Three Choral Suites by Miklós Rózsa
Auszüge aus Miklós Rózsas Epen-Scores sind keine grundsätzliche Novität, sondern seit den 1960er Jahren auf verschiedenen Samplern erhältlich: anfänglich auf LP und natürlich auch auf CD (beispielsweise von Silva). Trotzdem wirbt das neue Kunzel-Album aus dem Hause Telarc etwas sehr vollmundig mit „World Premiere Recording“. Streng genommen darf abseits des Ben-Hur-EntrActes — im Album als Ouvertüre bezeichnet (s. u.) — nur der überwiegende Teil der Suite aus King of Kings das Prädikat „Ersteinspielung“ beanspruchen. Die Angaben zur Legitimation fallen im Begleitheft allerdings recht dürftig aus. Neben den bekannten Konzertarrangements beabsichtigte der Komponist im Alter offenbar auch spezielle Suitenfassungen seiner Bibel-Epen-Musiken mit Chorunterstützung: Projekte, die er allerdings zum Großteil nicht mehr selbst ausführen konnte. Andere, wie Christopher Palmer, Julian Kernshaw, Nick Rózsa und Erich Kunzel, zeichnen daher für die Arrangements von „Three Choral Suites by Miklós Rózsa“ verantwortlich. Mehr zum Thema findet sich leider nicht. Außer einem kleinen biografischen Abriss über den berühmten Komponisten gibts nur Infos zum Dirigenten Erich Kunzel sowie dem in Utahs Salt Lake City beheimateten Mormon Tabernacle Choir und dessen Leiter Craig Jessop. Kurz angemerkt sei noch, dass es sich nicht, wie der Albumtitel suggeriert, um reine Chorstücke sondern um eine recht abwechslungsreiche und gute Mischung aus choralen — fast durchweg vom Orchester begleiten — und rein orchestralen Piècen handelt.
Die Arrangements sind ein Mix aus den originalen Filmmusiken, den zu den Filmstarts veröffentlichten LP-Albenfassungen und Rózsas Nachspielungen für Decca von Ben-Hur und Quo Vadis, die Ende der 1970er Jahre entstanden. In diesen hat Rózsa gegenüber den Originalen in Teilen deutliche Veränderungen vorgenommen. So sind einige im Film nur kurze Teile — beispielsweise „Messalahs Rache“ — erheblich breiter auskomponiert und außerdem wurden bei den Nachspielungen oftmals deutlich andere Tempi gewählt. Und auch die ursprünglich, infolge reiner Bläserbesetzung, besonders archaisch klingenden „römischen Märsche“ (hierzu siehe Gladiator) wurden durch Streicher ergänzt. Diese Stücke sollten wohl den Hörgewohnheiten des „seriösen“ Klassikpublikums stärker angenähert und damit schmackhafter gemacht werden — dazu siehe auch die Anmerkungen zu Charles Gerhardt bei Objective Burma, All This and Heaven Too und They Died with Their Boots On.
Viele Freunde von Rózsas Filmmusiken sind über diese die Original-Filmmusiken sinfonisierenden und damit letztlich glättenden Eingriffe nie besonders glücklich gewesen. Die vorgebrachten Einwände gelten auch für die genannten Decca-Einspielungen, hier in erster Linie für Ben-Hur; bei Quo Vadis hapert es in erster Linie beim Triumphmarsch. Leider ist auch in den vorliegenden Telarc-Einspielungen bei den römischen Märschen auf den zuvor erwähnten (seinerzeit wohl notwendigen) Kompromiss nicht verzichtet worden.
Was nun das aktuelle Telarc-Album für den Hörer bereithält, kann man trotz kleiner Vorbehalte als im Großen und Ganzen gelungen bezeichnen. Allerdings sind die Tempi der (leider streicherverstärkten) Festmärsche, besonders in Ben-Hur und Quo Vadis für meinen Geschmack denn doch allzu schnell geraten. Ein „Fehler“, der sich allerdings in vielen Nachspielungen findet — siehe auch „Konzertbericht: Westfalian Pops“. Dabei kommen nicht allein die Legionäre aus der Puste — Gepäck weg(schmeißen) und loslaufen heißt hier die Devise — auch den Galeeren-Sklaven in der Ben-Hur-Suite wird von Anfang an annähernd Warp-Geschwindigkeit abverlangt. Besonders merkwürdig mutet außerdem eine spürbare Verschiebung der Tonhöhe in der Melodiestimme in Track 11 (Thema von Marcus & Lygia aus Quo Vadis) an, das etwa um einen Ganztonschritt höher transponiert erscheint. Auf der Habenseite kann die CD dafür nicht nur vorzügliches Orchesterspiel durch das bewährte Cincinnatti Pops Orchestra verbuchen. Besonders eindrucks- und machtvoll ist der ungemein voluminös klingende und exzellent deklamierende Mormonen-Chor. Dessen prächtige Auftritte werden letztlich zur entscheidenden Trumpfkarte des Albums, sind wahrlich eine Wucht.
Chor- und Orchesterparts sind übrigens separat aufgenommen und später zusammengemixt worden. Nicht ganz überzeugte mich dabei allerdings das Ben-Hur-Finale. Dieses ist übrigens Rózsas 1979er Nachspielung angenähert, enthält die vom Komponisten für jene Einspielung nachträglich hinzukomponierte Eröffnung. Im Vergleich zum Filmoriginal wird der Hallelujah-Chor im Finale in der neuen Kunzel-Aufnahme vom üppigen Orchestersound recht stark verdeckt. Nun, das ist letztlich aber auch eine Angelegenheit des individuellen Geschmacks. Entsprechendes gilt für das zwar volle und transparente, aber doch eine Spur entfernt anmutende Klangbild. Anhänger des Surround-Klanges dürften an der sorgfältig räumlich abgemischten SACD-Version ihre Freude finden. Hier scheint der Chor besonders eindeutig vor dem Orchester platziert zu sein.
Die den Einstieg bildende „Ben-Hur-Ouvertüre“ dauert nur drei Minuten und 52 Sekunden. Beim vorzüglich und filmnah gespielten Stück handelt es sich allerdings nicht um die eigentliche, dem Film vorangestellte Ouvertüre, sondern vielmehr um deren Kurzfassung, die als Eröffnung zum zweiten Filmteil (EntrActe) — also nach der Pause — fungiert. Der Hallelujah-Chor („Alleluia“) kommt übrigens in dieser Form in der Filmmusik nicht vor.
Der Kunde erhält hier zwar nicht durchgehend wirklich neuartige Auskopplungen aus den berühmtesten Rózsaschen Epen-Scores, aber eine, die trotz ein paar kleinerer Schwachpunkte unterm Strich sehr zu überzeugen vermag. Dass sollen die als reine „Albumwertung“ zu verstehenden nur im Text vermerkten vier Sterne bezeugen. Ähnlich wie bei mir, dürfte das Album bei manchem Käufer den Wunsch nach einer möglichst vollständigen Neueinspielung der (im Original verlorenen) Musik zu Quo Vadis verstärken.
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