Das Filmmusik-Album zu Gladiator
Den Auftrag, dieses antike Epos um Heldentum und Rache zu vertonen, ging an den deutschen Komponisten Hans Zimmer — Gründer und Betreiber von „Media Ventures“, einem so genannten Full-Service-Musikunternehmen in Santa Monica bei Los Angeles. Zimmer dürfte den meisten Lesern nicht unbekannt sein. Er erhielt bis heute sieben Oscar-Nominierungen — unter anderem für Rain Man, Der schmale Grat, Besser gehts nicht und Der Prinz von Ägypten. Für den Disney-Film Der König der Löwen erhielt der Komponist 1994 verschiedene Preise und den Oscar für die beste Originalmusik.
Trotz dieser Erfolge haben mich Hans Zimmers Tonschöpfungen bis heute nur bedingt überzeugen können. Wie auch Danny Elfman und James Newton Howard hat Zimmer seine Wurzeln im Bereich der Pop- und Rockmusik. In seinen Kinokompositionen arbeitet der Komponist speziell in letzter Zeit hauptsächlich mit Mischungen aus digitalen Synthesizer- und orchestralen Klängen. Zusammen mit der australischen Sängerin und Komponistin Lisa Gerrard entstanden für den Gladiator-Film knapp zwei Stunden Musik, von denen rund 62 Minuten auf der vorliegenden CD zu hören sind. Neben diesen beiden Hauptkomponisten waren noch Klaus Badelt und Djivan Gasparyan als Hilfskomponisten beteiligt — eine Praxis, welche schon im alten Hollywood üblich war. Speziell von der CD ist die Musik anhörbar und besonders die von Lisa Gerrard dominierten vokalen Teile der Komposition hätten das Zeug zu einem netten sphärisch-meditativen Rock-Pop-Album gehabt. Als Kolossalfilm-Musik funktioniert die recht simpel gestrickte Mixtur nach meinem Empfinden aber nicht besonders gut. Sicher ist Musik auch Geschmacksache und mein Urteil von der Vorliebe für sinfonische Strukturen mitgeprägt, aber nicht ausschließlich: Was mich an der vorliegenden Musik stört, ist zum einen die Banalität der Themen und Rhythmen und zum anderen die insgesamt schlichte kompositorische Ausführung. Besonders nach mehrfachem Hören habe ich verstärkt den Eindruck gewonnen, dass ganze Partien der Komposition — analog Bewegungsabläufen in manchen Zeichentrickfilmen — per „Mausklick“ ausgeführt worden sind. Besonders ärgerlich ist das einfallslose — mitunter fast notengenaue — Abschreiben bei Holst und Wagner. In Track 9 („The Might of Rome“) wechseln weihevoll-pathetische Chöre in synthiepoppig rhythmisierte und mit ethnischen Instrumenten erzeugte Klänge — sogar irisch Anmutendes klingt an; und anschließend geht es mit Volldampf ab zu Richard Wagners Oper „Das Rheingold“ aus der Ring-Tetralogie, genauer zum Urbeginns-Motiv. Offenbar hat dieser „Einfall“ dem Komponisten-Team so gut gefallen, dass es die (fast) gleiche Passage am Ende von Track 13 („Barbarian Horde“) wiederholt. Hier ist sogar der Trauermarsch aus der Götterdämmerung völlig unüberhörbar. Analoges gilt für das „Mars“-Zitat aus Holsts „Die Planeten“, das sowohl in Track 3 („The Battle“) als auch Track 13 auftaucht und dem in „The Battle“ als Krönung noch eine rhythmische Phrase aus dem Ravelschen Bolero vorangestellt ist. In Track 14 („Am I Not Merciful?“) fehlt dann auch nicht das mittelalterliche „Dies Irae“, das nicht nur Miklós Rózsa verschiedentlich in seinen Filmpartituren als Schicksalsmotiv eingesetzt hat. Um Missverständnissen vorzubeugen: mein Vorwurf richtet sich hier nicht gegen die (auch bei anderen Komponisten) hörbaren Vorbilder, sondern gegen dieses platte Abkupfern. Eines der wenigen (auch im Film) noch einigermaßen funktionalen Stücke ist der weitgehend orchestral gearbeitete Track 7, „Patricide“. Als einigermaßen originell gingen mir hingegen die eingearbeiteten östlichen Klänge ins Ohr, die ungewöhnlich anmuten, historisch allerdings nicht zweifelsfrei begründbar sind. Der finale Song ist ebenfalls nicht übel geraten.
