Ernst Krenek (1900-1991) hinterließ mehr als 240 mit Opus-Nummern versehene Werke, entstanden innerhalb einer schöpferischen Zeitspanne von mehr als sieben Jahrzehnten, vom Ende der 10er bis zum Ende der 80er Jahre. Die musikhistorische Einordnung des Komponisten gestaltet sich schwierig und verwirrend. Immer auf der Suche nach sich selbst, war er ebenso auf der Flucht vor den Erwartungen anderer. Im Nebeneinander von Stilen und Techniken ein sich fortwährend Wandelnder, einer, der sich nicht festlegen ließ. Krenek, ein Vertreter eines modernen Weltbürgertums: Sowohl griechische Mythologie, freiheitliches Denken als auch politische Analyse ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk, das eine verblüffende Kollektion von Idiomen und ein extrem vielseitiges Arsenal verschiedenster Techniken bietet.
„Jonny spielt auf“ ist (wie auch Kreneks andere Schöpfungen dieser Periode) Spiegelbild der 20er Jahre. Die Idee mit dem schwarzen Saxophon-Spieler kam dem Komponisten durch die Frankfurter Neger-Revue „Chocolat-Kiddies“. „Jonny spielt auf“ begründete die Gattung der so genannten „Zeitoper“, was bedeutet, dass die Oper aktuell und modern mit dem Zeitgeschehen verbunden ist. So spiegelt diese Oper das Ambiente ihrer Zeit und reflektiert die zeittypische Gegenwart auf damals unerhörte Art und Weise: Neben Anklängen an den Jazz sind Geräusche des Maschinenzeitalters – von Autohupen, Telephon oder Dampflok – Teil der Inszenierung. Die oftmals zu lesende Bezeichnung „Jazzoper“ ist jedoch etwas irreführend: Zum einen galt in den 20er Jahren bereits das als Jazz, was aus den USA in sublimierter populärer Form als angejazzte Unterhaltungs- und Tanzmusik herüberschwappte, zum anderen sind derartige Passagen klar in der Minderheit.
Die in die atonale Frühphase fallenden Kompositionen, die szenische Kantate „Die Zwingburg“ von 1922 sowie die komische Oper „Der Sprung über den Schatten“ von 1923, blieben im Gegensatz zu „Jonny spielt auf“ erfolglos. Bereits die Uraufführung des „Jonny spielt auf“ am 10. Februar 1927 war ein Riesenerfolg. Bis 1930 ging das Werk über mehr als 70 europäische Bühnen, avancierte sogar zur meistaufgeführten zeitgenössischen Oper der 20er Jahre.
Aber nicht allein bei den ersten Wiener Aufführungen (siehe oben) kam es zu Krawallen und wütenden Protesten (der Nazis), selbst in den USA, bei der New Yorker Erstaufführung, zeigten sich Ressentiments: Infolge der Rassendiskriminierung musste der Sänger des Jonny eindeutig als schwarz geschminkter Weißer zu erkennen sein.
Kreneks freche Erfolgsoper ist in erster Linie pfiffige liebevoll und handwerklich sehr sorgfältig auskomponierte Gebrauchsmusik im Zeitgeist und wohl weniger ein Werk mit Ewigkeitsanspruch. Ein einfaches, buntes und lebendiges Spiel, in dem sich keine wirklich revolutionäre Musik, sondern ein gerütteltes Maß an Romantik findet: So gibt es einen in der Hochgebirgseinsamkeit singenden Gletscher. Shimmy und Blues erklingen neben modernem Tango, eine Portion Slapstick der Stummfilmzeit ist ebenfalls vertreten und auch das metallisch-flirrend klingende Flexaton wird als Effektinstrument verwendet. All das ist in eine insgesamt harmonisch einfache (tonale) Sprache eingebettet, die dem Hörer kaum Probleme bereitet. Es gibt ansprechende, leicht-eingängige Melodien und Rhythmen, die stärker in Richtung Operette, denn Oper deuten.
Über die vorliegende – im Jahr 1991 erfolgte – Gesamteinspielung von „Jonny spielt auf“ lässt sich nur Positives sagen: Das Ensemble (Heinz Kruse als Jonny) und auch der Leipziger Opernchor sind in bester Form. Lothar Zagrosek und das Gewandhausorchester Leipzig begleiten schwungvoll und engagiert. All dies dokumentiert eine sorgfältig alle Details ausleuchtende Tontechnik.
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