Die komplette Filmmusik von Franz Waxman auf Tadlow
Leoš Janáček inspirierte Gogols Novelle bereits in den 1910er Jahren zu seiner grandiosen, balladenartigen Rhapsodie für Orchester gleichen Namens. Für Harold Hechts Schinken hingegen hat der gebürtig aus Schlesien stammende Komponist Franz Waxman nicht nur eine beachtliche, sondern sogar ausgesprochen vorzügliche Filmkomposition geliefert. Eine zuvor unternommene Konzerttournee durch die Sowjetunion gestattete dem Komponisten in Kiew eingehende Studien ukrainischer und russischer Musik, um sich inspirieren zu lassen. Diese Vertonung fand übrigens auch Gnade bei Bernard Herrmann, der sich ansonsten häufiger recht harsch gegenüber dem Hollywooder Tonschaffen äußerte: Die Taras-Bulba-Musik hob er hingegen als „The Score of a lifetime“ hervor.
Der mit Bolero-Touch versehene Ritt der Kosaken nach Dubno, „Ride to Dubno (Ride of the Cossacks)“, ist ein besonders mitreißendes Highlight des Scores und wurde bereits in den 1970ern von Charles Gerhardt im Rahmen seiner edlen Serie „Classic Film-Scores“ für RCA mit dem National Philharmonic Orchestra eingespielt. Da sämtliches Partiturmaterial einem Brand zum Opfer fiel, musste Gerhardt anstelle der originalen Filmversion die leicht veränderte Version desselben Stücks aus der (anscheinend von ihm selbst) für die Waxman-(Film-)Musik-Kollektion (auf John Waxmans Homepage) eingerichteten Konzertsuite verwenden. Es handelt es sich hierbei nach wie vor um eine prächtige Einspielung, die auch nach nunmehr 45 Jahren nichts von ihrer mitreißenden Kraft verloren hat.
Darüber hinaus steht dem an der Musik Interessierten aber seit dem Jahr 2011 auch noch Tadlows erstklassige Kompletteinspielung zur Verfügung, die derzeit problemlos erhältlich ist. Darüber hinaus ist eventuell noch die von Kritzerland gegenüber sämtlichen früheren Veröffentlichungen klanglich deutlich verbesserte CD-Version der 1962er LP interessant – beim Anbieter Kritzerland vergriffen. Es handelt sich dabei allerdings nicht um das Original, sondern um eine Nachspielung mit deutlich verkleinertem Orchester. Der nur rund 44 Minuten umfassende Musikschnitt ist zudem durch das zwar schöne, aber allzu häufig wiederkehrende Liebesthema doch etwas sehr redundant und daher ermüdend.
Demgegenüber steht Tadlows präzise und kraftvoll realisierte Gesamteinspielung mit den Prager Symphonikern unter Nic Raine makellos und grandios da. Neben den beiden in besonderem Maße tragenden Hauptthemen, dem bereits genannten für die Kosaken und dem für Natalia (Liebesthema), hat die rund 90-minütige Komposition nämlich noch beträchtlich mehr zu bieten: etwa das schwermütige Thema für Taras Bulba nebst seinen vielfacheen, raffinierten Wandlungen/Verknüpfungen oder auch die reizvollen Fanfaren für Kiew und Dubno. Waxmann hat für die komödiantischen Einlagen übrigens auch drolliges Mickey-Mousing komponiert, etwas, das in seinem filmmusikalischen Schaffen nur sehr selten anzutreffen ist. Überhaupt zeigt der Score auch seine Sympathie für die moderne russische Musik von Schostakowitsch und besonders ausgeprägt Prokofjew (Leutnant Kije). Allein hier kann man die gesamte Konzeption dieser Waxman-Filmmusik der Top-Kategorie sauber nachvollziehen.
Zusätzlich ist da aber auch noch die mit rund 30 Minuten besonders üppig ausgestattete Boni-Sektion des Doppel-CD-Albums. Neben einer besonders markanten, an die Liszt’schen Klaviertranskriptionen erinnernden Adaption des Kosakenritts für zwei Klaviere und sechs Hände sowie alternativ-Versionen einzelner Stücke (Film- & Konzertfassung), sind auch die im Film zum Zuge kommenden Kosakengesänge (kurioserweise in Englisch) in durchaus stimmungsvollen Interpretationen vertreten. Dass die vorzüglich klingende Tadlow-Einspielung außerdem noch mit einem umfangreichen, informativen Begleitheft aufwartet, ist schon fast selbstverständlich.
Waxman erhielt für diese vorzügliche Komposition übrigens insgesamt zwei Nominierungen in der Kategorie „Beste Filmmusik“, für den Oscar sowie für den Golden Globe. Im filmmusikalisch außergewöhnlich reichhaltigen Jahr 1962 „verlor“ er aber bei der im Folgejahr stattgefundenen Oscarverleihung (Academy Awards) 1963 letztlich das Rennen, zusammen mit den übrigen ebenfalls nominierten Hochkarätern: Bronislaw Kapers Mutiny on the Bounty, Elmer Bernsteins To Kill a Mocking Bird und Jerry Goldsmith’ Freud, gegen Maurice Jarres Lawrence of Arabia.
Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.