Die berühmte fantastische Weihnachtsgeschichte um einen herzlosen Geizhals, der in der Weihnachtsnacht durch den Besuch dreier Geister geläutert wird, ist ein Klassiker der Literatur des 19. Jahrhunderts. Sie stammt aus der Feder eines der berühmtesten britischen Romanciers, Charles Dickens, der „A Christmas Carol“ im Jahr 1843 bereits stimmig, nämlich kurz vor Weihnachten, publizierte. Diese warmherzige britische Weihnachtsgeschichte hat sich schnell als zeitlos erwiesen und darf nicht erst seit heute als Klassiker bezeichnet werden. Und da verwundert es nicht, dass sich bereits 1901 das noch in den Kindertagen steckende Kino seiner bedient hat. Und diese Erstauflage hatte bis heute fast unzählige Folgen. So existieren neben einer großen Zahl von Kinoadaptionen auch eine Vielzahl von TV-Bearbeitungen des Stoffs, insgesamt über 70. Dabei sind gerade die neueren Vertreter zum Teil sehr drollig modernisiert, z. B. als Muppets-Puppenspiel oder Zeichentrickvariante mit Micky Maus und Dagobert Duck oder auch mal völlig untraditionell neuinterpretiert in Richard Donners Die Geister, die ich rief .
Von den Verfilmungen für die große Leinwand sei die besonders gelungene 1951er Version von Brian Desmond Hurst mit Alastair Sim als Geizhals Ebenezer Scrooge erwähnt: Scrooge • Charles Dickens – Eine Weihnachtsgeschichte (1951).
2009 hat nun Robert Zemeckis (Back to the Future, Forrest Gump) eine weitere Version des Dickens-Klassikers für Disney auf die Leinwand gebracht. Der mit einer Weiterentwicklung der Motion-Capture-Technologie (Performance Capture) als Animationsfilm produzierte Disney’s A Christmas Carol • Disneys Eine Weihnachtsgeschichte (2009) fokussiert dabei ganz besonders auf die Mimik und die Bewegungen des Schauspielers Jim Carrey, welche nicht nur auf den im Zentrum der Handlung stehenden Charakter, Ebenezer Scrooge, sondern auch auf sämtliche Geister übertragen worden sind. Zemeckis hat übrigens bereits bei Der Polarexpress (2004) und Die Legende von Beowulf (2007) entsprechend gearbeitet. Das derzeit wohl populärste Animationsprodukt dieser Kategorie ist freilich James Camerons Avatar — Aufbruch nach Pandora (2009). Allerdings sind bei Avatar auch die Realanteile in 3D aufgenommen und nicht einfach nur nachträglich konvertiert worden — eine entscheidende Voraussetzung für hohe Qualität des gewünschten Endprodukts 3D-Film.
Robert Zemeckis’ Disney’s A Christmas Carol (2009) in 3D
Die Zemeckis-Disney-Verfilmung betont in besonderem Maße die düsteren Elemente der Geschichte. Dies nicht zuletzt, um dem Handlungsablauf durch eine merkliche Portion Action mehr Tempo zu verleihen und um damit zugleich möglichst viel Raum für spektakuläre dreidimensionale Effekte zu gewinnen. Und da liegt vielleicht auch ein wenig die Achillesferse dieses zweifellos mit sehr viel Fantasie und Geschick effektreich gestalteten Weihnachtsfilms, der infolge seines auf Top-Niveau angesiedelten Special-Effect-Bombardements mitunter etwas Gefahr läuft, zur allzu rasanten Achterbahnfahrt für die Sinne zu geraten.
Als der Film Ende 2009 in die Kinos kam, ist er besonders hierzulande ziemlich untergegangen. Wohl in erster Linie, da er für die kleineren Kinder zu aufregend und gruselig ist und die älteren Kids anscheinend nicht neugierig genug gemacht worden sind. Und die Tatsache, dass ein reiferes Publikum oberhalb der 30 sich offenbar nur bedingt für Animationsfilme begeistern lässt, hat ihm seinerzeit wohl den Rest gegeben. Letzteres freilich unverdient. So ist es zu begrüßen, dass die vorliegende 3D-Blu-ray-Version es jetzt auch zuhause gestattet, die beachtlichen Qualitäten dieser ersten dreidimensionalen Dickens’schen wie Disney’schen Weihnachtsgeschichte auszutesten.
