Der letzte Mohikaner entstand 1964 in der Gegend des südspanischen Almeria, dort, wo auch die Italo-Western produziert worden sind. Harald Reinl, der für immerhin vier der überzeugendsten Streifen des von verschiedenen — federführend deutschen — Köchen zubereiteten berühmten Serien-Franchise der 1960er, der Karl-May-Filmwelle, verantwortlich zeichnet, hat hier eine eher schwache, völlig routinierte Leistung abgeliefert.
Gegenüber der gleichnamigen berühmten Romanvorlage nahmen sich die Drehbuchautoren, gelinde gesagt, besonders große Freiheiten heraus. Die im Roman um die Mitte des 18. Jahrhunderts im Nordamerika der britischen Kolonien angesiedelte Handlung wurde nicht nur um ca. 120 Jahre weiter, in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, verlegt. Auch der im Original im späteren US-Bundesstaat New York angesiedelte Schauplatz wurde einfach in den Westen verfrachtet, und damit sind nicht nur aus den britischen Rotröcken US-Blauröcke geworden. Die Wald- und Flussindianer des Romans wurden damit allesamt zu klischeehaften Prärieindianern gemacht. Der im Original bedeutsame Vater von Uncas, dem letzten Mohikaner, Chingachcook, wird direkt zu Beginn aus der Handlung entfernt. Die dahinter stehende Absicht ist simpel: Uncas und Falkenauge werden zu schlechten Kopien von Winnetou bzw. Old Shatterhand degradiert. Entsprechend aufgesetzt wirkt die von ihnen gebetsmühlenartig vorgetragene Friedensbotschaft zwischen dem Weißen und dem Roten Mann.
Was dem Freund von James Fenimore Coopers berühmter Romanpentalogie „Der Lederstrumpf“ bereits als recht bedenklich erscheinen dürfte, wird spätestens in der filmischen Umsetzung zur besonders zweifelhaft geratenen „deutschen“ Westernunterhaltung. Was man auf der in Teilen liebevoll produzierten Koch-Media-DVD-Edition erblickt, ist streng genommen ein sehr flauer Nachzieher der Karl-May-Welle, einer, der schon extrem auf Der Schatz im Silbersee (1962) schielt.
Auch hier geht es um einen „Schatz“. Allerdings nicht um den des besagten Silbersees, sondern dieses Mal um das Gold der Armee, auf das Banditen scharf sind. Aus dem britischen Militärstützpunkt Coopers, Fort William Henry, wurde praktisch eine 1:1-Replik der Butler-Farm, verpflanzt aus dem besagten Der Schatz im Silbersee: die ihrem Vorbild verflixt ähnliche Munroe-Farm eben. Tja, und der Rest? Der wiederum ist eher lach- denn westernhaft. Garniert wird mit viel Piff-Paff-Äkschen, Pyrotechnik sowie einer „US-Kavallerie made in Germany“, die weder passabel eingekleidet ist noch es wenigstens halbwegs versteht, in militärischen Formationen zu reiten. Wenn buchstäblich in letzter Minute die Blauröcke zum Entsatz anrücken, nimmt sich dies wie ein von den Banditen kaum zu unterscheidendes „Wild Bunch“ aus. Aber was will man auch erwarten, wenn der Militärstützpunkt, aus dem die Rettung naht, in gar schröcklicher deutscher Western-Naivität der 60er als „Fort Westernhill“ bezeichnet wird?
Alles in allem handelt es sich eher um einen recht platt von Der Schatz im Silbersee inspirierten Westernklamauk, aber eben nicht um eine zwar sehr freie, aber dennoch akzeptable Umsetzung des Cooper-Romans. Das Sakrileg mit den in die Prärie verpflanzten Irokesen nimmt sich gegenüber den übrigen Entstellungen sogar noch relativ undramatisch aus. Zu den bereits genannten diversen Verfälschungen wird nämlich noch eine weitere einschneidende obendrauf gesetzt, eine, die bereits das deutsche Plakatmotiv andeutet. Das Drehbuch rückt nämlich als Liebespaar das Duo Karin Dor (Cora) und Joachim Fuchsberger (Hauptmann Hayward) gegenüber der Romanze zwischen dem letzten Mohikaner Unkas (Dan Martin) und Alice (Marie France), neben Cora zweites Töchterlein des Ex-Obersten Munroe (Karl Lange), kräftig in den Vordergrund. Für den üblichen „Kraut-Humor“ ist dieses Mal Kurt Großknuth als Kavallerie-Koch zuständig. Selbst an einem verregneten Sonntagnachmittag eingelegt, ist das alles insgesamt zu bieder, stümperhaft und daher ermüdend. Die nur wenige Jahre später im Rahmen der ZDF-Advents-Vierteiler Die Lederstrumpf Erzählungen, zu sehende Mohikaner-Version vermag zwar Michael Manns vorzüglicher 1992er Verfilmung nicht das Wasser zu reichen. Harald Reinls Abklatsch ist sie aber eindeutig über.
