Karl May DVD Collection I

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
24. Dezember 2005
Abgelegt unter:
DVD

Karl-May DVD Collections I — III

Die Karl-May-Filme der 1960er liegen offenbar weiterhin im Nostalgie-Trend. Dies belegen die recht liebevoll ausgestatteten drei Karl-May-DVD-Collections von Universum Film, die im Frühjahr 2005 auf dem Markt erschienen sind. Jede der drei Boxen ist im Design den originalen Karl-May-Buchausgaben angenähert: dunkelgrün gehalten und mit echtem Leinen überzogen. Neben den bereits 2000 von Kinowelt in sehr gut editierten Einzel-DVD-Ausgaben herausgebrachten vier Harald-Reinl-Filme (Winnetou I — III und Der Schatz im Silbersee) liegen damit jetzt sämtliche der insgesamt elf Karl-May-Western mit Pierre Brice als Winnetou auf DVD vor. Old Shatterhand und Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten sind derzeit allerdings nur in den recht unzulänglichen Polyband-Editionen greifbar.

Zu den nach den vier Harald-Reinl-Verfilmungen entstandenen weiteren Karl-May-Western bleibt dem bereits im 2000er Artikel Angemerkten nichts Wesentliches hinzuzufügen. Die nachgereichten Karl-May-Kinoabenteuer liegen generell merklich hinter den Produktionen Reinls und werden außerdem innerhalb der Reihe immer blasser. Immerhin ist die quasi „Old-Surehand-Trilogie“ (Unter Geiern, Der Ölprinz und Old Surehand) noch recht ansehnlich. Nicht zuletzt die Auftritte des späterhin mit Enzo Barbonis Hallelujah-Streifen zum Star avancierten Mario Girotti alias Terence Hill (erstmalig in Winnetou II zu sehen) verleihen in der Rückschau den Streifen ein zusätzliches Quäntchen Charme. Entsprechendes gilt auch für Heinz Erhardt in Der Ölprinz.

Bei Winnetou und das Halbblut Apanatschi ist erfreulicherweise seit langem erstmals wieder der originale Rollenvorspann zu sehen, was den Film allerdings nicht zu retten vermag. Zusammen mit Winnetou und sein Freund Old Firehand markieren beide Filme Tiefpunkte der Karl-May-Western-Welle der 1960er. Wobei der Letztgenannte gar der Bescheidenste der ganzen Reihe überhaupt ist. Man hat den Eindruck eines rein auf Action getrimmten Baller-Spektakels in billiger Italo-Western-Manier, ohne dass im kruden Skript auch nur noch ein Hauch von Karl May spürbar ist. Hier soll offenbar die Blässe der Darsteller, die grobe Lächerlichkeit, ja Peinlichkeit der Stunts (dagegen ist selbst das Piff-Paff in Der Schatz im Silbersee fast noch Gold) und überhaupt die eklatant schwache Handlung durch andauernd die Scope-Leinwand füllende Feuerbälle irgendwelcher Explosionen kaschiert werden. War Ähnliches in Winnetou II und Old Shatterhand nur punktuell und noch einigermaßen passabel in die Handlung integriert, hat Winnetou und sein Freund Old Firehand über pure Effektheischerei hinaus kaum noch etwas aufzubieten. Wahrhaft zutreffend ist in diesem Falle die Werbung auf dem deutschen Plakatmotiv: „Der wahrhaft explosivste unter den Karl-May-Filmen!“

Sämtliche neun in den drei Collections-Boxen vertretenen Filme sind in der vollständigen deutschen Schnittfassung und in Bild und Ton sorgfältig restaurierter Form vertreten. Das Bild der vier Harald-Reinl-Filme ist praktisch identisch mit dem der Kinowelteditionen und auch die anderen fünf brauchen sich erfreulicherweise hinter den hohen Standards bei der Bildqualität besagter Ausgaben nicht zu verstecken. Entsprechend ist der Bildeindruck durchweg sehr scharf und detailliert, die Farben stimmig, oftmals satt und leuchtend. Nur hier und da sind leichter Griesel und einzelne Artefakte zu beobachten. Der auf dem TV-Schirm sichtbare Bildausschnitt sämtlicher neun Filme ist praktisch identisch und entspricht (nur) annähernd dem korrekten Bild-Seitenverhältnis für CinemaScope (1: 2,35) — der an den Seiten resultierende Bildverlust ist allerdings nur geringfügig.

