Wenn es um die Produktion von Filmmusikkompilationen geht, läuft dem britischen Filmmusik-Label Silva Screen so schnell niemand den Rang ab. Kein Jahr, in dem nicht zumindest ein halbes Dutzend neuer Zusammenstellungen erscheint, seien es „Best of“-CDs bestimmter Komponisten (z. B. Bernard Herrmann, Maurice Jarre, Alfred Newman, Max Steiner), oder Sampler mit Genre-Schwerpunkt („A History of Horror“, „Space and Beyond“, „The Fantasy Album“). Mit dem von vielen erhobenen Vorwurf von „Masse statt Klasse“ wird man der Silva-Veröffentlichungspolitik allerdings nicht ganz gerecht, denn abgesehen von manchem mitunter gravierenden qualitativen Durchhänger gibt es durchaus auch Positives zu berichten. So hat sich das Silva-Stammorchester, das City of Prague Philharmonic, von einem anfangs in den besten Momenten gerade noch durchschnittlichen Ensemble (ich denke hier insbesondere an die teils doch beträchtlich schwächelnden frühen Aufnahmen für das Edel-Label) mittlerweile zu einem recht formidablen Klangkörper emporgearbeitet, der heute mit verschiedensten musikalischen Herausforderungen gut zurechtkommt. Ein weiterer Pluspunkt ist sicher die attraktive Preisgestaltung des Labels. Dass zwei CDs hier entgegen der Regel nicht automatisch den doppelten Preis bedeuten, kommt besonders auch der avisierten Hauptzielgruppe der Überblick suchenden Filmmusikeinsteiger zu Gute. Wenn für ein erstes unverbindliches Hineinschnuppern (eben „Sample“n) in ein Musikgenre nicht gleich Unsummen hingeblättert werden müssen, umso besser.
Während der nun schon bald 10 Jahre andauernden Zusammenarbeit des Silva-Labels mit dem Prager Orchester ist ein beachtlicher Katalog an neu eingespielten Gesamtpartituren, Suiten und Einzelstücken verschiedener Filmmusikgenres und -komponisten entstanden. Ein großer musikalischer Vorrat, auf den immer wieder zurückgegriffen werden kann, ohne dass neuerlich Zahlungen an die Rechteinhaber fällig würden. Bei Silva Screen Records hat man diesen finanziellen Vorteil bisher auf unterschiedliche Weise genutzt. Neben CDs, auf denen hauptsächlich neues Material durch vereinzelte „alte Bekannte“ ergänzt wird, gibt es auch solche, die beinahe ausschließlich aus den „Konserven“-Beständen kompiliert werden.
Ein derartiger Fall von Recycling im großen Stil liegt auch beim aktuellen Vierer-Set „The Science Fiction Album“ vor. Es handelt sich um eine gestraffte Zusammenfassung der drei zwischen 1996 und 2000 veröffentlichten SciFi-Doppel-CDs „Space and Beyond“, der als kleiner Nachtrag für das Jahr 2001 noch „Monica’s Theme“ aus John Williams’ A. I. – Artificial Intelligence beigegeben wurde. Außerdem hat es mit der Gremlins-Suite auch ein Track von der empfehlenswerten Silva-Neuauflage des Konzert-Samplers „Goldsmith conducts Goldsmith“ in diese Sammlung geschafft. Die enthaltenen Musiken sind weitgehend alphabetisch nach Filmtitel aneinander gereiht, was aller scheinbaren Ordnungswillkür zum Trotz ein durchgängiges Hörerlebnis ermöglicht. Wesentlich problematischer sind die auf den ersten beiden CDs gelegentlich zwischengeschobenen Tracks mit SciFi-Sound-Effekten. Sie sind unnötige Fremdkörper in einer sonst flüssig konzipierten Musikkollektion. Wer sich den Musikgenuss nicht von Raumschiffgeräuschen trüben lassen will, muss wohl oder übel die Programmierfunktion seines CD-Players bemühen.
CD 1 spannt den alphabetischen Bogen von Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey, vertreten mit einem Auszug aus Richard Strauss’ „Also sprach Zarathustra“, bis zum nett gemachten Score der Popgruppe Toto für David Lynchs Frank-Herbert-Verfilmung Dune (1984). Zu den Highlights auf der CD zählen neben der sauber eingespielten Close-Encounters-Suite und Jerry Goldsmiths Alien-End-Title auch die „End Credits“ aus Contact. Alan Silvestris Partitur für den scheinbar weitgehend unterschätzten intelligenten SciFi-Film von 1997 (Regie: Robert Zemeckis) gehört zu seinen insgesamt überzeugendsten Arbeiten, und die 8-minütige Abspannmusik entfaltet in geraffter Form den ganzen von lieblich warmer (Streicher-)Melodik, aber auch gekonnter dramatischer Untermalung geprägten Charme des Scores.
Auch Trevor Rabins Armageddon macht in der von Nic Raine eingerichteten Konzertsuite mit dem großen Crouch End Festival Chorus keine schlechte Figur. Ausgerechnet die geglückte durchsichtige Einspielung durch das tschechische Orchester ist es jedoch, die den sehr simplen Tonsatz, die einfache Machart der Musik und damit die klaren Pop-Wurzeln ihres Komponisten offenbart.