Robert Zemeckis’ Disney’s A Christmas Carol (2009) als 3D-Blu-ray
Das sich durch Hochglanzpappschuber mit Prägung und 3D- Sticker bereits ansprechend einführende Set besteht aus zwei Blu-ray-Discs nebst einer Digital-Copy-Version des Films. Der praktische Nutzen dieses dritten Datenträgers ist allerdings recht fragwürdig, ist dieser doch nur ein einziges Mal (!) mit Hilfe eines speziellen Codes online freischaltbar!
Bei Blu-ray-Disc 1 handelt es sich um eine 3D-Blu-ray mit der 3D-Version des Films, die nur auf entsprechendem Player plus geeignetem TV-Gerät abspielbar ist. Darüber hinaus ist Disc 1 versehen mit einer kleinen Zugabe an Bonusmaterial, das überraschender- wie erfreulicherweise ebenfalls in 3D produziert worden ist. Zwar besitzen „Mr. Scrooges wilder Ritt“ sowie die „Disney 3D Blu-ray Vorschau“ primär Werbecharakter. Beide Boni sind aber in jedem Fall sehr nett anzuschauen.
Blu-ray-Disc 2 enthält den Film in der herkömmlichen 2D-Version, die auf jedem Blu-ray-Spieler wiedergegeben werden kann. Die hier vertretenen 2D-Boni sind mit denen von Disc 1 nicht deckungsgleich. Hier finden sich neben rund neun Minuten geschnittener Szenen und eher auf die Kids zugeschnittener Zugaben, wie einem etwas blassen interaktiven Adventskalender, auch einige interessante Blicke hinter die Kulissen der Produktion. So wird in „Hinter der Geschichte: Wie werden Bewegungen digital erfasst“ die Motion-Capture-Technik anhand verschiedener Szenenabläufe recht eindrucksvoll erläutert.
Bereits die konventionelle 2D-Fassung von Disneys Eine Weihnachtsgeschichte lässt klar erkennen, dass in den Bildkompositionen besonderer Wert auf Tiefenstaffelung und damit bewusste Ausnutzung des Raumes gelegt worden ist — etwas, das man übrigens auch bei 2D-Kopien klassischer 3D-Filme der Fifties beobachten kann. Was sich bereits in 2D, dank exzellenter Schärfe, ebenso spitzenmäßigen Kontrasts sowie vorzüglicher Detailfreudigkeit durch hervorragende Plastizität auszeichnet, das spielt freilich erst in der weitgehend makellosen 3D-Version seine Trümpfe komplett aus. Erst jetzt wirken die rieselnden und tanzenden Schneeflocken, die zum Teil grandiosen virtuellen Kamerafahrten durch und über die Stadt, wie auch weitere, auf tief gestaffelte Räumlichkeit konzipierte Einstellungen, so richtig beeindruckend und zugleich mitreißend. Das hier zu Sehende ist vorzüglich, Bildfehler wie die Augen belastende Doppelkonturen (Ghosting) sind nur in einigen der dunkleren Szenen vorhanden. Insofern kann der Zuschauer am Ende völlig entspannt die erforderliche Shutterbrille wieder absetzen. Allein dank seiner technischen Güte kann dieses Produkt in weiten Teilen Referenzcharakter beanspruchen. Dabei muss man freilich auch den Machern zugestehen, dass sie den virtuellen Raum und ebenso die speziellen 3D-Effekte ohne übertriebene, reine Effektheischerei eingesetzt, sondern vielmehr durchweg sehr geschickt mit der Filmhandlung verknüpft haben. Die Tonkulisse dazu ist disneytypisch vergleichbar hochwertig. Der üppige Surroundsound schafft ein den Zuschauer perfekt umgebendes Klangfeld, in dem der räumlich ungemein präzise aufgefächerte Ton temperament- wie druckvoll, aber ebenso dezent und subtil zu agieren weiß.