Die in Zimmers Kompositionen meist dominierenden Synthesizer wirken speziell in einem historischen Stoff sehr schnell störend. Hier wäre entweder ein völliger Verzicht auf Elektronik oder zumindest deren zurückhaltender Einsatz besser gewesen. Insgesamt fehlt es Hans Zimmer (noch?) an solidem orchestralen Handwerk und an Raffinesse, Eigenschaften welche sich seine beiden genannten Kollegen inzwischen angeeignet haben. Im gekonnten Ausbalancieren von orchestralen, vokalen und elektronischen Klängen überzeugte mich erst kürzlich besonders James Newton Howard mit seiner subtilen Tonschöpfung zum Film Snow Falling on Cedars • Schnee, der auf Zedern fällt. Gleiches gilt für Danny Elfmans völlig anders gelagerte Sleepy-Hollow-Musik, welche aber ebenfalls von orchestralem Geschick und Zurückhaltung in Sachen Elektronik geprägt ist. Beide Musiken kommen sowohl im Film als auch von CD sehr gut zur Geltung.
Unsere Vorstellungen eines „echt römischen Klanges“ sind natürlich von den entsprechenden Kino-Spektakeln des klassischen Hollywood geprägt. Neben den Musiken zu Quo Vadis? (1951), Ben-Hur (1959) und King of Kings • König der Könige (1962) — alle drei komponiert von Miklós Rózsa — kommen hier in erster Linie Spartacus (Alex North, 1960) und The Fall of the Roman Empire (Dimitri Tiomkin, 1964) in Betracht; Julius Cäsar (Miklós Rózsa, 1953) gehört nur mit Einschränkungen in diese Kategorie. Daneben seien als wichtige Komponisten in diesem Genre noch Alfred Newman und der Italiener Mario Nascimbene genannt, mit z. B. The Robe (1953) bzw. Barabbas (1962). Keiner dieser Komponisten hat sich allerdings ernsthaft an dem einzigen überlieferten römischen Musikstück, dem so genannten „Terenz-Fragment“ orientiert. Diese nur einige Sekunden dauernde Musikpassage — ein Sprechgesang aus einer Schauspielmusik — erinnert mit ihrer Chromatik eher an den kurz vor der Atonalität stehenden frühen Schönberg und damit an den Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, als an antike Klänge aus der historischen Periode des Films um 180 nach Christus. Dem Filmkomponisten geht es ja ohnedies nicht darum, historisch exakt zu sein, sondern er will vielmehr dem Zuhörer/-schauer ein subjektiv stimmiges Gefühl von Authentizität der Klänge vermitteln, ohne vertraute Hörgewohnheiten zu irritieren. Der typisch „römische“ Kino-Sound ist nachhaltig mit dem Namen Miklós Rózsa verknüpft. Dies gilt in den genannten Filmen insbesondere für die von den Bläsern ausgeführten Festmusiken, die Märsche und Fanfaren — deren archaisierende Wirkung allerdings auf vom Komponisten raffiniert eingearbeitete Schemata „rekonstruierter antiker“sowie frühmittelalterlicher Musik zurückzuführen ist. Die Kompositionen von North und Tiomkin wirken dagegen deutlich moderner, rhythmischer und besonders bei North ausgeprägt dissonant. North hat sich in seiner Spartacus-Musik auch am stärksten — allerdings nur in der Szene im römischen Bad — dem Klang antiker Ensembles angenähert. Ein Duo (kleine Harfe und Oboe) spielt hier ein kleines chromatisches Musikstück, das auf den modernen Hörer fremdartig und herb-exotisch zugleich wirkt. Und sehr ähnlich arbeitete auch Nino Rota in seiner Musik zum skurrilen Fellini Satyricon (1969).
