ray- und DVD-Ausgabe miteinander. Das ist derzeit zweifellos ein besonders attraktives Ausstattungsmerkmal, um Interessenten behutsam auf das neue HD-Format und damit auf Blu-ray vorzubereiten.

Der inzwischen fast 70 Lenze zählende Film zeigt bereits im DVD-Format (von der Blu-ray-Ausgabe differierende Wertungen: Bild: 4,5, Ausstattung: 4) ein brillantes Bild, das im Gegensatz zur 2001er DVD-Ausgabe komplett frei von Griesel ist. Darüber hinaus wartet es mit besonders leuchtenden Farben, sattem Kontrast bis hin zum knackigen Schwarz und fast durchweg mit sehr guter Schärfe auf. Besonders von Blu-ray kommt dank HD in Teilen noch ein zusätzliches Quantum Brillanz ins Spiel, die unter anderem für ein verblüffendes Maß an Räumlichkeit, besonders bei den einzelnen Multiplanshots, sorgt. Wen die unvermeidlichen seitlichen schwarzen Balken des Normalformats (1 : 1,37) stören, kann diese von Blu-ray mit Hilfe von „Disney-View“ mit der jeweiligen Szene angepasster grafischer Gestaltung kaschieren.

Als Ton gibt’s dazu in Deutsch die aus den 70er Jahren stammende Zweitsynchronisation. Deren Sound ist recht frisch und außerdem mit einer Reihe netter stereofonischer Raumeffekte ansprechend aufgepeppt. Leider muss man auch hier, wie bereits bei den Blu-ray-Editionen zu Schneewittchen und Pinocchio, auf die zur deutschen Uraufführung 1952 erstellte Erstsynchronisation zum Vergleich verzichten.

In Sachen Boni lockt die Blu-ray nicht nur mit überwiegend in HD vorgelegten Leckerbissen, sondern gegenüber der DVD mit exklusiver, also zusätzlicher Ausstattung. Darunter mehrere Fotogalerien, die Einblicke in die Entstehung von Dumbo bieten, das zuvor bereits auf DVD veröffentlichte Segment „Ein Meisterwerk wird gefeiert“ (15 Minuten), zwei Spiele für die kleinen Zuschauer mit Familie, und zwei thematisch verwandte Silly-Symphony-Cartoons: „Elmer Elefant“ und „Die fliegende Maus“ (rund 18 Minuten). Dank „Cine-Explore“ ist hier der sehr informative Audiokommentar zum Film von der Filmhistorikerin Paula Sigman, dem Pixar-Regisseur Pete Docter (Oben) und dem Animator Andreas Deja gegenüber der DVD-Ausgabe eindeutig aufgepeppt. So können nicht nur zusätzliche Bildinformationen abgerufen werden, sondern der Audiokommentar ist darüber hinaus optional auch komplett deutsch synchronisiert anwählbar. Wenn das nicht vorbildlich ist.

Die weiteren Extras sind in beiden Formaten inhaltlich identisch. Unter anderem finden sich zwei aus Storyboards rekonstruierte, gestrichene Szenen. Darüber hinaus gibt es Einblicke in die klassische Vertonungspraxis bei Disney (in den 40er Jahren) in „Das Sound Design von Der Drache wider Willen“. Im Zentrum steht das neu produzierte „Dumbo: Ein Making of zum Abheben“ (28 Min.).

Fazit: Auch wenn Dumbo technisch nicht zu den ganz großen Disney-Produktionen gehört, so macht der Streifen das durch die so herzig und zugleich kreativ umgesetzte und geschickt erweiterte Story weitgehend wieder wett. Der Film verfügt über viele lustige Einfälle, die in Form eingestreuter Gags dazu beitragen, dass die eher simple Basisgeschichte trotz ihres Sentiments letztlich nicht an Tempo verliert und eine zeitlos-vitale und spritzige Unterhaltung bleibt.

Die aktuelle Doppelpack-Edition (Blu-ray plus DVD) macht den Film von DVD in gegenüber früheren Veröffentlichungen eindeutig verbesserter Bildqualität und außerdem von Blu-ray in brillanter HD-Qualität zugänglich. Das zusätzlich mit gut produzierten Boni aufwartende Doppelpack lädt zum Vergleichen ein und dürfte so letztlich seinen Teil dazu beitragen, HD und damit Blu-ray verstärkt den Weg zu bereiten.

Dumbo ist nicht nur der Disney-Streifen, wo die Hauptfigur eindeutig die größten Ohren besitzt. Es ist zugleich zweifellos der gefühlsbetonteste Film, der das Studio verließ. Ob er deswegen auch über am meisten Herz verfügt, das muss jeder für sich entscheiden. Viel Herz hat er in jedem Fall.

Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.

Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zu Ostern 2010.

© aller Logos und Abbildungen bei Walt Disney Pictures.

Regisseur:
Sharpsteen, Ben

Erschienen:
2010
Vertrieb:
Walt Disney Studios Home Entertainment
Kennung:
BGH 0060804 (Blu-ray + DVD)
Zusatzinformationen:
USA 1941

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