Prokofjew-Ballette auf cpo, I-III
Für die biblische Geschichte vom verlorenen Sohn, „Lenfant prodigue“, wählte Prokofjew eine primär lyrisch gehaltene Tonsprache. Diese Musik gestaltete der Komponist anschließend übrigens noch zweimal neu: zu den beiden Versionen seiner vierten Sinfonie aus den Jahren 1930 und 1947. „Sur le Borysthène (Am Dnjepr)“ entstand unter recht ungewöhnlichen, geradezu abstrakten Umständen; nicht ausgehend von einem geeigneten Sujet, das musikalisch und tänzerisch gestaltet werden sollte, sondern ausgehend von einer Abfolge verschiedener tänzerischer Elemente und Stimmungen, nach denen die Musik konzipiert wurde. Die Handlung wurde ganz zum Schluss hinzuerdacht. Dies sollte den Hörer aber ebenso wenig irritieren, wie die zu dem schnell von der Bildfläche verschwundenen Werk oftmals zu lesenden Verrisse. Hier gilt das bereits oben Geschriebene: man sollte sich getrost allein auf die Musik konzentrieren. Etwas, das man auch für den seinerzeit als viel zu grotesk empfundenen „Le Chout“ empfehlen darf, der aus besonders spritziger, einfallsreicher und zugleich parodistischer Musik besteht.
Die dritte cpo-Veröffentlichung mit Ballettmusiken Prokofjews bietet neben dem Ballett „Am Dnjepr“ noch die bekannte sinfonische Suite aus der Filmmusik zu Leutnant Kishe (Kijé) und die (auf dem Cover fälschlich als Ballettsuite ausgewiesene) Suite aus der Oper „Semyon Kotko“. Die überaus witzige und im Finale collagenhaft wirkende Filmmusik-Suite enthält sogar eine Überraschung: zwei Stücke (Romanze und Troika) sind neben der geläufigen orchestralen Fassung auch in einer gesungenen Version enthalten. (Eckhardt van den Hoogen, Autor der sehr lesenswerten, frischen, mitunter provozierenden Begleithefttexte, beleuchtet Prokofjews Lebensweg und Schaffen modern-kritisch. Er vermerkt zu Leutnant Kishe sogar, der angeblich 1933 uraufgeführte Streifen sei nie vollendet worden!) „Semyon Kotko“ ist zwar als Sujet pure realsozialistische Parteikitschsoße, aber die Musik erweist sich darüber als erhaben, ist ideenreich und vielschichtig gestaltet.
Michail Jurowski und die Mitglieder des WDR-Sinfonieorchesters setzen all diese Werke dank engagierter Darbietung exakt in das rechte Licht, das sie brauchen, um ihre Wirkung optimal zu entfalten. Dabei unterstützt sie eine hervorragende Aufnahmetechnik, die alle Raffinessen hörbar werden lässt, aber ebenso die jeweilige Atmosphäre dieser sehr gut und farbig instrumentierten Werke fühlbar macht. Es ist sehr erfreulich, dass diese bereits in den Jahren 1996-1998 für das Archiv des WDR vorgenommenen Einspielungen jetzt auch für das heimische Archiv zur Verfügung stehen.
Mehrteilige Rezension:
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