The Thing

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
25. Mai 2005
Abgelegt unter:
CD

Score

(5.5/6)

The Thing

The Thing from another World • Das Ding aus einer anderen Welt (1951) sollte ursprünglich ein Film des Regisseurs Howard Hawks (Red River) werden. Hawks bereitete seinerzeit allerdings seinen vielleicht schönsten Western, The Big Sky, vor und überließ daher den Hauptteil der Regiearbeit seinem langjährigen Mitarbeiter, dem Cutter Christian Nyby. Fairerweise verzichtete Hawks daher auf eine Nennung seines Namens im Vorspann, obwohl sein nicht unbeträchtlicher Einfluss von Nyby in einem Interview aus dem Jahr 1992 klar herausgestellt worden ist. Nyby machte übrigens anschließend eine beachtliche Karriere als Regisseur namhafter TV-Serien, z. B. „Bonanza“ und „Tennisschläger und Kanonen“.

In der Hawks-Biografie nimmt The Thing from another World zwar keinen besonderen Rang ein, ist allerdings als erster „Invasionsfilm“ ein Genreklassiker. Der Film basiert auf der Science-Fiction-Story „Who goes there“, die John W. Campbell Jr. 1938 verfasste. Aus Budgetgründen musste sich die filmische Umsetzung merklich von der Vorlage entfernen. Es geht um ein im arktischen Eis eingefrorenes außerirdisches Lebewesen, das sich letztlich als Gefahr für die gesamte Menschheit erweist. Sieht man sich den Film heutzutage an, ist er zwar recht unterhaltsam, wirkt in Teilen aber zweifellos etwas hausbacken und antiquiert. Dies betrifft die Charakterisierung der allzu aufrecht erscheinenden, kernigen Militärs, und ebenso hat sich das Verhältnis zwischen Vertretern beider Geschlechter (Gott sei Dank!) mittlerweile weiter entwickelt. Das mittlerweile rund 55 Jahre auf dem Buckel tragende Spektakel kann natürlich auch tricktechnisch mit modernen Produktionen nicht mithalten. Hierzu muss man allerdings fairerweise anmerken, dass der Streifen in Anbetracht des knappen Budgets (abgesehen von ein paar kleinen Regiefehlern) sauber umgesetzt und dabei vor allem atmosphärisch recht dicht geraten ist. Das Gefühl von wahrhaft eisiger Umgebung funktioniert auch in den Szenen, die im Sommer aufgenommen worden sind, wo anstelle von Schnee Kochsalz zum Einsatz kommen musste.

Insbesondere die parasitäre Fähigkeit des „Dings“ beliebige Wirtskörper äußerlich unbemerkt zu infiltrieren und zu übernehmen, musste allerdings komplett ausgespart werden. Der Außerirdische erhielt in der Nyby-Hawks-Version ein dem berühmten (Frankenstein-)Monster in Frankensteins Braut (1935) sehr ähnliches Aussehen. Im Begleitheft finden sich dazu übrigens einige der dieser Entscheidung vorausgegangenen Entwürfe des Maskenbildners Don Steward. John Carpenters tricktechnisch sehr überzeugendes Remake aus dem Jahr 1982, The Thing, bleibt in diesem Punkt übrigens erheblich dichter am Original. Ennio Morricones Musik ist durch Eingriffe des Regisseurs auf ca. 30 % des zur Verfügung stehenden Materials reduziert worden. Im Gegensatz zur Komposition Dimitri Tiomkins zum 1951er Original wirkt die von Ennio Morricone zum Remake (im Film) besonders repetitiv und daher monoton.

In der 1951er Version, diesem ersten „Invasionsfilm“, spiegelt sich der Zeitgeist wider: im Sinne von zeittypischer Ufo-Paranoia, aber vor allem der Kalte Krieg und die seinerzeit an Intensität zunehmende berüchtigte Kommunistenhatz durch Senator McCarthy zeigen Auswirkungen. Neben der in späteren Science-Fiction-Filmen x-fach aufgegriffenen Bedrohung durch außerirdisches Leben, ist auch das Motiv des ehrgeizig, rücksichtslosen Wissenschaftlers, der die fremde Lebensform studieren und daher retten will, verschiedentlich anzutreffen: bis hin zum Androiden Ash in Alien (1978).

