„Alt wie der Fels und in ihm verwurzelt wie die ewigen Wälder ist das Geschlecht der Björndaler …“. Dieser mit Rolf Wilhelms schöner Musik unterlegte Prolog mit Off-Erzähler zum Film Und ewig singen die Wälder, aus der sich das schöne üppige Björndal-Thema herausschält, gehört zu meinen festverwurzelten und liebgewonnenen Kindheitserinnerungen. Gern hätte ich schon damals die Musik auf LP gehabt – leider musste dieser Wunsch bis vor kurzem unerfüllt bleiben.
Der weniger bekannte deutsche Komponist Rolf Wilhelm hat in den fünfziger und sechziger Jahren wertvolle Musikbeiträge für den deutschen und österreichischen Nachkriegsfilm geliefert, die auch heute noch hörenswert sind. Bislang gab es nur in den Achtzigern LP-Veröffentlichungen einiger seiner Filmmusiken, von denen die Komposition für den Zweiteiler Die Nibelungen (1966) wohl die bekannteste ist. Anfang der Neunziger erschienen Teile der Nibelungen-Musik noch einmal auf einer inzwischen vergriffenen CD. Dank der Initiative eines Privatmannes aus Essen wird sich hier in der nächsten Zeit einiges ändern: Mindestens drei weitere Wilhelm-Film-Vertonungen werden auf dem CD-Label Cobra-Records erscheinen (Anschrift siehe unten).
Das Cobra-Label brachte nach der Musik aus zwei Karl-May-Filmen jetzt die dritte CD-Veröffentlichung mit zwei Rolf-Wilhelm-Musiken zu Und ewig singen die Wälder (1959) und der Fortsetzung Das Erbe von Björndal (1960) heraus. Hier handelt es sich um zwei österreichische Epen der Gattung Heimatfilm. Beide gehören zum Besseren, was dieses Filmgenre zu bieten hat. Die mitunter sehr melodramatische Story um ein hochmütiges altes norwegisches Bauerngeschlecht (nach Trygve Gulbranssens Romantrilogie) zeichnet sich besonders durch Landschaftsaufnahmen aus Norwegen aus, die in zeittypisch üppig-schönem Agfacolor hervorragend fotografiert worden sind. Die rücksichtslos ausgetragenen Konflikte im ersten Teil mit dem verarmten adligen Nachbarn führen zu einer Katastrophe mit tödlichem Ausgang. Speziell dieser erste Teil der Saga wird vor allem durch gute schauspielerische Leistungen von Gert Fröbe als bärennarbigem alten Großbauer Dag und Maj-Britt Nilsson als Jungfer Kruse mitgetragen; Und ewig singen die Wälder war in der Kinosaison 1959 denn auch der erfolgreichste deutschsprachige Film, der im gleichen Jahr die begehrte Bambi-Auszeichnung erhielt.
Rolf Wilhelms vollsinfonische, breitorchestral angelegte Musik gehört zum Wertvollsten und auch Zeitlosen, was diese beiden Filme zu bieten haben. Das breit ausschwingende, melodisch eingängige Björndal-Thema ist die Seele der wagnerisch angelegten Kompositionen, die aber auch „nordische Einflüsse“ verarbeiteten. Manchmal erinnert die Stimmung der mitunter auch folkloristisch angehauchten Musik ein wenig an Sibelius und Grieg. In der gut auskomponierten und auch geschickt orchestrierten Partitur durchzieht das Hauptthema in recht vielfältigen Variationen die Klangschöpfungen beider Film-Teile. In Und ewig singen die Wälder geht es dramatischer und bedrohlicher zu, was der Komponist in teilweise besonders düsteren Klängen und einer Reihe von Spannungsmusiken verdeutlicht. Gelegentlich gibt es besonders in den Actionmusiken leichte Durchhänger, aber auch Packendes ist zu hören, wie die mit stampfenden Rhythmen daherkommende, eindrucksvolle Untermalung der Szenen des großen Holzfällens und des Abtriebs der Stämme über den Fjord ins Tal. In der Fortsetzung Das Erbe von Björndal gelingt es Rolf Wilhelm ebenfalls, der trotz aller Probleme und Verwicklungen insgesamt deutlich helleren Grundstimmung des Films gerecht zu werden und seiner dem ersten Teil verbundenen Klangschöpfung neue Facetten hinzuzufügen. Zusätzlich offenbaren beide Musiken beim mehrfachen Hören auch verborgene Schönheiten. Auf der vorliegenden Original-Einspielung dirigierte der Komponist die Wiener Symphoniker. Die Tonqualität der alten Mono-Bänder ist gut, das Booklet ist ansprechend und mit vielen Filmfotos versehen. Wertungsmäßig liegt das Gebotene sicher bei vier bis viereinhalb Sternen. Die am Maximum orientierten viereinhalb Sterne müssten aber auch für kritische Hörer über den Repertoirewert und damit als Albumwertung stimmig sein.