Über die Funktionsweise der in der Antike verwendeten Blas-, Zupf- und Rhythmusinstrumente weiß man heute erheblich besser Bescheid als noch vor rund vierzig Jahren. Mittlerweile gibt es auch ernsthafte Versuche, eine dem Typus sowie den klang- und spieltechnischen Möglichkeiten der rekonstruierten Instrumente speziell angepasste, neu geschaffene Musik aufzuführen. Diese Kompositionen sind natürlich wie die verwendeten Instrumente nicht wirklich authentisch, dürften aber dem „Original-Klang“ der historischen Epoche näher kommen, als die zweifellos auf romantischem Fundament ruhende und damit eher kuriose, wenn auch faszinierende „römische Musik“ eines Miklós Rózsa. In dieser Richtung hätte meines Erachtens auch ein interessanter moderner, alternativer Ansatz für eine Vertonung des Gladiator-Films liegen können. So erdachte der bereits erwähnte James Newton Howard für den Film Restoration (1995) eine interessante musikalische Lösung: Hier spielt neben einem modernen Sinfonieorchester (ohne Synthie-Einsatz) ein auf rekonstruierten Instrumenten der Zeit spielendes Ensemble eine tragende Rolle. Beide Klangformationen spielen sowohl getrennt als auch zusammen, woraus interessante und reizvolle Mischklänge resultieren. Wobei hier allerdings die Klangwelt der Spätromantik (Moderne) mit der des Barock einen nicht so starken klanglichen Gegensatz bildet, wie mit den überlieferten Fragmenten antiker (überwiegend griechischer) Musik. Für einen Komponisten wie James Newton Howard, Jerry Goldsmith oder John Williams hätte es vielleicht eine echte Herausforderung sein können, die schwierige Aufgabe zu lösen, auf dieser Basis eine auch für den zeitgenössischen Hörer überzeugende akustische Lösung zu erarbeiten.
Fazit: Ridley Scott hat mit Gladiator dem Kinopublikum zwar kein Meisterwerk beschert, aber ein insgesamt sehr unterhaltsames und auch modern-eigenwilliges, bildgewaltiges Sandalen-Action-Epos. Trotz einiger Schwächen und Ungereimtheiten der Story resultiert für den Zuschauer ein ansprechender Mix aus klassischem Sandalenepos und moderner Action-Unterhaltung. Die weitgehend blasse Zimmer-Gerrard-Komposition ist — wie auch die übrigen Zimmerschen Action-Scores — auf den Musikgeschmack einer sehr jungen Zielgruppe von Kinogängern zugeschnitten, denen meine oben ausführlich begründeten Einwände in der Regel bedeutungslos erscheinen dürften. Unabhängig vom Film gehört ist die Musik durchaus recht unterhaltsam, sie verdient es allerdings nicht, zum oscarverdächtigen Meisterwerk hochstilisiert zu werden. Wer sich für die CD interessiert, kann mit dem existierenden Musikschnitt sehr zufrieden sein und braucht den fehlenden, überwiegend aus Wiederholungen des präsentierten Materials bestehenden rund 50 Minuten Musik nicht nachzutrauern.
Wer den Film mag, sollte sich den breiter angelegten Filmroman ebenfalls gönnen. Gerade hier treten durch die stärker eingewobenen realen historischen Bezüge einige Schwächen der Story ein Stück in den Hintergrund zugunsten eines weitgehend stimmigen Bildes einer der faszinierendsten Epochen der Weltgeschichte, des „Imperium Romanum“.
Filmbewertung: 4 von 6 Sternen
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Mehrteilige Rezension:
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