The Rifleman

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
12. August 2017
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

Herschel Burke Gilberts legendäre TV-Serienmusik: The Rifleman * Westwärts von Sata Fé

The Riflemans entstand in den Jahren 1958 bis 1963 und ist bei uns erst rund eine Dekade später, von 1969 bis 1972 im Vorabendprogramm des ZDF unter dem Titel Westwärts von Santa Fé gelaufen. Für den an Lebensjahren bereits etwas gesetzteren Leser dürfte ähnlich wie für den Verfasser dieses Artikels besagte US-TV-Serie zu den unauslöschlichen Kindheitserinnerungen zählen. Der Reiz an der Sache setzte direkt beim markanten Intro zu jeder Episode ein, wo der Bürgerkriegsveteran John McLean (im Original Lucas McCain), verkörpert von Chuck Connors, zuerst seine speziell modifizierte Winchester so unverwechselbar zum Einsatz brachte und anschließend seinen markant entschlossenen Blick dem TV-Publikum zuwandte und nachzuladen begann. McLeans Winchester besaß nicht nur einen außergewöhnlich großen, ovalen Repetierhebel. Sie war zudem in der Lage, nach dem Repetiervorgang den Schuss direkt, also ohne dafür den Abzug betätigen zu müssen, quasi automatisch auszulösen. Mehrfach hintereinander praktiziert ergibt das einen Feuerstoß, was uns Jungs seinerzeit absolut beeindruckt hat. Zwar waren mit Hilfe eines Coltrevolvers abgegebene Feuerstöße durchaus geläufig, aber McLeans Winchester verlieh dem Ganzen den fast legendären Hauch eines für seine Zeit ultramodern anmutenden Vorläufers der Schnellfeuergewehre.

Die Geschichten der heutzutage eher weniger bekannten TV-Serie rankten sich um die abenteuerlichen Erlebnisse des besagten John McLean, der in New Mexico nahe der Stadt North Fork zusammen mit seinem kleinen Sohn Fred (Johnny Crawford) auf einer kleinen Ranch lebt. In der Handlung der jeweils 25-minütigen Episoden kam McLean nicht nur häufiger dem befreundeten Marshall von North Folk bei Auseinandersetzungen mit zwielichtigen Gestalten (verkörpert u.a. von späteren Stars wie Dennis Hopper und Sammy Davis Jr.) zu Hilfe. Er war auch dabei gefordert, seinen Aufgaben als alleinerziehender Vater von Fred gerecht zu werden, was in der TV-Landschaft jener Jahre noch Seltenheitswert besaß. Andreas Kötter vom Tagesspiegel hat das Besondere von TV-Serienstar Chuck Connors besonders treffend in Worte gefasst: „Der muskulöse Star mit dem messerscharf geschnittenen Gesicht wirkte immer ein wenig wie die Second-Hand-Ausgabe von Kirk Douglas“.

Von den insgesamt 168 Folgen der Reihe wurden hierzulande immerhin 110 gezeigt. Ein Link im Anhang führt neun wichtige Gründe an, welche die Faszination der seinerzeit sehr erfolgreichen TV-Reihe ausmachten. Dass der anfänglich noch sehr kindliche Johnny Crawford über die rund fünf Jahre der Serienproduktion, wie ja auch die vorwiegend ebenfalls jugendlichen Zuschauer unübersehbar heranreifte, ist ein weiteres nettes Detail dieser Westernreihe.

Der Komponist von The Rifleman: Herschel Burke Gilbert (1918–2003)

Mit dem unmittelbar einprägsamen Titelthema des Rifleman ist zugleich der Name seines Schöpfers, Herschel Burke Gilbert, in ganz besonderem Maße verknüpft. Gilbert arbeitete ab 1944 als Komponist, Arrangeur und Orchestrator für Columbia Pictures und andere Studios. Er war z. B. an der Orchestrierung von Dimitri Tiomkins Musik zur David O. Selznick Produktion Duell in der Sonne (1946) beteiligt.

Als Mitglied in diversen Organisationen, z.B. in seiner Eigenschaft als Präsident der Vereinigung „Screen Composers of America“ von 1947–1954, hat sich Gilbert aktiv für die Belange seiner Kollegen eingesetzt. Entsprechend hat er sich auch um die Bewahrung des filmmusikalischen Erbes verdient gemacht und das nicht nur in den Jahren 1989–1992 als Präsident der heutigen The Film Music Society – welche damals noch The Society for the Preservation of Film Music hieß –, sondern auch späterhin.