Dimitri Tiomkins Komposition zu The Thing from another World entstand parallel zu Herrmanns The Day the Earth Stood Still und verwendet ein ähnlich exotisch zusammengesetztes Orchester: Holz- und Blechbläser sind stark besetzt, demgegenüber sind von den Streichinstrumenten allein Kontrabässe vertreten. Hinzu kommen fünf Schlagwerkgruppen: zwei Gruppen Pauken, Flexaton und Windmaschine inklusive. Außerdem sind zwei Klaviere, drei Harfen, elektronische Yamaha-Orgel, Konzertorgel sowie ein Theremin mit von der Partie. Klanglich zeigen Tiomkins und Herrmanns (unabhängig voneinander) entstandene Musiken nur wenig Verwandtschaft, außer das beide als „außerirdisch klingend“ anmuten. Während Herrmann mit eher einfachen musikalischen Mitteln gestaltet hat, steht Tiomkins Idiom Kompositionstechniken der Neuen Musik deutlich näher. Zwar gibt’s bei Tiomkin für das „Ding“ ein simples nur aus zwei Noten bestehendes Motiv; dieses ist allerdings in komplexe, häufig rein atmosphärisch auf Wirkung von Klangfarben konzipierte Schichtungen eingebettet. Geschickt schafft Tiomkin fortwährend eine Atmosphäre latenter Bedrohung und erzeugt in den gewalttätigen Momenten Hysterie, indem er Klangeruptionen der einzelnen Instrumentengruppen, der Harfen, Klaviere und auch des Theremins hart aufeinander prallen lässt. Im ŒŒuvre des Russen ist The Thing from another World zweifellos die fremdartigste und experimentellste Schöpfung überhaupt.

Charles Gerhardt hat bereits Ende der 70er Jahre, im Rahmen der „Classic Film Score Series“, bei seinen Tiomkin-Einspielungen eine rund zehneinhalbminütige Suite aus der Filmmusik aufgenommen, welche die wichtigen Teile der Partitur sehr geschickt zusammenfasst. Diese kommt auch interpretatorisch dem Original sehr nahe, und das, obwohl Gerhardt seinerzeit kein Theremin zur Verfügung stand (!), er dessen ungewöhnlichen Sound vielmehr trickreich nachempfinden musste: als Ersatz fungierten hierfür übrigens ein Ondes Martenot sowie vier Countertenöre. Gerhardt verzichtet auf den zu Beginn und am Schluss des Films erklingenden Marsch im typischen Stil der Wochenschauen jener Zeit, der allerdings ohne den Film schnell als zum Rest eher unpassend und daher als störend empfunden wird. Die klanglich vorzügliche Einspielung suggeriert dem Hörer im langsamen Anschwellen der fremdartigen Klänge auch markant das, was im Original beim eher schroffen Übergang von Newsreel-March zum eigentlichen Main-Title leicht überhört wird: die Ankunft der fliegenden Untertasse.

Die rund drei Minuten kürzere Suite unter Nic Raine auf dem 1998er Silva-Doppel-CD-Sampler „Alien Invasion: Space And Beyond II“ ist demgegenüber nicht nur deutlich schwächer geraten. Es ist nicht zu heftig, wenn man Raines Fassung als fast völlig danebenliegend abklassifiziert! Was einem hier aus den Boxen entgegenströmt, ist bestenfalls (mit gewissen Mühen!) als mit Tiomkins Komposition „irgendwie“ verwandt — derart viele falsche Noten sind im allein merkwürdig ausgeführten und interpretierten Arrangement im Spiel. Es klingt auch nicht nach einem originalen Theremin, dafür säuselt im Hintergrund auffällig und merkwürdig ein Chor. Dass lässt zumindest vermuten, dass man hier möglicherweise auf das Arrangement der Gerhardt-Suite zurückgegriffen hat …

Zusammen mit den Aufnahmen von Leroy Holmes (siehe dazu auch Captain from Castile) gehört Silvas Einspielung zu The Thing from another World zum Bodensatz auf dem Gebiet filmmusikalischer Nachspielungen.