Und so dürfte diese außerdem mit ein paar neuen Aspekten aufwartende aktuelle Version des anrührenden alten Dickens’schen Weihnachtsmärchens, auch wenn sie demnächst durch weitere 3D-Blu-ray-Veröffentlichungen etwas aus dem Blickfeld verdrängt werden wird, ihre Liebhaber finden. Bei so manchem Käufer wird sie alle Jahre wieder ein eindrucksvolles wie unterhaltsames Comeback erleben. Der (3D-)Spaß beginnt übrigens bereits beim so ansprechend weihnachtlich gestalteten Blu-ray-Menü, wo sich aus einem auf- und umklappenden Buch Landschaften und Figuren fast zum Greifen nahe aufrichten. Etwas, das natürlich gerade in der 3D-Version originell auf das Kommende einstimmt.
Diese brillant produzierte Edition markiert zugleich Disneys Aufbruch in die dritte Dimension des Blu-ray-Formats und das ist in jedem Fall ein wichtiges Signal für die auf dem Markt derzeit noch eher karge Softwaresituation. Zwar stehen seit dem Frühjahr 2010 3D-fähige TV-Geräte nebst Playern in den Geschäften, aber für diese Technik ausgelegte Blu-ray-Sofware ist derzeit nicht nur rar, sondern erschwerend kommt hinzu, dass unter den derzeit erhältlichen 3D-Blu-ray-Titeln bislang keine wirklich etwas her machenden Produktionen zu finden waren, die diesem interessanten neuen High-Tech-Segment in der Heimkinotechnik zugleich Schub zu verleihen in der Lage gewesen wären. Ob gerade das Letztere nun mit Disneys Eine Weihnachtsgeschichte in überwältigendem Umfang eintritt, wage ich allerdings zu bezweifeln. Einen entscheidenden Impuls dürfte da wohl erst Avatar — Aufbruch nach Pandora auf 3D-Blu-ray bringen. Aber bis dahin ist Zemeckis’ Film, schon dank seines topklassigen Produktionsstandards in jedem Fall ein sehr feiner Appetizer für die neue Technik. Dagegen fallen die allermeisten der übrigen im Augenblick verfügbaren Produkte denn doch deutlich ab, wie der besonders technisch völlig verkorkste (da nicht original in 3D gedrehte, nur konvertierte) Kampf der Titanen oder das zwar visuell ordentlich gemachte, aber ansonsten arg inhaltsarme Animationsspektakel Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen, das sich ein wenig wie ein McDonalds- oder Burger-King-Werbefilmchen gibt.
Und schließlich hat Disney in Sachen 3D noch ein paar weitere interessante Dinge in der Pipe, die in nächster Zeit das noch junge Marktsegment bereichern werden: z. B. die erstklassig produzierten Pixar-Filme Oben, die Toy-Story-Trilogie oder auch Tim Burtons Alice im Wunderland. Last but not least wirft inzwischen auch die Fortsetzung von [url id=1895]Tron[/url] (1982), deren Trailer einen sehr vielversprechenden Vorgeschmack auf den neuen Film gibt, ihre Schatten voraus: Tron Legacy kommt allerdings doch nicht mehr zur diesjährigen Weihnachtssaison zurecht. Der Film geht nicht wie zuerst angekündigt am 17. Dezember, sondern erst am 27. Januar 2011 an den Kinostart.
Alan Silvestris Filmmusik zu Disney’s A Christmas Carol
Alan Silvestri ist praktisch der Hauskomponist von Regisseur Zemeckis. Unter den für Zemeckis komponierten Scores besetzt bei den Sammlern von Filmmusik der Erstling Zurück in die Zukunft (1985) einen nostalgischen Spitzenplatz. Aus der letzten Dekade sind allerdings in erster Linie seine energie- und adrenalingeladenen Vertonungen zu Filmen wie Die Mumie kehrt zurück (2001), Van Helsing (2004) oder auch die beiden recht netten Vertonungen Nachts im Museum (2006) und Nachts im Museum 2 (2008) geläufig.
