Der letzte Mohikaner / Onkel Toms Hütte
Im Jahr 1965 entstand als deutsch-spanisch-italienische Koproduktion Der letzte Mohikaner. Im Seitensprung des Regisseurs Harald Reinl agieren die aus Der Schatz im Silbersee bekannte Karin Dor und Joachim (Blacky) Fuchsberger — vertraut aus Edgar-Wallace-Filmen. Mit James Fenimore Coopers subtiler Romanvorlage hat die auf Action getrimmte Filmhandlung nur noch die Namen der Hauptfiguren gemein. Coopers Story wurde sowohl räumlich als auch zeitlich übertragen, gerät hier zu einem Karl-May-Western ohne Winnetou und Old Shatterhand.
Onkel Toms Hütte entstand (ebenfalls) 1965 als deutsch-italienisch-französische Koproduktion in 70-mm. Die Verfilmung des berühmten Romans von Harriet Beecher Stowe, der Bibel der Abolitionisten — der Antisklaverei-Bewegung in den USA bis 1863; Aufhebung der Sklaverei durch Lincoln — wurde von Regisseur Géza von Radványi mit bekannten Schauspielern wie O. W. Fischer und Thomas Fritsch in Szene gesetzt. Wobei auch Herbert Lom — in Der Schatz im Silbersee der wohl interessanteste Bösewicht eines Karl-May-Films — mit von der Partie ist. Abgesehen von den im Donaudelta recht stimmungsvoll eingefangenen „Mississippi-Szenen“ hat die europäische Großproduktion aber recht wenig Belangreiches zu bieten. Vielmehr tendiert der Film insgesamt eher zu den schwächeren Karl-May-Produktionen.
Fast schon originell-schräge Kuriosa sind die musikalischen Beiträge des Bandleaders Peter Thomas. Seine von Rock-, Beat-, Jazz-, Blues- und Big-Band-Elementen getragene, stark mit Popstilismen der 60er angereicherte Komposition zu Der letzte Mohikaner ist nahezu überhaupt nicht westernhaft geraten. Vielmehr klingt das Gebotene kräftig nach Tanzmusik und erinnert dabei merklich an seine musikalischen Schöpfungen zu den Edgar-Wallace-Filmen; aber auch die wenig später entstandene Kult-Fernsehserie Raumpatrouille Orion kann man hier deutlich vorausahnen. In der Filmmusik zu Onkel Toms Hütte dominieren Jazz-, Blues- und Big-Band-Elemente neben stärker auf dem Level sinfonischer Unterhaltung orientierten Teilen und nett eingearbeiteten traditionellen (adaptierten) Gospels.
Überraschenderweise sind die Tonmaster der auf diesen beiden CDs erstmalig vollständig veröffentlichten Musiken in hervorragendem Zustand und außerdem sogar stereophon. Das Klangbild ist zwar etwas künstlich, zeittypisch mit extrem ausgeprägtem Rechts-Links-Effekt, aber ansonsten sehr frisch und klar. Das mit rund 30 Seiten umfangreiche und recht aufwändige Booklet von Der letzte Mohikaner gibt die mit vielen farbigen Film-Fotos angereicherte Film-Story wider. In dem zu Onkel Toms Hütte gibt’s neben Infos zur Film-Story noch Eingehenderes zur Musik.
Nicht allein bei diesen beiden CD-Alben zeigt sich ein essentielles Problem: Wie wird man derartigen, besonders stark vom Aspekt der Nostalgie getragenen Veröffentlichungen beim Bewerten gerecht? Legt man an die Filmmusiken die Cinemusic-üblichen Bewertungsmaßstäbe an, so schneiden beispielsweise die Musiken Karl-Ernst Sasses auf der CD des Cobra-Labels und auf „Wigwam, Weste(r)n, Weiße Wölfe“ mit etwa 3½ Sternen eindeutig am besten ab. Die anderen DEFA-Western-Musiken rangieren überwiegend deutlich darunter, und insbesondere die meisten der Songs gehören sogar klar in den Bereich „Trash“. Die Beiträge von Peter Thomas sind zwar merkwürdig, aber nicht einfach nur „schlecht gemacht“ und verdienen sicherlich solide 3 Sterne. Dem gegenüber steht die klar erkennbare, liebe- und verdienstvolle Aufarbeitung eines Stücks deutsch-deutscher Western-Film-(Musik-)Geschichte und damit ist zweifellos einiger Liebhaber- und Repertoirewert verbunden. Übergroße Zuschläge über die rein musikalischen Werte hinaus erzeugen stark verzerrte und völlig schiefe Bilder, verbieten sich also. Daher lasse ich es hier mit diesen Anmerkungen bewenden: die übliche Stern-Bewertung entfällt. Entweder man (ver-) oder erträgt große Teile dieser Tonschöpfungen mit einem Augenzwinkern oder gar breitem Grinsen oder man mag sie überhaupt nicht: Gerade das Zeittypische, oftmals Naive der Musiken — und ebenso der zugehörigen Filme — macht einen wichtigen Teil ihres nostalgisch geprägten Schmunzel-Charmes aus. Die sehr ansprechend gemachten CDs (und auch die nachfolgend noch vorgestellten DVDs) dürften daher in jedem Fall ihre Fans finden.
Mehrteilige Rezension:
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