Seit dem 28. Oktober gibt es Disneys Die Schöne und das Biest (1991) auf DVD zu kaufen. Der 30. abendfüllende Zeichentrickfilm aus den Walt Disney Studios markiert nach den – mitunter zwar mit amüsanten und gaghaften (Tier-)Charakteren bevölkerten, zeichentricktechnisch aber eher blassen – Produktionen der 60er bis späten 80er Jahre einen ersten neuen Höhepunkt der Zeichentrickproduktion. Seit Mitte der 80er Jahre hat die Computertechnik Einzug in die Zeichentrickabteilungen gehalten. Bereits in Basil der Mäusedetektiv (1986) wurde mit Hilfe von Kollege Computer der Showdown im Zahnräderwerk von Big Ben getrickst, und in Falsches Spiel um Roger Rabbit (1988) veredelte er Figuren und Ausstattung, war z. B. für die Glitzer- und Schatteneffekte in Jessicas Kleid verantwortlich.
Im Kontext von Symbiose aus Zeichnung und computerunterstützten Effekten ist Die Schöne und das Biest nicht allein tricktechnisch sehr überzeugend. Durch seine besonders ausgeprägte Annäherung an die klassischen Meisterwerke des Studios ist der Film zudem ganz besonders charmant und bildgewaltig geraten. Der Prolog ist Dornröschen (1959) nachgestaltet, die durch den großen Saal tanzenden Besen rufen Micky als Zauberlehrling in Fantasia (1940) in Erinnerung und verschiedene Naturstimmungen spiegeln den Naturalismus von Bambi (1942) wider. Im Zusammenwirken mit den hier überaus sorgfältig und detailverliebt ausgemalten Hintergründen ist es der bislang überzeugendste moderne Vertreter dieser Filmgattung aus dem Hause Disney. Die Kulissen sind Gemälden von Fragonard und französischen Schlössern im Loire-Tal nachempfunden.
Das Grundkonzept der bekannten Geschichte ist in unzähligen Märchenmythen fast sämtlicher Kulturkreise anzutreffen. Mit Disney-typischer Leichtigkeit wurde die Fassung der französischen Romantikerin Madame Le Prince de Beaumont „La Belle et la Bête“ im Rahmen eines Musicals neu erzählt. Im dem Film zugrunde liegenden Skript ist die Handlung durch zusätzliche Figuren (hier „belebte Gegenstände“, wie eine Standuhr „von Unruh“ etc.) ergänzt und zugleich mit ironischen Elementen angereichert – wobei diese Figuren überzeugend aus der ebenfalls „verwunschenen“ Dienerschaft des Schlosses rekrutiert worden sind.
Der alte Märchenstoff ist damit jedoch nicht allein gelungen aufgepeppt, sondern in Teilen ebenso überzeugend psychologisiert worden. Die klassischen Vorgängerinnen der weiblichen Hauptfigur der Geschichte um Die Schöne und das Biest, Belle, Schneewittchen und Cinderella, wirken heutzutage schnell etwas unzeitgemäß stilisiert und damit ein wenig blutleer. Belle hingegen agiert (behutsam) emanzipiert, hat mehr Profil bekommen. Der Belle umwerbende attraktive Schönling Gaston, ein sportlicher und bodygestylter Macho wirkt ein wenig wie eine witzig-ironische Spiegelung des amerikanischen Traumtyps. Sein schurkisches Wesen ist (Disney-untypisch) nicht von Anfang an präsent, sondern tritt erst im Verlauf der Handlung klar hervor.