A Christmas Carol rückt dafür wieder mehr die lyrische Seite des Komponisten ins Bewusstsein. Hier hat Silvestri einen sehr überzeugenden, gekonnt traditionell orientierten Weihnachtsscore vorgelegt, der es verdient hat auch abseits des Films gehört zu werden. Die Musik knüpft in gewissem Sinne bei der A-Christmas-Carol-Tonfilmtradition an, die der deutsche Emigrant Franz Waxman bereits 1938 mit A Christmas Carol einläutete. Waxman setzte das auf einer eingängigen Melodie von Mendelssohn-Bartholdy beruhende angelsächsische Weihnachtslied „Hark, The Herald Angels Sing“ ins Zentrum seiner Musik. Dasselbe tat auch Richard Addinsell in seiner besonders stimmungsvollen und feinen klassischen Filmmusik für die bereits erwähnte britische Verfilmung aus dem Jahr 1951, Scrooge • Charles Dickens — Eine Weihnachtsgeschichte (s. o.). Silvestri knüpft wiederum an diese auch von anderen Komponisten aufgegriffene Tradition an und stellt dem bekannten Lied noch eine eigene, sehr charmante Liedkomposition zur Seite, „God Bless Us Everyone“, die im Main Title nur instrumental erklingt. Entsprechend spendierte übrigens auch John Williams in Home Alone (1990) mit „Somewhere in My Memory“ ein eigenes spezielles Weihnachtslied. Und ähnlich wie Addinsell lässt auch Silvestri noch weitere traditionelle Weihnachtslieder in geschickt arrangierter Form auftauchen. Zwischendrin, in den turbulenten Actionteilen, erinnert die Musik stärker an Scores wie Mouse Hunt. Und in diesen Momenten hat man Gelegenheit, das englische Weihnachtslied „God Rest Ye Merry Gentlemen“ auch mal als Actionmotiv verwendet zu vernehmen.
Am Schluss bringt eine von Andrea Bocelli interpretierte Version des Weihnachtsliedes „God Bless Us Everyone“ sowohl den sehr unterhaltsamen Film als auch den überaus charmanten, traditionell farbig orchestrierten Silvestri’schen Weihnachtsscore gelungen zum Abschluss (Bewertung der leider nur als Download verfügbaren Musik: 4 Sterne).
Fazit: Mit Disneys Einstieg bei 3D Blu-ray kommt nun echte Dreidimensionalität ins bis dato noch recht flachbrüstige Softwareangebot. Robert Zemeckis’ Disney’s A Christmas Carol bietet eine stärker actionbetonte und auch düsterere Variante des aus unzähligen Film- und Fernsehadaptionen bekannten Stoffes als Animationsfilm. Das ist ganz besonders in 3D, dank der Makellosigkeit dieses Produkts, von spektakulärer Wirkung, besitzt aber auch in 2D annähernd Referenzqualität. Dabei vermag diese neue Adaption des ebenso klassischen wie zeitlos anrührenden Weihnachtsmärchens zugleich auch ihren Unterhaltungsauftrag durchaus zu erfüllen — und das nicht nur einmal. Allerdings Vorsicht! Der Film besitzt einige für Disney-Verhältnisse besonders düstere Szenen und setzt in den recht effektgeladenen Geistererscheinungen auch auf ein paar leicht gruselige „Schockeffekte“. Drum ist der auf dem Cover prangende FSK-12-Button durchaus berechtigt. Jüngere Zuschauer (mit oder ohne 3D-Brille) sollten daher nicht allein davor geparkt werden.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema „Blu-ray-Disc versus DVD“.
Dieser Artikel ist Teil unseres Spezialprogramms zum Jahresausklang 2010.
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