The Village

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
18. September 2004
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

M. Night Shyamalans neuester Mystery-Streich The Village • The Village — Das Dorf ist seit dem 9. September in den deutschen Kinos zu bewundern — oder auch etwas kopfschüttelnd zu belächeln. Besagtes (vergessenes) Dorf scheint sich im Pennsylvania des 19. Jahrhunderts zu befinden. Die friedlichen Bewohner der ländlichen Idylle sehen sich von den „Unaussprechlichen“, monsterartigen Wesen, die aus der hinter dem angrenzenden Wald liegenden Außenwelt stammen, bedroht …

Auch bei diesem — nach The Sixth Sense, Unbreakable und Signs — vierten Film des indischen Regisseurs wurde James Newton Howard mit der Komposition der Filmmusik betraut. Und auch die Musik zu The Village — Das Dorf ist mit der ihrer filmischen Vorläufer spürbar verwandt: Das Klangkonzept setzt hier ebenso auf geheimnisvoll schwebende, mitunter mystisch anmutende Klänge. Der Komponist überzeugt mit einer besonders feinfühlig-introvertierten, die Gefühle der handelnden Personen und die Stimmungen der Bilder reflektierenden Filmvertonung anstelle eines eher plakativen, mit vielen Schockeffekten durchsetzen Vertonungsansatzes.

Eine besonders wichtige Rolle spielen die ausgiebigen Parts der Solovioline. Die überaus warmen, auch spieltechnisch vorzüglich vorgetragenen Soli Hilary Hahns erinnern ein wenig an die vergleichbar stimmungsvollen und reichhaltigen Cellopassagen in Snow Falling on Cedars (2000). Der reine und klare Ton der jungen amerikanischen Violinvirtuosin verleiht der Musik zweifellos zusätzlichen Charme. Und bei aller verhangenen Grundstimmung ist auch dieser Score tiefromantisch gehalten. Das Hauptgewicht der Instrumentierung liegt auf der vielfach geteilten, differenziert agierenden, hier besonders groß besetzten Streichersektion des Hollywood Symphony Orchesters.

Den Score bestreiten drei Themen. Bereits im ersten Track, „Noah Visits“, werden davon zwei vorgestellt. Das erste erklingt direkt eingangs als anrührendes, melodisches Violinsolo. Das zweite, recht geheimnisvoll anmutende Thema (vermutlich für das Dorf stehend) erklingt erstmalig als Melodielinie in den Streichern. Ihm ist als Begleitung eine auf- und absteigende motivische Ostinatofigur in der Solovioline zugeordnet, die im Score weiterhin eine bedeutende Rolle spielt. Das an alte englische Volksmelodien gemahnende, überaus charmante Liebesthema ertönt direkt anschließend in „What Are You Asking Me“ und wird wiederum von der Solovioline intoniert. Gerade in diesen ersten beiden Album-Tracks bekommt der Hörer bereits besonders anrührende, tiefemotionale Passagen dieser besonders klangschönen Filmmusik zu hören.

Das Dorf-Thema erlebt variationstechnisch die markantesten Veränderungen. So mutet es in „The Forbidden Line“ fast schon herrmannesk an. Die beiden anderen Themen hingegen bleiben weitgehend unangetastet. Bei ihnen wird in erster Linie auf dezente Änderungen in der Stimmung Wert gelegt. Dies geschieht vor allem durch behutsame Variation der (überwiegend von der Solovioline gespielten) verzierend eingesetzten Begleitfiguren in Tempo und Phrasierung.

Besonders delikat ist „The Gravel Road“: Hier wird das Liebesthema zuerst vom Piano vorgetragen, wobei die Solovioline dazu mit ähnlichen Ostinatofiguren umspielt, die auch dem Dorf-Thema beigeordnet sind. Anschließend übernimmt diese das Klavier und das Liebesthema wird zuerst von den Streichern und dann von der Solo-Violine übernommen. Zusätzliche Klangfiguren der Harfe und (vermutlich) zweier Blockflöten erweitern neben anderen Holzbläsern die Vielseitigkeit im Ausdruck und sorgen zudem für wirkungsvolle kontrapunktische Akzente. Wobei gerade die Blockflöten ein reizendes archaisierendes Flair erzeugen. Daneben verleihen mitunter eingestreute Klangtupfer von Glockenspiel, Stab- und Röhrenglocken der Musik — nicht allein in diesem Stück — zusätzliche dezente Färbungen.

