More Music from Gladiator

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
18. Februar 2001
Abgelegt unter:
CD

Score

(2.5/6)

Was bietet die neue CD? Alle, die darauf gehofft haben, zusammen mit „More Music from Gladiator“ eine Art „definitive“ Edition der Filmmusik zu erhalten, werden enttäuscht sein. Vielmehr gibt es eine Sammlung (im Film) nicht verwendeter Musikstücke (Outtakes) und alternativer Versionen bereits bekannten Materials. Mir scheint allerdings, dass die im Film eingesetzten Stücke die bessere Wahl gewesen sind. Besonders gut ist dies in den beiden Alternativ-Versionen des Songs „Now We Are Free“ zu erkennen: Die eine Version (Track 2) würde mit ihren modernen afrikanischen Anklängen besser zum König der Löwen passen; die andere Version – die den Abschluss der CD bildet – wäre mit ihrem simplen Disco-Rhythmus im Film total zum Fremdkörper geraten. Das Booklet enthält erfreulicherweise ausführliche Kommentare von Hans Zimmer zu den einzelnen Tracks. Dabei ist es erfrischend zu lesen, wie locker und unprätentiös Hans Zimmer ist und seine Anleihen und Zitate bei den großen Vorbildern wie Wagner und Holst offen einräumt (siehe hierzu auch meinen Artikel zu Gladiator).

Auf der CD sind überwiegend kurze und auch sehr kurze Stücke vertreten (teilweise weniger als eine Minute lang), die recht nett anhörbar sind, aber wenig wirklich Neues bieten. Zu den besten Stücken gehören „Duduk of the North“ und Lisa Gerrards „Rome Is the Light“. In „Duduk of the North“ ist allerdings (besonders im letzten Drittel) die Nähe zu Morricones Westernmusik kaum überhörbar – was übrigens auch für den Epilog der Barbarenschlacht-Sequenz in der Filmversion gilt. „Rome Is the Light“ kommt als Hymnus mit einigen Ohrwurmqualitäten daher. Das ausgeprägte afrikanische Flair wirkt jedoch für den Film deplatziert.

Sicher, Zimmer schreibt, dass er keinen Wert auf Musik-Archäologie gelegt und einen zeitgemäßen Musikansatz angestrebt hat. Was er darunter versteht, zeigt sich besonders deutlich in der – interessanten und gut gemachten – rein synthetischen Demo-Version der Schlacht- und Actionmusik „Gladiator Waltz“. Zum einen ist es durchaus eindrucksvoll zu hören, was alles mit Hilfe eines aufwändigen elektronischen Equipments klanglich möglich ist, zum anderen „entlarvt“ der Vergleich mit der Film-Fassung aber auch die bei Hans Zimmer vorherrschende „Popsinfonik-Ästhetik“. Die später daraus erstellte Filmfassung klingt nämlich überraschend wenig anders, als ihr rein elektronischer Vorläufer – das Synthetische bleibt das tragende Element. Abgesehen davon, handelt es sich bei der Barbarenschlacht-Musik (vielleicht gerade weil Holst-Zitat und Wagner-Nähe so gut funktionieren) zweifellos um ein geschickt konzipiertes und auch sehr wirksam einsetzbares Stück – das im Film allerdings etwas einfallsarm auch in sämtlichen übrigen Action-Passagen fast unverändert wieder verwendet wird.

Zimmer plant und strukturiert wohl primär vom Synthesizer her in Richtung Orchester, wobei er einem kommerziell orientierten, dabei teilweise ethnisch beeinflussten pop-sinfonischen Stil verpflichtet bleibt. Es gelingt ihm nicht immer, die vielfältigen klanglichen Möglichkeiten eines Orchesters zu nutzen und überzeugend in ein Gesamt-Klang-Konzept einzubauen. überhaupt hat Sinfonik nur vereinzelt einen überzeugenden dramatischen Rückhalt im Kompositionsansatz – in diesem Punkt sind Danny Elfman und James Newton Howard (zumindest zur Zeit) Hans Zimmer klar überlegen. Die einigermaßen konsequent sinfonisch gestalteten Partien werden in Zimmers Filmmusiken denn auch meist nicht lange durchgehalten. Poppige und zum Teil nervige Synthesizer-Effekte treten „auflockernd“ hinzu. So etwas funktioniert zu manch modernem Filmstoff sicher noch recht ordentlich, aber bei einem Historienepos wie Gladiator, überzeugt es nicht. Es gelingt dem Komponisten einfach nicht, eine (wie auch immer geartete) für den antiken Stoff adäquate musikalische Atmosphäre zu erzeugen. Auch der Einfall mit dem Duduk-Spieler geht da eher in die falsche, nämlich „östliche“ Richtung, nach Armenien und auch die übrigen ethnischen Elemente deuten eher auf das Land des Löwenkönigs denn auf das Rom der Antike.

Unglücklicherweise sind bei „More Music from Gladiator“ sieben Tracks partiell mit (zum Teil willkürlich ausgewählten) Film-Dialog-Passagen unterlegt worden, etwas, das auch so manchen Zimmer-Gladiator-Fan nicht gerade begeistern dürfte – und hier zum gravierenden Handikap des Albums werden könnte, da sich an dieser unglücklichen Konzeption zweifellos die Geister scheiden werden. In meinen Augen (Ohren) handelt es sich hierbei um einen überkommenen und extrem störend wirkenden Gimmick – der übrigens schon zu LP-Zeiten einige Veröffentlichungen zur Enttäuschung geraten ließ. Also: Entweder nur Musik oder das audiovisuelle Gesamterlebnis Film – in Zeiten von DVD ja besonders unproblematisch –, aber bitte keinen „Hörspiel-Torso“, der letztlich weder Fisch noch Fleisch ist!

Hört man Musik mit zeitlichem Abstand erneut, ist dies oft nicht nur einfach ein Wiederhören. Mitunter ergeben sich dabei auch derart wichtige, zusätzliche Erkenntnisse, dass Korrekturen am bereits entworfenen Bewertungsergebnis und damit auch am Artikel notwendig werden. Im Fall Gladiator, sehe ich hierzu aber keinen Anlass. Was ein Stück nach oben korrigiert werden muss, ist die dem Film-Album bereits seinerzeit attestierte „Anhörbarkeit“. Besonders unter dem Blickwinkel Ethno-Popsinfonik-Album bietet primär die Film-CD einen unterhaltsamen Stil- und auch Zitatenmix (von Wagner bis …) mit beträchtlichen Hör-Qualitäten; als Filmmusik für ein Sandalen-Epos bleibt der Eindruck jedoch sehr zwiespältig.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Zimmer, Hans

Erschienen:
2001
Gesamtspielzeit:
55:36 Minuten
Sampler:
Decca
Kennung:
013 192-2

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