Hour of the Gun

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
20. Februar 2020
Abgelegt unter:
CD

Score

(6/6)

Jerry Goldsmith’ Filmmusik zu John Sturges’ Hour of the Gun als komplette Neueinspielung

Mehr als nur eine Randbemerkung wert ist diese exzellente Filmmusik des damals kräftig im Aufwind befindlichen jungen Jerry Goldsmith. Bei der 1966 zum Film erfolgten LP-Veröffentlichung des United-Artists-Labels (jeweils 1991 von Intrada und 2005 von Varèse auf CD wiederveröffentlicht) handelt es sich um eine auf knapp 31 Minuten Gesamtspielzeit komprimierte und gegenüber der Originaleinspielung mit verkleinertem Orchester erstellte Nachspielung, die allerdings vergleichbar gut herüberkommt wie die Filmeinspielung. Besonders markant wirkte bereits auf der LP das pfiffig gemachte Poparrangement des griffigen und schnell ins Ohr gehenden zentralen Themas dieser, wie häufiger bei Goldsmith, weitgehend monothematischen Filmkomposition. Erfreulicherweise hat es als Track 14, „Hour of the Gun Theme“, auch den Weg auf die im Jahr 2012 von Tadlow vorgelegte Neueinspielung der kompletten Filmmusik gefunden. Der Komponist hat hier das Hauptthema mit einem poppigen Rhythmus kombiniert und im Stile der damals beliebten Tanz- und Unterhaltungsorchester – z.B. Percy Faith – umarrangiert und so ein geradezu zum Mitpfeifen einladendes, auf Hochglanz poliertes Stück Easy-Listening geschaffen. Das ist im wirkungsvollen Ergebnis auf seine Art ebenso raffiniert wie die insgesamt handwerklich äußerst versiert gestaltete Filmpartitur.

Im Ausdruck ist Hour of the Gun über weite Strecken eine klanglich sehr sparsam und transparent angelegte, von vielen grimmig-düsteren Spannungssequenzen durchsetzte Komposition. Das Tutti des groß besetzten Klangkörpers wird nur gelegentlich und dann sehr gezielt eingesetzt. Es kommt so, in der Regel nach zuvor geschickt erfolgter Steigerung, besonders wirkungsvoll zur Geltung. Eingestreut finden sich sowohl einige oftmals eher kurze Einschübe mit warmen Americana („The Painted Desert“, „A Friendly Lie“) als auch eine Reihe kraftvoller Momente, in denen verschiedentlich auch das zentrale Thema eindrucksvoll und prägend zum Tragen kommt. Insgesamt ist hier aber praktisch nichts, was als betont romantisch oder gar schwelgerisch bezeichnet werden kann. Am ehesten besteht partiell Ähnlichkeit mit Rio Conchos (1964), aber kein Vergleich zu etwa den lyrisch und ausladend gescorten Flugsequenzen in Der blaue Max (1965).

Goldsmith arbeitet hier ähnlich wie es bereits die alten Meister beherrschten, indem er mit relativ einfachen Mitteln, etwa mit Instrumentalsoli oder Ostinatofiguren sowie mit großem handwerklichen Geschick und ausgezeichnetem Sinn für Klangwirkung raffiniert diverse Klangebenen übereinander schichtet. Das geschieht so, dass der Klangeindruck nicht statisch ist, sondern durch ständige Verschiebungen fast permanent in Bewegung bleibt. Indem er so fortlaufend Abwechslung schafft, vermeidet der Komponist elegant Monotonie und damit das mitunter gerade in Spannungs- und Actionpassagen diverser Filmmusiken so berüchtigte und ermüdende vor sich hin dümpeln der Musik. Dabei kommen, wie in sämtlichen guten und sehr guten Goldsmith-Kompositionen,  auch hier regelmäßig motivische Bruchstücke und Varianten eines zentralen Themas der jeweiligen Partitur zum Einsatz, mit denen das klangliche Geschehen markant gestaltet und die gesamte Musik zugleich perfekt zusammen gehalten wird. Kurz und knapp hat Goldsmith, der exzellente Orchesterhandwerker, dies in seiner ganz eigenen, kaum verwechselbaren Handschrift zum persönlichen Markenzeichen gemacht. Kompositionen für das im Aufschwung befindliche Fernsehen, aber ebenso für Hörspiele und Radio-Live-Shows bildeten hierzu letztlich die Grundlage – siehe dazu auch die Artikel zu den beiden Tadlow-Alben zur US-TV-Serie Thriller.

Dabei weist auch die gegenüber dem alten LP-Album in der Tadlow-Kompletteinspielung nochmals um rund eine halbe Stunde verlängerte komplette Filmmusik nicht einmal punktuelle Hänger auf. Die unmittelbar vielleicht etwas unterkühlt erscheinende Filmkomposition vermag es so spätestens nach ein paar Hördurchgängen, den Hörer voll mitzunehmen und zu begeistern. Das zu Hörende ist durchgehend von einer hervorragenden musikalischen Qualität, die man heutzutage allzu häufig schmerzlich vermisst. Man vergleiche dagegen z.B. mit den ohne die zugehörigen Filmbilder völlig belang- und nahezu bewusstlos statisch vor sich hin pulsierenden aktuellen Sounddesigns: z. B. zu Midway (Thomas Wander und Harald Kloser) oder 1917 (Thomas Newman).

Als weiterer Pluspunkt kommt hinzu, dass die insgesamt vorzügliche Wirkung durch das Zusammenwirken des so präzisen wie mitreißenden Orchesterspiels der Prager Philharmoniker unter Nic Raine sowie einer die Klänge bis in feinste Nuancen hörbar werden lassenden Aufnahmetechnik noch weiter gesteigert wird. Die Neueinspielung zu Hour of the Gun hängt die bis dato sehr geschätzte und auch nicht schlecht klingende LP-Version nicht nur akustisch sanft, aber klar ab, sie kann auch interpretatorisch mit dieser als mindestens ebenbürtig eingestuft werden. Somit schlägt das Pendel in diesem Fall derart eindeutig zugunsten der Neueinspielung aus, dass man auf die gute Filmalbumversion in der heimischen Kollektion im Prinzip sogar komplett verzichten kann.

Last but not least befindet sich auf dem mit rund 70 Minuten Spieldauer wiederum großzügig bestückten Tadlow-Album auch noch eine besonders feine Zugabe: Die knapp 14-minütige Konzertsuite aus der TV-Verfilmung The Red Pony (1973) bildet mit ihrem betont romantisch-warmen Americana-Tonfall zu Hour of the Gun einen markanten Kontrast, welcher dieses vorzügliche Goldsmith-Album optimal abrundet.

Fazit: Hour of the Gun  bildete im Jahr 2012 die erste einer Reihe von insgesamt vorzüglich geratenen Jerry-Goldsmith-Neueinspielungen des Tadlow-Labels. Es ist eine gewohnt hochwertige Tadlow-Veröffentlichung, prima gespielt und superb aufgenommen, die manch einen, der den Film noch nicht kennt, auch auf diesen neugierig machen dürfte.

Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.

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Erschienen:
2012/12
Gesamtspielzeit:
70:08 Minuten
Sampler:
Prometheus (Vertrieb Tadlow/Silva Screen Records)
Kennung:
XPCD 173
Zusatzinformationen:
City of Prague Philharmonic Orchestra, Dirigent: Nic Raine

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