Selbst mit viel gutem Willen ist diese teutonisierte Ausgabe des laut vollmundiger Filmwerbung größten Abenteuers aus „Lederstrumpf“ wohl eher etwas, mit dem eingeschworene Karl-May-Filmfans noch am meisten anfangen können. Und speziell auf entsprechende Fan-Klientel ist die gesamte DVD-Edition sichtbar zugeschnitten. Besonders ins Auge fällt dabei das 28-seitige sehr informative und auch optisch ansprechend gestaltete, farbig bebilderte Begleitheft. Darin finden sich ausführliche Infos zum Film, angefangen beim Drehbuch, den Drehorten, den Filmvorbereitungen, den Dreharbeiten und natürlich den Darstellern. Ebenso sind ein Absatz zur Filmmusik von Peter Thomas und Auszüge aus diversen Filmkritiken vertreten. Was dieser recht üppigen Zugabe allerdings komplett fehlt, ist eine kritische Sichtweise. Nun, Derartiges kommt bei mancherlei Fans ja eh nicht so gut an …
Einiges Bemühen ist auch beim Bonusmaterial der DVD erkennbar. Neben einer umfangreichen Bildergalerie gibt’s den originalen, knapp vierminütigen Constantin-Trailer im korrekten Bildformat und in ordentlicher Qualität zu sehen. Hinzu kommt ein typisches Relikt der 1960er Jahre, der Prä-Video-Ära: nämlich eine auf knapp 32 Minuten (von rund 90 Kinominuten) und damit auf die Äkschen-Highlights gestutzte Super-8-Kurzfassung. Dieses betagte Souvenir ist allerdings von sehr bescheidener Bild- und Tonqualität. Neben arg mauer Schärfe sind die originalen Farben weitgehend dahin und das Bild ist anstelle des originalen TechniScope-Formats (1 : 2,35) an den Seiten kräftig, nämlich auf Normalformat (1 : 1,33) beschnitten.
Speziell für Filmmusikfreunde findet sich ein aus dem Jahr 2007 stammendes, etwas improvisiert wirkendes Video-Interview von knapp 20 Minuten mit dem Komponisten Peter Thomas. Hierfür zeichnet Arild Rafalzik verantwortlich, der auch Autor der soliden Begleithefttexte ist. Peter Thomas, dessen teilweise durchaus experimenteller Edgar-Wallace-Sound den meisten Lesern am bekanntesten sein dürfte, wandelt hier zumindest drollig auf ungewohnten Pfaden. Seinerzeit veröffentlichte das Telefunken-Label eine LP, die mit auf jeweils einer LP-Seite untergebrachten Suiten aus Der letzte Mohikaner sowie Durchs wilde Kurdistan (Raimund Rosenberger) aufwartet. Wie man im Interview erfährt, ist diese Langspielplatte heutzutage eine mit bis zu ca. 500 hoch gehandelte Rarität. Wer da nicht mithalten mag, für den hält Bear Family bereits seit 2002 die sogar vollständige Filmmusik auf einem sorgfältig produzierten CD-Album bereit — siehe dazu Western: „Made in Germany and DDR“.
Aus gutem Grund komme ich erst am Schluss zum zentralen Punkt der Edition, nämlich dem auf DVD transferierten Film selbst. Hier steht leider nicht alles zum Besten. Zwar erscheint das Bild erfreulicherweise im korrekten Scopeformat (1 : 2,35). Neben etwas matten, meist ins Gelb-Bräunliche tendierenden Farben (besonders deutlich in den Gesichtern) sind weitere Defizite unübersehbar. Außer dem durchweg etwas flauen Schärfeeindruck fällt besonders auf den zweiten Blick der eingeschränkte Kontrastumfang zusammen mit der recht bescheidenen Auflösung ins Auge. Anstelle eines von vielfältig abgestuftem Kontrast und Detailfreudigkeit geprägten Bildes, ist dieses hier merkwürdig stumpf, wirkt fahl und überhaupt zu dunkel. Feinheiten sind merklich eingeebnet oder gehen im Schwarz schlichtweg unter. Unterm Strich ist der Bildeindruck nun sicher keine totale Katastrophe, aber ihm fehlt doch ein ganz beträchtliches Quantum an Brillanz. Etwas besser schneidet in diesem Punkt noch eine im endgültigen Schnitt nur gekürzt enthaltene kleine „deleted scene“ in der Boni-Sektion ab. Allerdings stimmt bei dieser das Bildformat nicht: Es ist in der Höhe beschnitten. Einen insgesamt soliden Eindruck hinterlässt dafür wiederum die (deutsche) Mono-Tonspur. Mit einer kleinen Einschränkung: Die den Film eröffnende Constantin-Fanfare scheppert fürchterlich, erschallt beträchtlich verzerrt aus den heimischen Boxen.
Fazit: Eher flaue deutsche Westernunterhaltung der 1960er in ansprechender DVD-Präsentation, leider in etwas bescheiden geratener Bildqualität.
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