Die Annäherung der Protagonisten ist von der inzwischen übertrieben erscheinenden, schnell zum Kitsch tendierenden Romantik der Vorlage entschlackt. Die Handlung wirkt vielmehr lebendig und ist von spritzigen Dialogen eingefasst: So z.B. die Überraschung und Rührung des Biestes, als sich die vor den Wölfen errettete Belle, beim Versorgen der Biss- und Kratzwunden der etwas wehleidigen Bestie, inmitten eines Streitgesprächs plötzlich für ihre Rettung bedankt. Insgesamt werden die romantischen Elemente etwas zurückgenommen, aber zugleich geschickt pointiert und humorvoll aufgepeppt. Das Biest erinnert im Habitus ein wenig an eine verwilderte Version des Zwergs Brummbär aus Schneewittchen, ist zum einen bedrohliches, aggressives Monster und zum anderen vor dem ersten Rendezvous zugleich von Schüchternheit und Nervosität geplagt. Die tiefe Romantik der krönenden Walzerszene wirkt somit geradezu erlösend und läuft damit nicht Gefahr, als kitschig empfunden zu werden.
Zur sympathisch erzählten Geschichte kommt noch die zeichentricktechnische Perfektion hinzu. Seit Pinocchio und Fantasia wirkte kein Zeichentrickfilm vergleichbar räumlich. Dank der Computertricks sind heutzutage Kamerazooms und -fahrten möglich, die in Ihrer Komplexität sogar über das im Realfilm Mögliche hinausgehen. In Die Schöne und das Biest wirken Hintergründe fast immer überzeugend räumlich. So beeindruckt das verzauberte Schloss nicht allein durch die surrealen Perspektiven, es besitzt überzeugend Tiefe und Größe. Während der Walzerszene fährt die Kamera (scheinbar) durch den großen Saal, wirken der große vielarmige Kronleuchter sowie Säulen und Gegenstände überaus faszinierend plastisch. Gerade bei den Kamerafahrten und -zooms gibt es Momente von geradezu verblüffender Plastizität, die selbst mit der bereits in den 30er Jahren ausgeklügelten Multiplantechnik (siehe auch das Fantasia-Special) nicht machbar wären.
Die Liedeinlagen (mit Texten von Howard Ashman) sind durchweg gelungen und gehen dank ihres Charmes gut ins Ohr, verschmelzen mit der Hintergrundmusik von Alan Menken zu einem überzeugenden Ganzen, das dem Film zusätzlichen Reiz verleiht.
Disneys Die Schöne und das Biest ist eine klare Hommage an die (handvoll) wahrer Meisterwerke des Studios, die fast ausnahmslos in den späten 30er und 40er Jahren zu finden sind. Ein Film, der, wie lange nicht mehr, Augen und Ohren zu bezaubern vermag.
Der Film auf DVD
Disneys Special Edition von Die Schöne und das Biest bietet den Film mit einer zusätzlichen Szene, die um einen weiteren Song (der Broadway-Musical-Version) von Alan Menken, „Mensch wieder sein“ gestaltet worden ist. Der Film wird in erstklassiger Qualität präsentiert, das Bild ist tadellos und auch die Tonkulisse überzeugt, hat allerdings an stereofonischen Surround-Effekten nichts zu bieten.
Neben der einfachen Special Edition ist auch eine Deluxe-Version auf zwei DVDs mit erheblich erweitertem Zusatzmaterial erhältlich. Mir lag leider nur die Einzel-DVD-Version vor, deren eher sparsame Beigaben sind: (als Bestes) ein recht gut gemachtes rund 10-minütiges Making of, das bei eingeblendeter Micky Maus zusätzlich abrufbare, ergänzende Informationen (speziell für Kinder aufbereitet) bereithält. Neben zwei ordentlichen Spielen für die Kids gibt’s noch den erfolgreichen Titelsong in zwei unterschiedlichen Versionen: die Pop-Variante mit Celine Dion und Peabo Bryson sowie die Disco-Version mit „Jump 5“. Beim Segment „Die Geschichte der Disney-Meisterwerke“ handelt es sich um reine Promotion für diverse Disney-Zeichentrickfilme. Durch das bei Disney häufig anzutreffende, pauschal und penetrant-nervige Meisterwerkgehabe ist es letztlich nur lächerlicher, ja peinlicher Werberummel!
Mehrteilige Rezension:
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