In The Fury • Teufelskreis Alpha (1978) geht es um junge Menschen mit psychokinetischen Fähigkeiten, die von einer US-Behörde für geheimdienstliche Zwecke gekidnappt werden. Ein insgesamt eher nebulöser Fantasy-Thriller, der mit The Power • Die sechs Verdächtigen (1967, Musik: Miklós Rózsa) zumindest eine gemeinsame Grundidee hat. Das Beste an dem etwas verworrenen Film ist die Musik von John Williams, die seinerzeit infolge der eher enttäuschenden Filmrezeption deutlich weniger bekannt geworden ist. Für Williams war The Fury die dritte Filmkomposition nach den 1977 entstandenen Musiken zu Star Wars und Close Encounters of the Third Kind.
Der Regisseur von The Fury, Brian de Palma, wurde 1940 in Philadelphia geboren. Er gehört zu den talentierten Nachwuchsregisseuren, die sich für Bernard Herrmann (1911-1975) interessierten – der sich in seiner letzten Lebensdekade von Hollywood enttäuscht zurückgezogen hatte. So vertonte Herrmann für François Truffaut Fahrenheit 451 (1966) und Die Braut trug schwarz (1968) und erarbeitete für Martin Scorsese, die Musik zu Taxi Driver (1976). Brian de Palma hatte ihn für die Vertonung von Sisters • Die Schwestern des Bösen (1973) und Obsession • Schwarzer Engel (1976) gewinnen können. Und auch der für The Fury engagierte John Williams erweist sich als Herrmann-Verehrer, bezeichnet die Musik zu Obsession als eine seiner Lieblingsfilmmusiken.
The Fury geriet zur prächtigen Herrmann-Hommage. Das romantisch-düstere Hauptthema bildet die Basis für ausgefeilte sinfonische Verarbeitung. Abgesehen von einem auf Jaws verweisenden Scherzo-ähnlichen Americana-Stück handelt es sich um eine schwerblütig-düstere Komposition. In mancherlei Klangfiguren der Streicher sowie der tiefen Blech- und Holzbläser und besonders stark in der thematischen und motivischen Arbeitsweise ist diese Musik stilistisch eindeutig an die Kompositionstechnik des Altmeisters angenähert, freilich ohne dabei in die Nähe eines Plagiats zu geraten. Stilistisch steht sie in den dunkel-romantischen Teilen der Musik zu Vertigo • Aus dem Reich der Toten (1958) nahe und ist in den Action-Passagen klar an Sisters orientiert, wobei auch ein Schuss Schostakowitsch (aus der Eröffnung des Kopfsatzes der 5. Sinfonie) mit im Spiel ist. Wie schon in Sisters kommt hier ebenfalls ein Moog-Synthesizer zum Einsatz – was möglicherweise gar eine kleine Anspielung auf den Regisseur Brian de Palma ist. The Fury ist eine der stärksten Williams-Musiken der 70er Jahre. Ein überwiegend düster-dissonanter Thriller-Score, der seinen Schöpfer als ausgereiften Filmkomponisten, mit Sinn und Gespür für Klangfarben und ebenso für Dramatik, ausweist.
Varèses Club-Edition ist ein hochinteressantes Studienobjekt. Die Doppel-CD präsentiert die Musik in zwei merklich differierenden Fassungen: die bislang unzugängliche Original-Filmeinspielung (rund 55 Minuten) und den alten LP-Schnitt (etwa 40 Minuten). Die Filmversion der Musik klingt deutlich düsterer (stärker bläserbetont) als die – durch stärkere Akzentuierung auf den deutlich vergrößerten Streicherchor des Orchesters – weniger sperrig (samtiger und damit eingängiger) daherkommende LP-Fassung. Letztgenannte wirkt gegenüber der Filmversion keinesfalls (in Richtung Pop-Kommerz) verwässert, sondern ist vielmehr von versierter Hand äußerst behutsam eingängiger neu konzipiert. In dieser Fassung erinnern die voller klingenden Streicher-Elegien mitunter ein wenig an Samuel Barbers berühmtes „Adagio für Streicher“.
Der Vergleich der originalen Filmversion mit der LP-Fassung zeigt außerdem sehr eindrucksvoll, wie deutlich sich mitunter Filmmusik im Film und allein von CD voneinander unterscheiden. Abgesehen vom veränderten Klangbild sind für die LP verschiedene der oftmals kurzen Tracks – völlig unabhängig von der Chronologie im Film – miteinander kombiniert und so zu komplett neuen längeren Musikblöcken montiert wurden. Die Varèse-Club-Edition zu The Fury ist damit geradezu Parade- und Lehrbeispiel dafür, Filmmusik auf CD in erster Linie als von den Filmbildern unabhängiges „Höralbum“ zu genießen.
Mancher Sammler wird bereits die 1990er Alhambra-CD-Ausgabe von The Fury (identisch mit dem LP-Schnitt) oder das fast zeitgleich erschienene Varèse-Album (die Musik des LP-Schnitts plus ein Bonustrack aus der Original-Filmeinspielung „Death on the Carousel“) besitzen. Trotzdem ist die Varèse-Club-Edition, die Film- und LP-Version vereint, sehr zu begrüßen. Immerhin kostet die zweite CD nur einen Aufschlag von rund 5 . Das macht die Edition zum Schnäppchen für alle, die von dem Score noch gar nichts besitzen, aber auch für jene akzeptabel, die besagte Alhambra-CD bereits haben. In jedem Fall ist die vorliegende Varèse-Doppel-CD-Ausgabe etwas, das sich nicht allein eingefleischte Williamsianer nicht entgehen lassen sollten.
Der Klang beider Varèse-Club-CDs zu The Fury ist tadellos und auch das Beiheft ist ordentlich und recht informativ geraten, es erreicht jedoch nicht die vorbildlichen FSM-Standards.