Den deutschen Ton gibt’s in sauberem Mono und (bis auf Winnetou und sein Freund Old Firehand) zusätzlich in einem künstlich stereophon aufgeblasenen UpMix. Letzteres zu tun ist nicht unproblematisch und besonders bei den fünf jetzt erstmalig veröffentlichten Filmen gibt es zum Teil (besonders) in der Musik hörbare Artefakte. Ob man sich mit den stellenweise recht ansprechenden Raumeffekten anfreunden oder doch lieber beim originalen Mono bleiben möchte, ist letztlich Geschmacksache. Wer sich über die teilweise störenden klanglichen Beeinträchtigungen in der Musik ärgert, aber doch mehr als den etwas flach anmutenden Mono-Mix möchte, dem empfehle ich den Ton durch Einbeziehen der hinteren Kanäle behutsam zu verräumlichen. Die meisten Raumklangprozessoren für das Heimkino haben diese Funktion als „Mono-Movie“ oder ähnlich implantiert.

Erfreulicherweise kann man zu sämtlichen Filmen jetzt erstmalig eine englische (mitunter etwas blasser klingende) Sprachversion anwählen, die wohl den allerdings merklich gekürzten US-Fassungen entspricht. Entsprechend sind die in der jeweiligen deutschen Fassung darüber hinaus enthaltenen Szenen mit dem deutschen Ton versehen. Damit sind die Kürzungen leicht auszumachen. In der Regel betreffen diese den in den USA verpönten „Kraut-Humor“ der Blödeleinlagen eines Eddie Arent und Ralf Wolter.

Das jeweils auf der dritten DVD einer jeden Box vorhandene Bonusmaterial besteht aus originalen Kinotrailern, Wochenschauberichten zu den Dreharbeiten, einer Fotogalerie sowie einem besonders ansprechenden Filmfehler-Quiz. Die auf alle drei Collectionen verteilte Interview-Dokumentation mit den Darstellern ist allerdings nicht exklusiv für diese DVD-Edition erstellt, sondern ist einer ZDF-Doku entnommen.

Bei den drei Filmen mit Stewart Granger im Box-Set II, die quasi eine Old-Surehand-Trilogie bilden, gibt’s zu Der Ölprinz ein Segment, das allerdings allein die Restaurationsarbeit zum Retouchieren eines auf der Kameraoptik befindlichen Haares beleuchtet. Dabei hat man zwar das deutlich störende lange Haar (allerdings eher leidlich denn professionell) entfernt, aber kurioserweise eine ebenfalls vorhandene kleinere Verschmutzung links daneben belassen. Ansonsten ist zum Thema Restaurationsarbeiten, im Gegensatz zu den Kinowelt-Editionen, leider nichts vorhanden.

Zwar nicht sonderlich originell, aber als nett gemachte Kultpflege durchaus akzeptabel sind die drei jeweils 20-seitigen Begleithefte geraten: In jedem sind die ersten beiden Seiten mit dem „Karl-May-Portrait“ und den „Anmerkungen zum Restaurationsprozess“ identisch. Der Rest besteht jeweils aus collageartig montierten Materialien, die seinerzeit zu den Filmen veröffentlicht worden sind: neben Plakatmotiven und Aushangfotos finden sich überwiegend Bilder und dazu eingestreut knappere Texte aus diversen zeitgenössischen Pressematerialien. Außerdem gibt’s in jedem Heft Anmerkungen zu den Drehorten von Michael Petzel. Wer hierzu eingehendere Informationen und Hintergründe erfahren möchte, wird im Buch „Der Weg zum Silbersee“ fündig. Und ebenfalls auf einer Doppelseite pro Heft gibt Michael Eckert von TV-Movie ein wenig Nostalgisches zum Karl-May-Film-Phänomen der 60er zum Besten, wie „Alle lieben Winnetou“.

Ein kleines Kuriosum erhält der Kunde kostenlos mitgeliefert: Die Unterteile aller drei Boxen sind mehr oder weniger leicht schief. Das bedeutet in der Konsequenz: Sie können nur seitlich abgestützt im Regal aufrecht hingestellt werden, ansonsten kippen sie (nach rechts) um …

Summa Sumarum kann die dreiteilige Karl-May-DVD-Collection, die alle neun Winnetou-Abenteuer der Rialto-Film unter einem Dach vereint, neben einigen kleineren Schwächen überwiegend mit Stärken punkten. Besonders das durchweg sehr gute Bild macht einigen Eindruck. Gegenüber den respektablen jüngeren TV-Ausstrahlungen, denen vermutlich dieselben Vorlagen zugrunde lagen, ist die Bildqualität von DVD durchweg noch ein Stückchen besser. Der Liebhaber dürfte also unterm Strich den Kauf nicht bereuen.

