TV-Natur-Dokumentarserien, 23. Folge:
Jüngst nachgereicht: Edmund Butts Dokumentarfilmmusik zu Yellowstone
Der eindrucksvolle BBC-Naturdoku-Dreiteiler Yellowstone – Legendäre Wildnis stammt bereits aus dem Jahr 2009. Überraschenderweise hat Silva Screen erst jetzt, knapp sieben Jahre später (!), das Musikalbum nachgereicht. Schon damals wurde der Komponist Edmund Butt für diese Vertonung nicht nur von einigen Kritikern gelobt, sondern auch von der Royal Television Society (RTS) in der Kategorie Best Original Score mit dem Craft and Design Award ausgezeichnet.
Der Komponist zeigt sich über die knapp einstündige Zusammenstellung als sehr versierter Orchesterhandwerker, dessen effektsichere Klangschöpfungen zu den reizvollen Naturbildern den Hörer durch ihre Eleganz schnell für sich einnehmen. Butt verwendet einen recht groß besetzten Klangkörper und verzichtet erfreulicherweise auf die heutzutage vielfach auch aus Kostengründen häufig zum Einsatz kommenden synthetischen Mätzchen.
Erhaben und majestätisch gibt sich die Eröffnung („Winter in Yellowstone“), in dem ein besonders episch anmutendes Thema erklingt, das in „Super Volcano“ zurückkehrt und diesem offenbar auch zugeordnet ist. Entsprechend taucht es auch in „Old Faithful“, dem musikalischen Porträt des gleichnamigen, bei den Parkbesuchern besonders beliebten Geysirs wieder auf. Das betont melodische Yellowstone-Park-Thema erklingt erstmals in „Footsteps In The Snow“. Es wird dann in „Yellowstone“ besonders schön breit ausgespielt und bildet im weiteren Verlauf ein einprägsames Erinnerungsmotiv. „Thermal River“ führt dieses Thema mit demjenigen für den Super-Vulkan dramatisch zusammen, welcher Geologie und Geographie dieser Region bestimmt und auch den gleichen Namen wie der Nationalpark trägt.
Zu derart breiter angelegten Momenten mit ausgeprägt epischem Touch schaffen Stücke, gekleidet in vielfach duftige Klangfarben, mit ihrem scherzo- oder balletthaften Charakter, angenehmen Kontrast. Etwa „Otters Playing“ mit seinen von Pizzikatofiguren umsäumten Cello-Soli, die das Glitzern der Eiskristalle elegant versinnbildlichenden Klänge von Klavier, Glockenspiel und Harfe in „Diamond Dust“ oder auch die tonmalerisch imitierten Vogelrufe im charmanten „Humming Birds in Flight“. „Bears Swimming“ greift die spielerischen Figuren des Klaviers aus den „Humming Birds“ erneut auf und führt das Ganze ähnlich leichtfüßig, umsäumt von hohen Streicherlinien, betont tänzerisch fort. „Red Fox Leaps“ mit seinem eingangs einen Hauch indianisch anmutenden Flöten- und dem anschließenden Violinsolo und ebenso das ähnlich gelagerte „Colors Of Autumn“, wo wiederum das Solo-Cello schön hervortritt, formen apart klingende Varianten des Yellowstone-Park-Themas. Und wie nach dem Vorstehenden kaum anders zu erwarten, bringt der Schluss-Track „Flying Over Yellowstone“ diese absolut gelungene Dokumentarfilmmusik dezent unterstützt von einem (gesampelten?) Chor, nochmals breit ausschwingend prachtvoll zum Abschluss.
Unterm Strich ist der erst jüngst gehobene Yellowstone-Score für Filmmusikliebhaber eine echte Perle. Dabei präsentiert er sich als markante, in ihrem ausgeprägt üppig-sinfonischen Duktus so angenehme, nämlich betont klassisch klingende Filmvertonung. Eine Musik, die man kaum überhört, die aber die Proportionen wahrt und sich nicht aufdrängt. Sie funktioniert sehr gut im Zusammenwirken mit den Filmbildern, aber ebenso gut davon gelöst als konzertante Musik. Man fühlt sich dabei an vergleichbare Kompositionen von George Fenton erinnert, aber ebenso an Feines aus bereits etwas zurückliegenden Zeiten von Basil Poledouris, Bruce Broughton, James Horner oder auch Lee Holdridge.
Die 2009er HD-Naturdokumentation zum CD-Album Yellowstone – Legendäre Wildnis
Yellowstone ist ein mitten in den zerklüfteten Bergen der Rocky Mountains befindliches Hochplateau, das infolge seiner exponierten geografischen Lage im Winter zur kältesten Region gehört, die sich in den USA finden lässt. Die Tatsache, dass direkt unter der dünnen festen Oberfläche ein Super-Vulkan schlummert, macht den rund 2400 m über dem Meeresspiegel gelegenen nordamerikanischen Eiskasten zu einem einzigartigen Ort der Extreme. Erste Berichte über Heißwasserfontänen, die Geysire, und weitere vulkanogene Attraktionen dieser anfänglich schwer zugänglichen Region wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Zeitgenossen als unglaubwürdig empfunden und blieben nahezu unbeachtet. Erst nach dem amerikanischen Bürgerkrieg begann sich dies u.a. durch die Hayden-Expedition von 1871 zu ändern. Die Gemälde des Malers Thomas Moran und die Fotos, die der Fotograf William Henry Jackson mitbrachten lenkten erstmals die Aufmerksamkeit breiter Schichten auf diesen außergewöhnlichen Ort, der heute als die geothermisch aktivste Region der Erde gilt. Zwar wurde das Gebiet bereits 1872 zum weltweit ersten Nationalpark erklärt. Anfänglich stand dabei allerdings der Natur- und Artenschutz noch nicht wirklich im Fokus, sondern eher das Interesse, die vulkanogenen Phänomene, etwa die heißen Quellen und die besonders aufsehenerregenden Geysire, kontrolliert einer kommerziellen Nutzung als Touristenattraktion zuzuführen.
