Moby Dick (Sainton)

Geschrieben von:
Cinemusic.de - Team
Veröffentlicht am:
6. April 2000
Abgelegt unter:
CD

Score

(6/6)

Über John Huston, den Regisseur herausragender Filme wie The Treasure of the Sierra Madre • Der Schatz der Sierra Madre (1948), und besonders über seine 1956er Version von Moby Dick ist schon an anderen Stellen viel geschrieben worden, wobei im CD-Booklet auch wenig bekannte Hintergründe dieser Produktion erläutert werden. Der hohe Rang dieser auch heute noch stimmungsvollen, in auf Meeresblau „normierten“ Technicolor-Farben gehaltenen Verfilmung dürfte unstrittig sein: In jedem Fall liegt hier ein in vielem auf vorbildliche Genauigkeit im Zeitkolorit angelegtes Opus vor. Hiermit ist besonders die konsequent altertümliche und damit „überzeugend historisch“ wirkende (!) Sprechweise gemeint und damit verbunden auch die entsprechende Gestik und Mimik der handelnden Figuren: ein atmosphärisch wichtiges Detail, auf das man in den meisten heutigen, natürlich perfekter realisierten Kostümfilmen wie Titanic, The Mask of Zorro und Shakespeare in Love usw. leider verzichten muss.

Für Philip Sainton (1891-1967) war Moby Dick die einzige Filmmusik seines Schaffens: Über die eher kuriosen Umstände, die dazu führten, dass er für diesen Film als Komponist verpflichtet wurde, gibt das informative Booklet der Marco-Polo-CD eingehend Auskunft. In jedem Fall erwies sich diese Entscheidung als Glücksfall der Filmmusikgeschichte: Saintons Moby-Dick-Komposition ist trotz deutlicher impressionistischer Einflüsse (Debussy, Ravel, Delius) – Bernard Benoliel stellt im Chandos-CD-9181-Booklet interessanterweise auch Bezüge zu Korngold und dem Tschechen Josef Suk her – eine individuell gestaltete und in romantischer Tonsprache gehaltene Klangschöpfung. In der Orchestrierung zeigt sich Sainton als Meister, der den Vergleich mit Edward Elgar oder Arnold Bax nicht zu scheuen braucht.

Sein Klangidiom ist in den Szenen der fanatischen Wut Kapitän Ahabs durch die schroffe Stimmenführung von ungestümer Wucht und Wildheit, wirkt aber auch in den mehr lyrischen Passagen nie sentimental. Schon der Main Title beginnt mit einer aufgepeitschten naturalistischen Meeres-Stimmung, die den Kampf mit dem weißen Wal akustisch vorwegnimmt, und auf Ishmaels Weg zur Küste begleiten ihn Arpeggien von Flöten, Klarinetten, Harfe und Celesta. Wird das Meer zum ersten Mal visualisiert, erklingt im Orchester eine prächtige Meeresstimmung: Überhaupt hat Sainton (nicht nur) dem Filmmusikfreund mit seiner Moby-Dick-Musik eine der schönsten Seesinfonien der gesamten Kino- und Musikgeschichte hinterlassen! Im gesamten Werk gibt es keine Durchhänger: Vom schlichten tiefgläubigen Choral der Seeleute, den grotesken Klängen für Queequeg, den Harpunier, der durch ein brillantes Orchesterscherzo untermalten Begegnung mit den Delphinen auf hoher See, dem durch hohe Streicher „hörbar“ gemachten Glanz des im Sonnenlicht gleißenden Goldstücks am Mast, der mystisch-fanatischen Szene mit dem Elmsfeuer bis zu den wütend aufgepeitschten Klängen zum finalen Kampf mit dem weißen Wal. Immer schafft der Komponist eine hervorragende sinfonische Begleitung und überzeugt sowohl in den unmittelbar bildhaften Momenten als auch in der Illustration der vielfältig wechselnden Stimmungen: Die hervorragende Musik lässt sich nur völlig unzulänglich durch Worte beschreiben – dieses Meisterwerk muss man hören!

Auch diese Marco-Polo-Neueinspielung des bekannten und bewährten Teams John Morgan und William Stromberg mit den Moskauer Sinfonikern ist geradezu exemplarisch gelungen. Diese Interpretation ist an Vitalität und Power der alten – auf LP veröffentlichten -, stark verhallten und nach „Edison-Trichter“ klingenden Original-Einspielung unter Luis Levy keinesfalls unterlegen, dafür im Klang aber um Klassen besser: Ich ziehe die Nachspielung daher sogar dem Original vor. Dazu kommt noch, dass mit der vorliegenden Einspielung dank der aufgefundenen Originalpartitur und akribischer Restaurationsarbeiten erstmalig die vollständige Moby-Dick-Musik auf Tonträger vorliegt. Der Aufwand hat sich gelohnt: Die CD sollte nach meiner Meinung in keiner Sammlung sinfonischer Filmmusiken fehlen – auch dem an orchestralen Klängen interessierten Filmmusik-Newcomer sei die Anschaffung daher ausdrücklich empfohlen.

Komponist:
Sainton, Philip

Erschienen:
1998
Gesamtspielzeit:
63:10 Minuten
Sampler:
Marco Polo
Kennung:
8.225050

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