„Wilder Westen — Heisser Orient“

Bear Family hat es der Freund der Karl-May-Filmmusiken zu verdanken, die wohl umfassendste Musik-Kollektion zum Thema in einem großformatigen luxuriösen Box-Set vereint erwerben zu können. „Wilder Westen — Heisser Orient“ umfasst Musik aus sämtlichen Karl-May-Filmproduktionen von 1936 bis 1968 auf insgesamt 8 CDs, platziert in vier platzsparenden (slimline) Doppel-CD-Boxen.

Die vier Doppel-CD-Sets bilden in je zwei Sets neben- und untereinander angeordnet das Herzstück der Box. Darauf platziert befindet sich ein entsprechend großformatiger Farb-Bildband von knapp 200 Seiten Umfang, der zu sämtlichen Filmen mit Inhaltsangaben und umfangreichem Bildmaterial aufwartet. Da finden sich neben Aushangfotos verschiedenste Plakatmotive aus dem In- und Ausland. Die Qualität der Reproduktionen ist (natürlich abhängig von der der Vorlagen) aber durchweg vorzüglich. Schmunzeln machen die Texte der Inhaltsangaben. Offenbar 1:1 aus alten Pressematerialien übernommen, zeigen sie mitunter merkwürdig eingedeutschte Schreibweisen, wie „Cornel“ anstatt „Colonel“.

In der Aufmachung steht das Buch in erster Linie zum visuellen Genießen einladenden Bildbänden sehr nahe, wie „Das grosse Album der Karl-May-Filme“ oder „Graphische Träume — 800 Filmplakate deutscher und internationaler Produktionen“. Entsprechend hat auch hier das nostalgische Schwelgen in massiert vorhandenem Bildmaterial absolute Priorität. Hier soll eindeutig der Fan-Kult bedient werden, was, sowohl mit passender Musik von den CDs begleitet, als auch einfach so, zweifellos sehr gut funktioniert. Auch wenn manch einem kritischere Texte zu den Filmen fehlen mögen, das Studium der regional deutlich unterschiedlichen Plakatmotive ist interessant und aufschlussreich. So erkennt man die im Ausland häufig deutlich stärker an den Italo-Western angenäherte Vermarktung, z. B. bei Der Schatz der Azteken und Winnetou und sein Freund Old Firehand. Kleine Komponistenbiografien (inklusive Porträt) sowie ausführliche Tracklistings zu den CDs runden das Gefühl liebevoll und kompetent aufbereiteter Nostalgie stimmig ab.

Im Buch findet sich quasi zum Einstimmen ein netter Fan-Artikel von Karl-Heinz Becker, „Im Land der Träume und Klänge“, in dem dieser von seinen Jugenderfahrungen in Sachen Karl-May im Kino und auf Tonträger berichtet. Allerdings war Becker dabei nicht immer ein Hörerlebnis „mit glühenden Wangen und roten Ohren“ vergönnt, da einige der Filmmusiken seinerzeit eben nicht veröffentlicht worden sind. Hier schaffen die vier Doppel-CD-Sets in einem Maße Abhilfe, das auch eingefleischten Fans als kaum noch steigerbar erscheinen dürfte. Zwangsläufig sind von den frühen Ausflügen in das Genre nur kurze, kaum prägnante Musik-Fragmente in Form von Bonustracks vorhanden: Direkt abgenommen von der Lichttonspur sind jeweils Vor- und Abspannmusik aus Gottfried Huppertzs Musik zu Durch die Wüste (1936) und ebenso Angelo Francesco Lavagninos Das Vermächtnis des Inka (1966). Bei „Wüstenreiter“ von Ulrich Sommerlatte handelt es sich um ein ansprechendes melodisches Trompetenthema, dass möglicherweise gar ein wenig Wegbereiter für den in den 60ern recht populären Il-Silenzio-Sound gewesen sein mag. Es stammt aus Die Sklavenkarawane (1958) und ist von einer EP (einer Maxi-Single der Vinyl-Ära) transferiert worden. Während besonders der Huppertz-Schnipsel zwangsläufig stark antiquiert klingt, können die übrigen vertretenen Musiken in technisch befriedigender bis annähernd sehr guter Tonqualität genossen werden. Erfreulicherweise erklingt die Musik nicht nur zu einem großen Teil in Stereo, sondern ist (soweit ehedem auf LPs veröffentlicht) in den meisten Fällen deutlich verlängert und dabei wohl zugleich annähernd komplettiert worden.