Sowohl die aufregenden Touristenattraktionen als auch die interessante Geschichte dieses ersten Nationalparks werden in der dreiteiligen BBC-Dokumentation entweder nur gestreift oder auch ganz weggelassen. Um diese Lücken zu schließen wäre eine vierte Folge zwar schon eine wünschenswerte Ergänzung gewesen, aber bereits so hat man es mit einer Naturdokumentation der Topklasse zu tun.
Im Zentrum des packenden Dreiteilers steht die faszinierende Tierwelt und ihr Überlebenskampf im Wechsel der Jahreszeiten, wobei auch die geologischen und klimatischen Besonderheiten des Yellowstone-Gebietes sorgfältig herausgearbeitet werden. Das BBC-Produktionsteam hat ganze Arbeit geleistet, und die Faszination vom Leben auf dem Vulkan in einem eindrucksvollen Panorama aus epischen Landschaftsbildern, detailverliebten Nahaufnahmen, spannenden Tierbeobachtungen und farbenprächtigen Eindrücken von Pflanzen und Vögeln eingefangen. Sehr gelungen sind auch die majestätischen Flugaufnahmen von Peter Davis. Vom Frühlings Erwachen nach den langen Wintermonaten und dem Bison-Baby-Boom im Frühjahr über den warmen, aber kurzen Sommer, in dem es regelmäßig zu heftigen Flächenbränden kommt, und den farbenprächtigen Herbst (Indian Summer), in dem sich die Wapiti-Hirsche spektakuläre Kämpfe liefern, bis zu den Königen des Winters, dem von den Park-Rangern als „Druiden“ bezeichneten stärksten Wolfsrudel des Parks, spannt sich ein großartiger Bogen. Damit ist diese Doku in jedem Fall auch für diejenigen sehenswert, die schon einmal dort gewesen sind, denn hier bekommt man gerade das gezeigt, was man als Tourist entweder gar nicht oder bestenfalls punktuell zu sehen bekommt.
Als deutscher Sprecher fungiert überaus souverän der Wiener Oliver Clemens, dessen markante und ausdruckstarke Intonation die wertvollen Informationen sehr harmonisch vermittelt. Clemens spricht u. a. auch den deutschen Kommentar zur mittlerweile schon legendären BBC- Reihe Walking with Dinosaurs * Dinosaurier — Im Reich der Giganten.
Bild und Ton sowie Extras
Die Einführung der ersten Blu-ray-Disc-Player und der zugehörigen BD-Scheiben erfolgte im Juni 2006. Damals war das Medium BD noch jung, und im deutschen Fernsehen begann die HD-Ära seinerzeit – zuerst auf arte – erst langsam Gestalt anzunehmen, als Ende August 2009 diese BBC-Dokumentation auf dem deutschen Markt neben der geläufigen DVD auch in HD auf BD erschien. Aber dieser nun schon relativ „alte Schinken“ aus der BBC-Earth-Naturfilmabteilung rangiert nicht nur inhaltlich, sondern auch bildtechnisch auf sehr hohem Niveau. Abgesehen von einzelnen etwas weicher erscheinenden Momenten zeigt das Bild sehr gute bis erstklassige Detail- und Tiefenschärfe, und neben der feinen Farbwiedergabe trägt auch der fast durchweg satte Schwarzwert das Seine zum insgesamt besonders edlen Bildeindruck bei. Hinzu kommt ein sehr angemessenen erscheinender 5.1-Dolby-Digital-Ton, der ohne übertriebene Effekte arbeitet, dafür auf eine sehr überzeugende, mitunter auch mal kraftvolle Atmosphäre setzt und auch der feinen Musik Edmund Butts Gelegenheit gibt, ihre Wirkung zu entfalten. Leider gibt’s zur englischen Originalfassung keine deutschen Untertitel.
Klein, aber zumindest fein. Das gilt für die Boni-Kollektion: Neben einigen als Appetizer fungierenden Trailern (in HD) zu weiteren Polyband-Natur-Dokus finden sich einige Blicke (in SD) hinter die Kulissen der Entstehung in „Yellowstone People“. Gemeint sind damit diejenigen, welche dem BBC-Team als Experten vor Ort behilflich waren. Vorgestellt werden in rund 10-minütigen Episoden Jeff Henry (The Snowman), Mike Kasic (The Fischman) sowie die „Geysir-Gucker“. Dass es sich hierzulande „nur“ um die auf die deutsch-österreichischen Sende-Schemata abgestimmte, pro Folge um ein paar Minuten gekürzte ORF-Fassung handelt, sei der Vollständigkeit halber angemerkt.
Fazit: Zuerst ist da eine maßstabsetzende Naturdokumentation, Yellowstone – Legendäre Wildnis und dazu wird dann rund sieben Jahre später noch das Filmmusik-Album mit der eindrucksvollen Untermalung von Edmund Butt nachgereicht. Auch wenn dies ein Kuriosum ist, sollte der interessierte Filmmusikfreund hier nicht zögern und bei diesem frisch gehobenen, klingenden Schatz der BBC zugreifen, und, so er sie nicht bereits hat, sich die vorzügliche BBC-Naturdoku eventuell noch dazu gönnen.
Zur Erläuterung der Wertungen lesen Sie bitte unseren Hinweis zum Thema Blu-ray-Disc versus DVD.
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