Auch Staudtes Adaptation von Heinrich Manns (vor dem ersten Weltkrieg fertiggestellten) Roman ist ein bedeutender Film geworden, zählt klar zu den Sternstunden der DEFA. Manns Buch ist eine bissig überspitzte Satire über den Untertanengeist und beinhaltet die autoritäre Sozialisation der Bürger der Wilhelminischen Ära durch die Schule und ganz besonders durch den Militärdienst. Nach oben opportunistisch katzbuckeln und nach unten (brutal) treten, das ist das Profil des Diederich Heßling, den Werner Peters brillant verkörpert. In der Visualisierung zieht der Regisseur alle Register und bedient sich dabei auch kabarettistischer Mittel und Effekte. Insbesondere die Kameraperspektiven sind dafür bezeichnend und von oftmals gewollter extremer Künstlichkeit. Den Höhepunkt bietet die groteske Szene zwischen dem Kaiser und (s)einem Untertan in Rom: Die Kamera beobachtet von oben herab, teilweise durch die großen Speichen der Räder der fahrenden Kutsche hindurch, den neben dem Fahrzeug sich fortwährend devot verbeugenden im Laufschritt herlaufenden Diederich, der seinen Monarchen dazu noch ununterbrochen hochleben lässt.
Wolfgang Staudtes Film deutet aber auch elegant die Kontinuität der Entwicklung und die Konsequenzen des Untertanengeists an, die klar über den Zusammenbruch des Kaiserreiches hinaus, bis in die nationalsozialistische Epoche des „Tausendjährigen Reiches“ reichten. Menschen vom Typus des Diederich Heßling, sind unkritische reine Befehlsempfänger, die für überzogen autoritäre Strukturen und Machtmissbrauch stehen. Ein nicht einfach nur lächerlicher, sondern zugleich gefährlicher Menschenschlag, der menschenverachtendes Verhalten, damit Krieg und im schlimmsten Falle auch im Namen einer „höheren Ordnung“ begangene Verbrechen wie den Holocaust begünstigt oder sogar aktiv unterstützt hat. Die finale Denkmalsszene (Einweihung einer Reiterstatue des Kaisers) deutet dies an: In einer geschickten Bild-Ton-Montage wird das Kaiserdenkmal von schwarzen Gewitterwolken verhüllt, es erklingen Nazi-Kriegs-Wochenschau-Fanfaren und wenn sich die Szenerie wieder erhellt, liegen Stadt und Denkmal in Trümmern. Eine Stimme aus dem Off spricht dazu: „So sprach damals Diederich Heßling und noch viele andere nach ihm, bis auf den heutigen Tag!“
Dass der Untertanengeist sogar über den Zusammenbruch Nazideutschlands hinaus reichte, zeigt sich daran, dass Staudtes Film in der bundesrepublikanischen Wirklichkeit der Adenauer-Ära erst 1956 und nur in (um 12 Minuten) beschnittener Fassung freigegeben worden ist. Auch in der DDR war der Film zwar anfänglich nicht unumstritten, trotzdem wurde sein hoher Rang erkannt und sowohl Regisseur als auch Hauptdarsteller beide mit dem Nationalpreis der DDR ausgezeichnet. Im so genannten Goldenen Westen erhielt der von konservativen Kreisen zuerst aufs heftigste attackierte Film dann doch das Prädikat „besonders wertvoll“. Bis er ungekürzt gezeigt werden konnte, mussten aber nochmals rund 30 Jahre vergehen.
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