Die häufig wiederkehrenden, fortwährend auf- und absteigenden, (meist) von der Solovioline als Begleitfiguren virtuos vorgetragenen motivischen Tonfolgen verleihen der Musik mitunter einen leicht minimalistischen Touch. Mag manchem an diesen Stellen — besonders anfänglich — Philip Glass in den Sinn kommen, so weist dies doch in die falsche Richtung. Der (letztlich nur) minimalistische Hauch setzt sich nämlich von den im übrigen tief romantisch gehaltenen, von Melancholie geprägten und ebenfalls virtuos gestalteten melodischen Passagen klar ab. So verleiht der Komponist seiner Musik stimmungsmäßig durch fein nuancierte Kontraste einige Vielseitigkeit. Dank der einfühlsam variierten Begleitstimmen bleibt außerdem Monotonie ausgespart.

Nur vereinzelt sind maßvolle und auch spielzeitmäßig eher knapp bemessene Suspense-Momente im Angebot. In diesen folgen auf kurze Klangausbrüche von Bläsern und Schlagwerk merklich an Thomas Newman erinnernde, stark atmosphärische — sowohl akustisch erzeugte als auch durch elektronische Effekte unterstützte — unheimliche Klangcollagen. Gerade mit der Synthetik ist Howard hier besonders sorgsam umgegangen. Nicht zuletzt, indem er aufdringlich eingesetzten, schnell allein übertrieben wirkenden Elektronik-Bass und wummernde Rhythmik vermeidet, erreicht er ein vergleichbar stimmiges Gesamtresultat wie Marco Beltrami in Hellboy und i, Robot.

Alles in allem handelt es sich bei The Village — Das Dorf sicherlich um eine (besonders auf den ersten Höreindruck) eher unspektakuläre, überwiegend sehr ruhige Filmmusik. Deswegen sollte sich aber niemand dazu verleiten lassen, sich diese mit jedem Hören „besser“ und „schöner“ werdende, sehr gefühlvolle Musik entgehen zu lassen. Zweifellos handelt es sich hier um die ausgefeilteste Filmkomposition James Newton Howards seit Unbreakable (2001). Wertungsmäßig dürften dafür fette vier Sterne stimmig, aber auch ausreichend sein, da bei aller Anmut die Tiefenwirkung von Snow Falling on Cedars denn doch nicht erreicht wird.

Die hohe Hörqualität des Albumschnitts lässt sich durch Programmieren noch merklich verbessern. So läuft der Albumschnitt mit dem finalen, fast rein atmosphärischen „The Shed Not To Be Used“ doch etwas unbefriedigend ins „Leere“ — hier vermisste ich denn doch ein ausdrucksvolles Pendant zu den beiden Eröffnungstracks. Hier würde ich empfehlen, mit „It Is Not Real“ oder vielleicht noch besser mit „The Vote“ — in welchem übrigens alle drei Themen stimmungsvoll miteinander verknüpft sind — die Plätze zu tauschen. So resultiert eine deutlich befriedigendere Höralbenkonzeption.

Mit knapp 43 Minuten ist die CD spielzeitmäßig zwar nicht gerade üppig bestückt, dafür allerdings sehr gut aufgenommen. Der Klang des vielfältig und vielstimmig agierenden Streicherchores ist sehr detailreich aufgefächert und ebenso überzeugend ist die Solovioline (nicht zu aufdringlich weit vorn) platziert. So erhält der Käufer — besonders nach etwas Einhören — ein im wahren Sinn des Wortes klangschönes und auch sehr stimmungsvolles Höralbum. Eines, das über den Platz eines reinen Souvenirs zum Film hinaus auch längerfristig die Chance haben dürfte, (immer) wieder einmal den Weg in den CD-Player zu finden.

Erschienen:
2004
Gesamtspielzeit:
42:29 Minuten
Sampler:
Hollywood
Kennung:
5050467 488328

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