Joy in the Morning

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
29. Juli 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(4.5/6)

Joy in the Morning (1964) schildert die Story eines jung verheirateten Paares in den 20er Jahren – der wohl arg blasse, soapige Film war in Amerika ein Flop und wurde in Deutschland erst gar nicht gezeigt. Die männliche Hauptrolle verkörpert Richard Chamberlain, der vielen Lesern bekannter aus dem Fernseherfolg der 80er Die Dornenvögel sein dürfte. Originellerweise verfügte der junge Chamberlain über eine respektable Stimme, die ihn zum Interpreten einiger Popsong-Alben und auch des Film-Songs von Sammy Fain (Musik) und Paul Francis Webster (Text) werden ließ.

1657Für Bernard Herrmann war Joy in the Morning kaum ein Wunschprojekt, sondern eher ein Kompromiss, der verdeutlicht wie schwierig es – für einen renommierten Komponisten ohne Pop-Ambitionen – war, im sich dramatisch verändernden Hollywood jener Tage im Geschäft zu bleiben.

Sammy Fains Song-Thema zu Joy in the Morning hat nicht die gleiche Ohrwurm-Power wie sein Einfall zu Love Is a Many-Splendored Thing. Das schlichte Thema entwickelt aber bei mehrfachem Hören zunehmenden Hör-Charm: wird zur kleinen Perle. In Tender Is the Night (1962) hatte Herrmann das ebenfalls von Sammy Fain stammende Song-Thema weitgehend gemieden. In seiner Komposition zu Joy in the Morning hingegen verarbeitete er es vergleichbar fantasievoll und vielseitig wie Newman dies in Love Is a Many-Splendored Thing tat. Damit gerät Joy in the Morning ein wenig zum Nachhall des „Golden Age“. (Auch wenn es demjenigen, der bereits stärker im Oeuvre Herrmanns kundig ist, kaum entgehen dürfte, dass das Thema innerhalb des Scores eher Herrmann-untypisch wirkt. Im Gegensatz dazu vermag Newman Fains Thema völlig homogen in seine Tonsprache zu integrieren, ohne dass ein stilistischer Bruch spürbar wird.)

Die Musik zu Joy in the Morning steht im Ausdruck der ebenfalls 1964 entstandenen Musik zum Hitchcock-Film Marnie sehr nahe. In beiden Musiken setzt Herrmann bei der Instrumentierung schwerpunktmäßig auf Streicher, Holzbläser und Harfe. Wobei das romantische Element in Joy in the Morning deutlich stärker betont wird, die lyrisch-warme, mitunter auch etwas melancholische Musik völlig ohne Klangausbrüche auskommt und nur wenige dezente Suspense-Momente aufweist. Insbesondere die verschiedentlich eingestreuten pastoralen Stimmungen und auch Tänzerisches wie ein Galopp wirken besonders ansprechend. Damit rückt dieser Score sogar etwas in die Nähe von The Ghost and Mrs. Muir, Herrmanns lyrischem Meisterwerk. Angemerkt sei noch, dass mehrere musikalische Ideen des Scores Herrmann als Keimzelle in seinem Klarinettenquintett „Souvenirs du Voyage“ dienten.

Zum einen ist Joy in the Morning sicher kein essentiell-wichtiger Score für den Herrmann-Einsteiger, zählt zum anderen jedoch zu den relativ wenigen Arbeiten des Klangzauberers, die es besonders leicht vermögen, den Hörer für sich zu gewinnen. In diesem Punkt ist diese sehr inspirierte Filmmusik sowohl der zu Tender Is the Night (1962) als auch der zu Blue Denim (1959) merklich überlegen. Insgesamt ist das FSM-Album darum nicht allein ein weiterer Schritt zu den (in absehbarer Zeit) sämtlichen Filmmusiken Bernard Herrmanns auf Tonträger, sondern eine überaus charmante und damit besonders willkommene Ergänzung der Diskografie des großen Komponisten. Ein im üblichen Sinne wirklich „schöner“ nostalgisch-romantischer Herrmann zum öfter Hören, der seinen Platz in vielen Kollektionen erhalten sollte. Die Tonmaster aus dem MGM-Archiv klingen erstklassig, das Booklet ist dem ebenbürtig und erfreut mit reichhaltiger Ausstattung und informativem Text.

Komponist:
Herrmann, Bernard

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
46:33 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 5 No. 3

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