Die mit knapp 27 Minuten vollständige Musik zum 1951er Science-Fiction-Film hat allein als Acetat-Sicherungskopie in Tiomkins Privatarchiv überlebt. Die vor einigen Jahren professionell überspielten Acetat-Platten waren offenbar in recht gutem Zustand. Der Mono-Klang bewegt sich etwa auf dem Niveau gut erhaltener 78er-Schellack-Platten und ist dem von FSMs On Dangerous Ground deutlich überlegen. Der leicht angerauschte und etwas rauhe Klang ist recht sauber und insgesamt ordentlich durchhörbar — die erstklassig klingende Gerhardt-Suite ist hierzu eine wertvolle Ergänzung. Nur vereinzelt sind leichte (Rest-)Störungen (aufgrund von Kratzern auf dem Ausgangsmaterial) zu verzeichnen.

Die Musik zum 1953er Take The High Ground füllt das Album auf rund 79 Minuten Spieldauer auf. Der deutsche Verleihtitel Sprung auf, marsch, marsch! ist Programm für diesen Streifen zur Wehrertüchtigung im Umfeld des Koreakrieges. Bezeichnenderweise ist er bislang weder im deutschen Fernsehen gezeigt noch in den USA bislang überhaupt auf Video veröffentlicht worden. Tiomkins Musikbeitrag zählt im Gegensatz zum wohl nur belanglosen Film immerhin in die Kategorie ordentlicher Routine. Zwei Themen bestreiten das Programm: Ein eher durchschnittliches Marschlied und ein gutes Liebesthema. (Originellerweise vermerkt das Booklet, wie sehr sich die MGM-Hauspropaganda bemüht hat, den Marsch der US-Infantrie als geeignet für’s Musikrepertoire anzudienen.) Mit beiden Themen wird ordentlich gearbeitet, wobei besonders die Spiegelungen des Militärischen in der Musik nett geraten sind. Vom Level ist das Gebotene in etwa mit Max Steiners wenig später entstandener Vertonung zu Battle Cry vergleichbar. Entsprechend kommen hier wertungsmäßig drei bis maximal dreieinhalb Sterne in Betracht. Take The High Ground ist neben 36 Hours (1965) leider der einzige Kompositionsauftrag den Tiomkin in der Magnetton-Ära für MGM ausführte.

Wie die meisten aus der Frühphase der magnetischen Stereo-Tonaufzeichnung, ist auch diese Einspielung in den 60ern auf Magnetband überspielt worden. Im Gegensatz zu den dabei in der Regel allein als Mono-Mix erstellten Sicherungskopien erfolgte diese Überspielung erfreulicherweise fast durchweg in Stereo. Und da auch der Zahn der Zeit kaum daran genagt hat, klingt die als Stereotonmaster zweiter Generation erhalten gebliebene Musik erfreulich sauber und frisch.

Das wiederum vorzügliche Begleitheft dieses FSM-Produkts wartet mit erstklassigen Informationen zu den vertretenen beiden Filmen und ihren Filmmusiken auf. Es ist außerdem mit qualitativ vorzüglichem Schwarzweiß-Bildmaterial ausgestattet. Für die Bewertung des Albums spielt Take The High Ground keine entscheidende Rolle — diese Filmmusik wäre für sich im Übrigen praktisch unverkäuflich. Die Messlatte markiert vielmehr die zweifellos sehr hochwertige Musik zu The Thing from another World. Hierfür halte ich fünfeinhalb Sterne für angemessen.