Das Musikaufgebot der zweiten CD reicht von David Newmans Galaxy Quest (2000) bis zu Bill Contis The Right Stuff (1983). Besondere Erwähnung gebührt hier einigen Vertretern des Buchstaben L: Henry Mancinis düster-packendes streicherintensives Hauptthema aus dem furchtbar peinlichen B-Streifen Lifeforce (1985), Bruce Broughtons kraftvolle Musik für den nicht minder missratenen Lost in Space-Kinofilm und Craig Safans schöner, von strahlenden Fanfaren gesäumter Main Title aus The Last Starfighter zählen zu den Höhepunkten auf CD 2. Auch an komplexestes polyphones Stimmengewirr haben sich die Prager Musiker unter Paul Bateman herangewagt. Don Davis’ The Matrix (1999) findet sich hier in einer knapp 8-minütigen Suite, deren Einspielung der Komponist selbst für „exzellent“ befunden hat. Dem einzigen echten Genre-Klassiker auf der CD, John Williams herrlichem E.T.-Score, hätte ruhig ein wenig mehr Platz eingeräumt werden dürfen. Hiervon ist lediglich eine allzu kurze und zudem ziemlich bieder-schulmeisterlich heruntergespulte Version des Hauptthemas zu hören.
CD 3 beginnt mit Auszügen aus einschlägigen Scores von John Barry (Moonraker), Basil Poledouris (Robocop, Starship Troopers) und David Arnold (Stargate; seine lange „End Credits“-Suite aus Independence Day ist gleichfalls in diesem Set, auf CD 2, enthalten) und bringt z. B. mit Peter Schickeles Silent-Running-Marsch oder Christopher Youngs stimmungsvoll gearbeiteter Species-Musik auch anderweitig nicht auf CD Greifbares zu Gehör.
Vor allem steht die dritte CD aber unter dem Zeichen von Star Trek. Mit viel Verve leitet eine (schaurig) schöne Performance des Urthemas von Alexander Courage (samt vibratogewaltiger Sopraneinlage) den größeren, Star Trek gewidmeten Block ein, der auf der vierten CD der Box noch fortgesetzt wird. Geboten wird Musik aus den Filmen 1, 2, 4, 6, 7 und 8 sowie ein weniger bekanntes Stück aus einem Deep-Space-Nine-Episodenscore von Dennis McCarthy (sein Hauptthema für diese dritte Star-Trek-Serie ist auf CD 4 zu finden). Ohne auf die zweifellos schwankende kompositorische Qualität der Kino-Scores einzugehen, kann man guten Gewissens behaupten, dass sie allesamt beträchtlichen Hörqualitäten besitzen und auch in diesen Neueinspielungen einfach Spaß machen; das gilt für Jerry Goldsmiths Maßstab setzenden Star Trek: The Motion Picture in gleichem Maße wie für die in Fan-Rankings meist weiter unten rangierenden Arbeiten Leonard Rosenmans zu Star Trek IV: The Voyage Home oder Dennis McCarthys zu Star Trek VII: Generations.
Auf der vierten CD wird schließlich das zweite große SciFi-Franchise beleuchtet: Star Wars. Eine gute halbe Stunde mit wichtigen musikalischen Stationen aus der „alten“ Trilogie („Main Title“, „Leia’s Theme“, „Imperial March“, „The Forest Battle“) und der vollständigen vierteiligen Suite aus [url id=1307]Star Wars: Episode I – The Phantom Menace[/url] (1999) liefert einen kleinen klingenden Querschnitt durch die Filmsaga, die John Williams in den späten 70er Jahren endgültig den Ruf eines ganz Großen in der Filmmusik eingetragen hat.
Die zweite Hälfte der CD bleibt – nach so viel „S“ – noch Filmen von The Time Machine (1960) bis You Only Live Twice (1967) vorbehalten. Zwischen den erfreulich gut geratenen Selektionen aus Arthur Bliss’ wichtiger und gewichtiger früher Vertonung von Things to Come (1936) und Leith Stevens’ War of the Worlds (1953) haben sich jedoch auch zwei großteils verpatzte Tracks eingeschlichen. Während über Dimitri Tiomkins The Thing from Another World (1951) in der vorliegenden Fassung besser der Mantel des Schweigens gebreitet werden sollte, fehlt es im wohl auch einfach etwas zu flott angegangenen Williams’schen Superman-Marsch zwar deutlich an Präzision, nicht aber an der nötigen Spielfreude. überhaupt sollte einmal darauf hingewiesen werden, dass die Leistungen des City of Prague Philharmonic nur selten wirklich das Prädikat „perfekt“ verdienen. Wenn jedoch Musiker und Musikerinnen mit so offensichtlicher Freude und Elan bei der Sache sind, wie es in den Nachspielungen für das Silva-Label oft (und bei diesem Set durchgehend) der Fall ist, überträgt sich das vielfach auf den Hörer und kann so manchen kleineren spieltechnischen Mangel wieder aufwiegen.
Fazit: Silva Screens neues Vierer-Set „The Science Fiction Album“ richtet sich vor allem an Filmmusik-Interessierte, die noch am Anfang ihrer Sammlerkarriere stehen und sich einen überblick über den ungeheuer vielseitigen musikalischen Output des ScienceFiction-Filmgenres in ordentlicher Qualität verschaffen möchten. Diese können hier getrost zugreifen. Aber auch erfahrenere Filmmusikhörer, die unter Umständen noch wenig Bekanntschaft mit SciFi-Scores gemacht haben, sollten ein Ohr riskieren. Obgleich das Wort Risiko in diesem besonderen Fall nun wirklich fehl am Platz ist: Beinahe fünf Stunden Musik in durchwegs gelungenen Interpretationen und ein 14-seitiges Booklet mit knappen Infos zu allen Filmen für um die 25 Euro; nach einem vergleichbar guten Preis-/Leistungsverhältnis wird man einige Zeit Ausschau halten müssen.