Den bereits im 2000er Karl-May-Special gemachten Anmerkungen zu den Musiken Martin Böttchers bleibt kaum etwas hinzuzufügen. Die Synthese aus Mantovani-Streicherklang plus Hilly-Billy-Western-Music, gelegentlich gewürzt mit einer Prise Pop, ist eben nicht wirklich vielseitig. Abseits der mitunter einfach schönen, liedartigen Melodien und einzelnen besonders hübsch auskomponierten kleinen Perlen, bleibt es in der Fülle des hier zu Hörenden unterm Strich beim oftmals netten, aber (besonders auf Dauer) eben doch sehr uniformen Böttcher-Einheitssound (Wertung: 2-3 Sterne). Kontrast dazu bieten die sympathisch geratenen Ausflüge des Wieners Erwin Halletz in Karl Mays Mexikoabenteuer Der Schatz der Azteken und Die Pyramide des Sonnengottes. Hier finden sich ebenfalls einprägsame Themen, eingebettet in ein stimmungsvoll gestaltetes klangliches Umfeld und außerdem sehr ansprechend mexikanisch-folkloristisch eingefärbte Teile. Und neben einem im Stil des 18. Jahrhunderts gehaltenen Cembalo-Stück für eine Dinner-Szene gibt’s last but not least einen schmissigen Marsch für die französischen Truppen Maximilians von Mexiko. Dieser Marsch für die Armee der Okkupanten wirkt unfreiwillig ironisierend, verwendet die einleitende Fanfare doch die Eröffnungsphrase der Marseillaise, welche doch wohl das musikalische Freiheitssymbol schlechthin ist. Etwas nivellierend wirken hingegen die schlichter ausgeführten Action-Passagen, in denen in der Rhythmik kurzzeitig auch Bernsteins Die glorreichen Sieben hindurchlugen (Wertung: 3 bis 3½ Sterne) — siehe auch „Deutsche Filmkomponisten“.

Raimund Rosenbergers Vertonungen zu Durchs wilde Kurdistan und Im Reiche des silbernen Löwen und die Musik von Peter Thomas zu Winnetou und sein Freund Old Firehand stehen besonders in den Actionpassagen stilistisch sehr dicht beieinander. Beide Kompositionen sind besonders ausgeprägt der Tanzmusik ihrer Zeit verpflichtet. Wobei Rosenberger mit seinem Hauptthema sogar (wenn auch nur ansatzweise) quasi leitmotivisch arbeitet und außerdem auf passendes pseudo-orientalisches Klangkolorit setzt. Beim Peter-Thomas-Sound passieren Raumpatrouille, die Edgar-Wallace-Filmmusiken und ebenso ein Hauch von Italowestern Revue (Wertung für Rosenberger und Thomas: 2 bis 3 Sterne). Auch Halletz ist zwar klar hörbar Unterhaltungs- und Tanzmusiker; im Umgang mit dem Orchester ist er aber im Vergleich mit seinen Kollegen Böttcher, Thomas und Rosenberger eindeutig der Pfiffigste.

Auch wenn die Musiken zum deutschen Karl-May-Filmkult (einigermaßen objektiv betrachtet) nicht in den ganz hohen Kategorien bewertet werden können, sie besitzen ihre charmanten Momente und obendrauf natürlich einiges an Nostalgie-Potenzial. Damit ist die großformatig im LP-Format präsentierte, edel ausgestattete Box „Wilder Westen — Heißer Orient“ nicht zuletzt dank des prächtigen Bildbandes ein liebevoll gefertigtes Sammlerstück. Eines, an dem der, der sich der Karl-May-Film-Welle musikalisch besonders verbunden fühlt, zweifellos viel Freude haben wird.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Programms zum Jahresausklang 2005.

Erschienen:
2005
Vertrieb:
Universum Film
Kennung:
DVD 82876 67429 9 (3 DVDs)
Zusatzinformationen:
Der Schatz im Silbersee, Winnetou und das Halbblut Apanatschi, Winnetou und sein Freund Old Firehand

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