Lemony Snicket – Rätselhafte Ereignisse

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
8. April 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(3.5/6)

Schon mal etwas von Lemony Snickets Jugendbüchern gehört? Diese Frage musste beispielsweise der Rezensent glatt verneinen. Im bereits am 27. Januar gestarteten Film Lemony Snicket — Rätselhafte Ereignisse von Regisseur Brad Silberling geht es um die Erlebnisse der drei Waisenkinder Violet, Klaus und Sunny, die sich gegen ihren hinterlistigen Onkel Graf Olaf zur Wehr setzen müssen. Mit Jim Carrey (Die Maske) als besagtem Onkel, Meryl Streep als Tante Josephine und Jude Law als Erzähler entführt der Film in eine skurrile Märchenwelt, die hierzulande offenbar wenig erfolgreich darum bemüht ist, an den Erfolg von Harry Potter anzuknüpfen.

Was Thomas Newman für den Hörer über die knapp 70 Albumminuten auffährt, ist wieder einmal zweifellos versiert aber in gewissem Sinne zugleich auch routiniert gemacht. Ein stark atmosphärisches Hörerlebnis steht auf dem Programm, gespickt mit ungewöhnlichen Klangeffekten. Wobei der Maestro dieses Mal wiederum sehr fantasievoll in die Kiste des ethnischen Instrumentariums gegriffen hat. Das in Form eines recht originell gestalteten Faltblattes daherkommende Begleitheft listet eine ganze Litanei ausgefallener Vertreter der Instrumentenzunft auf; da geben sich beispielsweise traditionelle finnische Zupfinstrumente, eine französische Abart der Zither, exotische Trommeln aus Indien und Afrika, Dulcimer, Glas-Marimbas aus Südamerika sowie eine schottische Snare-Drum ein Stelldichein. All diese Musikinstrumente wirken mit ihren Kollegen des traditionellen Sinfonieorchesters nebst einem Akkordeon friedlich und auch reizvoll zusammen. Derartiges Einbinden exotischen Instrumentariums ist oftmals mit einigen Mühen verbunden — siehe dazu auch The Gospel of John sowie The Seventh Sin. Es gibt einen breiter angelegten, eingängigen thematischen Hauptgedanken, der allerdings (zu) wenig Raum erhält, um sich zu entfalten. Schön erklingt dieser in „The Letter That Never Came“. Dazu schimmern einige anmutige Nebenthemen auf: z. B. in „The Baudelaire Orphans“ ein von Celesta und Vibraphon besonders hübsch gestaltetes, an eine Spieluhr erinnerndes Thema, das in „VFD“ nochmals erscheint. Sehr hübsch ist auch die Disney-Cartoonhaft anmutende Liedeinlage in „Loverly Spring“.

Das eigenwillige Newman-typische Resultat besteht aus einer Reihe ansprechender, melodisch geprägter Teile und klanglich oftmals geschickt und delikat gestalteter Passagen. Außerdem finden sich die üblichen Minimalismen und collageartigen Effekte, die zu den Markenzeichen des Komponisten zählen. Die Machart gibt nur dem Rätsel auf, für den die Musik des Komponisten Neuland ist. Für alle anderen präsentieren sich Lemony Snickets rätselhafte Ereignisse in Teilen doch eher als nettes Déjà-vu. Eines, das allerdings handwerklich sehr solide und auch liebevoll ausgeführt ist.

Über die gesamte Länge vermögen die einzelnen Stücke des Albums im Bewusstsein des Hörers nicht im gleichen Maße miteinander zu verschmelzen, wie bei den überzeugendsten Kompositionen Thomas Newmans auf Tonträger. Im Gegensatz zu den in der Wirkung extrem mit den zugehörigen Bildern verknüpften Kompositionen zu In the Bedroom und The Salton Sea verfügt das aktuelle Album aber schon über erheblich mehr, das den, der allein die CD hört, denn doch — zumindest nach und nach — in seinen Bann zu ziehen vermag. Insofern empfiehlt es sich, den musikalischen Ereignissen einige Hördurchgänge Zeit zu lassen, um ihre Wirkung zu entfalten. Im Anschluss daran vermag gezieltes Weglassen (durch Programmieren) den individuellen Höreindruck eventuell noch zusätzlich zu verbessern.

Ohne Bildbezug dürften Angels in America (TV 2004) und Finding Nemo (2003) die wohl besten Höralben des inzwischen 50-jährigen, jüngsten männlichen Sprosses der berühmten Hollywood-Dynastie im neuen Millennium sein. Im Kanon der CD-Alben reiht sich Lemony Snicket — Rätselhafte Ereignisse rangmäßig etwa beim — ebenfalls hörenswerten — Road to Perdition[ (2002) ein. Nicht grundsätzlich neu, aber trotzdem hübsch gemacht; sicherlich kein Muss, aber ebenso wenig ein Flop.

Fazit: Edle Routine auf einem sehr soliden und guten Niveau.

Originaltitel:
Lemony Snicket's - A Series of Unfortunate Events

Komponist:
Newman, Thomas

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
68:58 Minuten
Sampler:
Sony Classical
Kennung:
SK 93576

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