Erich Kunzel studierte zusammen mit dem großen französischen Dirigenten Pierre Monteux, als dessen Assistent er auch fungierte. Von Max Rudolph, Music Director des damals noch Cincinnati Symphony Orchestra, erhielt er 1965 das Angebot, die Acht-Uhr-Pops-Konzerte zu übernehmen. So dirigierte Kunzel im Oktober desselben Jahres zum ersten Mal in Cincinnati. Dies wurde der Beginn einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Orchester, das seit 1977 Cincinnati Pops Orchestra heißt und dessen Chefdirigent er seitdem ist. Neben unzähligen Live-Konzerten hat Kunzel inzwischen fast 60 Alben mit eingängiger Musik aus Klassik, Folklore, Musical und erfreulicherweise auch Film, für das audiophile Telarc-Label (Vertrieb über in-akustik: www.in-akustik.com) eingespielt. Kunzel steht hier in direkter Tradition zum legendären Arthur Fiedler und dem Boston Pops Orchestra, das von 1980 bis 1993 von John Williams geleitet wurde. Fiedler, der sogar in Berlin studierte, hatte sich schon frühzeitig auf eingängigere sinfonische Musik spezialisiert und erzielte bereits Ende der zwanziger Jahre mit seinen Freiluftkonzerten am Ufer des Charles River, den „Esplanade Concerts“, große Erfolge. Kunzel hat Fiedler persönlich gekannt und in den siebziger Jahren auch regelmäßig als Gastdirigent das Boston Pops geleitet.
Die amerikanischen Pops-Konzerte, vergleichbar mit den britischen Proms (Promenadenkonzerte), haben in ihrer langen Tradition nicht zuletzt das Anliegen, die Schönheiten klassischer und allgemein sinfonischer Musik breiten Bevölkerungsschichten nahe bringen zu wollen. Überhaupt sind im angelsächsischen Raum die Grenzen zwischen der sogenannten U- und E-Musik traditionell fließender als hierzulande. Im Rahmen dieser Konzerte werden zwar zwangsläufig eher eingängige als sperrige Stücke aufgeführt, aber beileibe nicht nur Banales, sondern auch durchaus Anspruchsvolles gespielt. Man scheut sich nicht, ein Volkslied-Arrangement z. B. mit Wagners „Lohengrin“-Vorspiel oder einem Stück von Beethoven zu kombinieren. Auch der berühmte Dirigent Leopold Stokowski hat sich auf diesem Feld betätigt und z. B. aus Wagners komplexer letzten Oper „Parsifal“ Auszüge in Form einer orchestralen Synthese erstellt, die zu diesem Zweck sogar im Rundfunk uraufgeführt wurde. Auch sein Engagement für Disneys Fantasia-Projekt (1940) war letztendlich auch ein neuartiger, ungewöhnlicher Schritt in die gleiche Richtung. Mit mangelndem Respekt darf man diesen lockeren Umgang mit dem weiten Feld der so genannten Klassik nicht verwechseln. Dass in einigen Arrangements und Zusammenstellungen gelegentlich auch die Grenze zum Kitsch überschritten wird, bleibt verzeihlich, denn das grundsätzlich Positive des Konzepts wird dadurch nicht in Frage gestellt. Freude am Musizieren und dem hierzulande lange Zeit als „eher vordergründige Malerei denn Ausdruck des Empfindens“ verpönten orchestralen Effekt gehen in der Regel mit einem hohen Maß an Spielkultur und technischer Perfektion einher.
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