Für drei seine Musikuntermalungen erhielt er jeweils eine Oscarnominierung: für das interessanterweise komplett dialogfreie, nur mit Musik und Geräuscheffekten auskommende Noir-Spionage-Drama mit Ray Milland, The Thief * Ich bin ein Atomspion (1952), für die Liebeskomödie The Moon is Blue * Wolken sind überall (1953) sowie für seine Adaptionen von Bizets Oper Carmen für Carmen Jones (1954). Auszüge der Musik zu den beiden erstgenannten Filmen sind über die Links im Anhang abrufbar. Diese und darüber hinaus auffindbare Gilbert-Klangschnipsel vermitteln das Bild eines profilierten, vielseitigen Tonsetzers. Auf modernen Tonträgern ist davon bisher freilich nichts zugänglich. Auch die Musik zur TV-Serie The Rifleman musste, abgesehen vom Main-Title auf einer alten US-LP, fast 60 Jahre Dornröschenschlaf halten. The Rifleman und weitere von Gilbert vertonte, bei uns wenig geläufige Fernsehserienkompositionen entstammen der Zeit, in der dieser als Chef des jeweiligen Music-Departments tätig war: zuerst bei Four-Star-Television (1958–64) und anschließend bei CBS Television Network (1965–66).

Die Musik zu The Rifleman besteht in erster Linie aus zwei Basisthemen: Das unmittelbar ins Ohr gehende, kraftvolle, mit einer Prise Heroismus und Copland-Touch versehene Hauptthema für den Rifleman bildet zusammen mit dem lyrischen Americana-Thema für dessen kleinen Sohn Mark das Rückgrat der Musik. Von beiden Themen und auch aus deren Bruchstücken schuf Gilbert x-fache Varianten, die zur Untermalung der unterschiedlichsten Stimmungen und Situationen der jeweiligen Einzelepisoden taugten. Eingepflegt in die hauseigene MUTEL-(Music for Televison)-Library erfolgte die Vertonung der einzelnen Episoden ausschließlich am Schneidetisch, wo das Musikmaterial geschickt miteinander kombiniert und exakt angepasst werden konnte. Dabei wurde Gilbert von einer kleinen Riege vergleichbar erfahrener Musikerkollegen unterstützt, z.B. Gilbert Grau, Rudy Schrager und Walter Sheets, die ebenfalls einzelne Stücke beisteuerten (auf CD 1). Dieses versiert gehandhabte Copy-and-Paste erinnert stark an die Arbeitsweise der Kinokapellmeister der Stummfilmära. Im Vergleich mit individuell auskomponierten Episodenscores war es natürlich besonders kostensparend. Zusammen mit den in München (s.u.) deutlich preiswerter buchbaren Orchestersitzungen erlaubte eine derartige Kompilationstechnik bei Aufnahme der Library Cues die Verwendung eines größer besetzten Klangkörpers (siehe dazu auch Thriller). Und so vermochte Westwärts von Santa Fé erst Recht in dem noch sehr bescheidenen bundesrepublikanischen Fernsehen der später 1960er Jahre mit seinem ungewöhnlichem, aus den Kinowestern vertrauten, üppigen Orchestersound zu überraschen und zu punkten. Das Resultat klingt auch heute, so viele Dekaden später, noch sehr ansprechend. Häufiger kamen mir dabei Elmer Bernsteins spätere Westernkompositionen in den Sinn, für die The Rifleman möglicherweise mit als ein Vorbild diente.

Neben den für die Westernreihe The Rifleman speziell komponierten und eingespielten Musikfragmenten (auf CD 1 des Sets) kam bei Bedarf noch weitere Musik aus der MUTEL Library zum Einsatz. Da sich Gilbert die Veröffentlichungsrechte gesichert hatte, konnte darin auf sämtliche seiner  Filmvertonungen zurückgegriffen werden. Auf CD 1 finden sich dazu in den Tracks 26 bis 33 interessante Klangbeispiele mit Musikstücken, die sämtlich aus der 1956er Westernvertonung The Naked Hill stammen. Die hier vertretene, zum überwiegenden Teil lyrische Americana, z. B. in „Love In A Laundry“ oder „Jimmo Dies“, braucht sich hinter dem, was man von geläufigeren Komponisten aus Hollywoods Goldener Ära kennt, gewiss nicht zu verstecken.

Weitere interessante Klangbeispiele finden sich in der als Bonus fungierenden CD 2, z. B. mit Cues aus No Place to Hide (1954), Riot in Cell Block Eleven (1954), The Thief (1952), The Highwayman (1951) oder The Jackie Robinson Story (1950). „Assembling an Episode“ liefert dazu dann den krönenden Abschluss. Zusammen mit den im Begleitheft mitgeliefertem Cue-Sheets erhält der Hörer hier anhand der in Auszügen präsentierten Tonspur einen unmittelbaren Eindruck, wie Gilbert und sein Team seinerzeit Musik an eine Episode angelegt haben. Hinzu kommt neben einigen Songs auch noch eine 1960 von der Concert Band der Mount Miguel High School (in Stereo) eingespielte, nette kleine Konzertsuite für Blasorchester. Bei den Songs gibt sich im als amüsanter Dialog zwischen Vater und Sohn angelegten „Hey Pa“ auch der Darsteller des Mark, Johnny Crawford, die Ehre, der – vergleichbar mit Heintje – ab 1960 auch eine Sängerkarriere startete. Das 24-seitige Begleitheft wartet mit detaillierten Hintergrundinfos zur Vertonungspraxis und ebenso zu jedem der einzelnen Tracks auf.