The Thing from another World auf DVD

Im deutschen Fernsehen ist der Film seit längerem nicht mehr gezeigt worden. Die Kinowelt-DVD schafft da hochwillkommene Abhilfe, zumal das Produkt erfreulicherweise mit einer ungekürzten (!) restaurierten US-Fassung aufwartet. Entsprechend beachtlich ist die Qualität des kontrastreichen Schwarzweiß-Bildes, das mit vielen Details aufwartet — vergleichbar mit den Bildern im Begleitheft zur FSM-CD. Nur gelegentlich stört eine leichte Unruhe den ansonsten tadellosen Bildeindruck. Der Mono-Ton ist unspektakulär, aber durchweg klar und gut verständlich. In den Höhen neigt er zu leichten Verzerrungen, wirkt etwas angerauht. Alles in allem sind diese Eigenschaften für eine Lichttonspur jener Zeit aber keineswegs ungewöhnlich, liegen im sattgrünen Bereich.

The Thing from another World entstand übrigens in Hawks hauseigener Produktionsschmiede mit dem westernhaft anmutenden Namen „Winchester Productions“. Das betreffende Vorspann-Logo ist in der restaurierten Fassung vor dem RKO-Emblem zu sehen. Erstmals bekommt der Konsument hierzulande auch den — gegenüber dem der deutschen Fassung deutlich interessanter gestalteten — originalen Rollenvorspann zu sehen. Doch damit nicht genug: Die deutsche Fassung zeigt gegenüber dem US-Original einige Unterschiede: Dies betrifft in erster Linie verschiedene leichte Kürzungen, die gewisse Tendenzen des Films abschwächen. (Diese Teile sind leicht auszumachen, da hier der deutsche Synchronton fehlt und dafür deutsch untertitelt ist.) Am markantesten ist hierbei zweifellos die verknappte und deutlich optimistischere Schlussszene, bei der die über den Äther verbreitete eindringliche allgemeine Warnung „Keep watching the skies!“ komplett herausgenommen wurde. Beschnitten ist auch der Auftritt des Wissenschaftlers, wenn dieser „das Ding“ vor der Hochspannungsfalle warnen will. Darüber hinaus gibt es in der deutschen Synchronisation gegenüber dem Text der amerikanischen Originalfassung manche Veränderungen, welche offenbar bewusst vorgenommen worden sind.

Die dem Film eingangs attestierte Patina gilt allerdings besonders aus heutigem Blickwinkel. In Anbetracht seiner Entstehungszeit ist der Streifen den seinerzeit typischen Rollenklischees merklich weniger verhaftet. Manches seiner relativen Frische und seines Humors steckt allerdings wiederum in den (englischen) Original-Dialogen. Auch hier ist in der deutschen Synchronisation teilweise geglättet oder komplett entfernt worden: so auch die sarkastischen Anspielungen auf die Atombombe und Präsident Truman.

Das mit einem aufschlussreichen ausführlichen Text von Tobias Kessler versehene 8-seitige Begleitheft ist ein echtes Plus. Es wartet mit sehr lesenswerten ausführlichen Hintergrundinfos zur Produktion und auch zu den Differenzen zwischen dem US-Original und der deutschen Verleihfassung auf. Als Bonusmaterial sind auf der DVD zu finden: eine Galerie mit Pressefotos, der US-Trailer und eine offenbar zum Film vom Verleih RKO herausgegebene Werbepostille, in der man in den einzelnen Artikel lesen kann. Diese insgesamt sorgfältige DVD-Ausstattung ist für einen Film jener Zeit zweifellos etwas mehr als eine eindeutige Empfehlung wert.

Fazit: Für Freunde des Science-Fiction-Films ist die Kinowelt-DVD wohl nahezu unverzichtbar. Aber auch für diejenigen, die sich in erster Linie für das Zusammenwirken von Bild und Musik interessieren, ist diese vorzügliche DVD-Edition eine lohnende Anschaffung.


Mehrteilige Rezension:

Folgende Beiträge gehören ebenfalls dazu:


Komponist:
Tiomkin, Dimitri

Erschienen:
2005
Gesamtspielzeit:
78:42 Minuten
Sampler:
FSM
Kennung:
Vol. 8, No. 1

Weitere interessante Beiträge:

Puccini Discoveries

Puccini Discoveries

Beyond Borders

Beyond Borders

Noah’s Ark

Noah’s Ark

Don’t Say a Word

Don’t Say a Word

Cinemusic.de