John Gilbert, einer der beiden Söhne des Komponisten, führt das vom Senior am Ende seiner Karriere bei Film und Fernsehen in der zweiten Hälfte der 1960er gegründete Musik-Label „Laurel Records“ weiter. Ihm verdanken wir das jüngst überraschend erschienene Doppel-CD-Album mit Musik zur legendären TV-Westernreihe. Ausgangspunkt war ein überraschender Fund im Nachlass des Komponisten, wo sich in einem unaufgeräumten Kellerraum diverse Tonbänder sowie Manuskripte unter Kartons verbargen. John Gilbert hat in jahrelanger, mühevoller Kleinarbeit dieses komplette Audiomaterial digitalisiert, zugeordnet und vom Toningenieur Jesse Nichols klanglich aufpolieren lassen.

Die originalen Tonmaster wurden seinerzeit von Gilbert mit dem Symphonie-Orchester Graunke (den heutigen Münchner Symphonikern) eingespielt. Bemerkenswerterweise wurde bei Graunke bereits ab ca. 1957 stereophon aufgezeichnet, mit dem heutzutage legendären Neumannmikrofon SM 2 und der (Mitte-Seiten-)MS-Stereoaufnahmetechnik.

Beim aufgefundenen Bandmaterial handelte es sich hingegen offenbar um Arbeitskopien in Mono. Stereoton im Fernsehen war damals nämlich noch eher ferne Zukunftsmusik – siehe dazu auch Disneys geradezu visionäre Werbeaktion für Dornröschen (1959). Entsprechend dürften für’s Editieren der Musik in aller Regel Mono-Mixdowns verwendet worden sein. Die originalen Stereo-Musiktonbänder sind wohl unter die Räder gekommen, als Fourth Star Television im Jahr 1997 aufgelöst worden ist.

Bemerkenswerterweise kamen bei sämtlichen Arbeitsschritten nicht ausschließlich die damals noch neuartigen und teuren Magnettonbandmaschinen, sondern auch  die seit den dreißiger Jahren und wohl noch bis in die 1960er Jahre im Studiobetrieb gebräuchliche Acetatdisc-Technik zum Einsatz, wobei diese Discs final dann wieder auf Band überspielt worden sind. Dem entsprechend sind die auf dem Doppel-CD-Album  zusammengestellten Stücke in der Qualität natürlich schwankend. Aber selbst die tontechnisch zwangsläufig schwächeren Überspielungen von Acetatdiscs klingen dank der sorgfältigen klanglichen Aufbereitung absolut akzeptabel. Eine Reihe von Tracks erscheinen darüber hinaus nicht nur besonders frisch, sondern es gibt erfreulicherweise unter diesen sogar einige Stereotracks: auf CD 1 „The Rifleman“ und „McCain & Son“; auf CD 2 „The Highwaywoman“ sowie „Rifleman Suite for Concert Band“.

Fazit: „Besser spät als nie“, passt zum insgesamt sowohl sehr liebevoll als auch versiert gefertigten Doppel-CD-Album von Laurel Records wohl besonders gut. Diese sehr schöne Westernmusikkompilation hat nämlich nicht ausschließlich Nostalgisches im Gepäck. Vermittelt sie darüber hinaus doch auch in die Tiefe gehende Einblicke in die (nicht nur) beim US-Fernsehen jener Zeit vorherrschende Vertonungspraxis, und das macht sie zugleich zum äußerst wertvollen Studienobjekt.

ANHANG

„9 fascinating facts about ‚The Rifleman“

Nachruf: „Rifleman“ Composer Herschel Burke Gilbert Dead at 85, John Burlingame, The Film Music Society (FMS), Juni 2003.

Kurz-Biografie über den Komponisten auf Laurel-Records

Suite aus The Thief * Ich bin ein Atomspion (1952)

Musik-LP zu The Moon is Blue * Wolken sind überall (1953)

Besonders interessant ist außerdem das aus dem Jahr 2001 stammende, ausführliche Interview, das John Burlingame mit dem Komponisten geführt hat. Gilbert geht darin auch ausführlicher auf die Hintergründe seiner Vertonungen zu Westwärts von Santa Fé ein.

Für Technikinteressierte: „MS-Stereo – die vergessene Alternative“

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Erschienen:
2017
Gesamtspielzeit:
118.07 Minuten
Sampler:
Laurel Records
Kennung:
LR-868

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