Thriller

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
19. Juni 2017
Abgelegt unter:
CD

Score

(5/6)

TV-Musik von Jerry Goldsmith: Thriller

Leigh Phillips ist im Tadlow-Team einer von denen, welche eine der grundsätzlichen Voraussetzungen für Einspielungen schaffen: die notwendigen Rekonstruktionen der betreffenden Filmmusikpartituren. Ihm verdanken wir dieses überraschend, nämlich ohne die sonst übliche frühzeitige Vorankündigung, vorgelegte Album, bestückt mit neueingespielten Suiten zur in den Jahren 1960–62 in den USA gezeigten TV-Serie Thriller, komponiert von Jerry Goldsmith.

TV-Kompositionen, aber auch die für Hörspiele und Radio-Live-Shows (wobei Letztere insbesondere das Improvisationstalent förderten) bereiteten dem jungen Jerry Goldsmith und anderen letztlich den Weg für ihre spätere Hollywoodkarriere. Der Nachwuchs lernte, mit bescheidenen Budgets und damit kleinen bis kleinsten Orchesterbesetzungen ein Höchstmaß an Effekt zu erzielen. Dies waren entscheidende Lehr- und Wanderjahre. Man kam dabei auch mit Großen der Zunft (z. B. Bernard Herrmann oder Franz Waxman) in Berührung, da die Hollywoodstudios sich bereits ab Mitte der 1950er verstärkt auch im TV-Bereich engagierten, hatten sie doch längst erkannt, dass sie das Pantoffelkino als modernen Konkurrenten der großen Leinwand schlichtweg nicht besiegen konnten.

Zu Hören gibt es eine Zusammenstellung von jeweils ca. 10 Minuten der zu den folgenden sechs Episoden komponierten Musik: The Grim Reaper, Hay-Fork and Bill, Well of Doom, Mr. George, The Poisoner und Yours Truly, Jack the Ripper. Das musikalische Programm glänzt mit unzweifelhafter Inspiration und Vielseitigkeit. Zudem lugen bereits hier die späterhin unverwechselbaren Ingredienzien und damit das, was den so markanten Goldsmith’schen Personalstil ausmacht, in Umrissen hervor.

The Grim Reaper beschwört musikalisch das Bild vom auf leicht verstimmter Geige aufspielenden Gevatter Tod, indem geschickt an klassische Vorbilder, wie den Totentanz (Danse Macabre) von Camille Saint-Saëns angeknüpft wird. Well of Doom macht mit seinen ausgeprägten Effekten der tiefen Bläser Bernard Herrmann als entscheidendes Klangvorbild unüberhörbar. The Poisoner wiederum überrascht mit den zum ansonsten dominierenden Streichersound markant kontrastierenden, eine archaisierende Note verleihenden Einsätzen des Cembalos. Und schließlich lässt Yours Truly, Jack the Ripper mit seinen Music-Hall-Anklängen bereits die nur wenig später, im Jahr 1963, entstandene Kinovertonung The List of Adrian Messenger * Die Totenliste vorausahnen. Aber auch betont Lyrisches kommt im Programm nicht zu kurz. So steht für die in Wales spielende Story von Hay-Fork and Bill eine im Stil einer traditionellen Volksweise gehaltene Melodie im Zentrum der Musik und Mr. George betört sogar mit einer das Carol-Ann-Thema aus Poltergeist (1982) geradezu frappant vorwegnehmenden kinderliedhaften Weise, welche zudem ausgeprägten Ohrwurmcharakter besitzt.

Nicht unterschlagen werden soll aber auch, dass Goldsmith bereits in zwei dieser frühen Arbeiten (The Grim Reaper & The Poisener) seine späterhin nicht immer vorteilhaft zum Tragen kommende Neigung zu Klangsynthetik erahnen lässt. Zu den hier freilich tadellos-pfiffigen Einsätzen eines  Synthesizervorläufers, dem bezeichnenderweise von der Hammond Organ Company in den späten 1930ern entwickelten Novachord, ist allerdings nichts Nachteiliges anzumerken.

Den gelungenen Abschluss des CD-Albums bildet ein elegantes Resümee, welches sich übrigens auch perfekt zum Einstieg eignet: Die rund achteinhalbminütige, überaus kontrastreiche Suite aus den sechs Episoden-End-Titles lässt nämlich die stilistische Vielfalt des jungen Komponisten nochmals eindrucksvoll Revue passieren.

Im Begleitheft zeichnet der hinlänglich bekannte und bewährte Jon Burlingame für die informativen Texte verantwortlich. Die Mini-Orchesterbesetzungen sind hier und da gegenüber den aus Budgetgründen besonders schlank gehaltenen Originalen behutsam verstärkt worden (von den ursprünglichen 12 bis 14 Instrumentalisten auf max. 20 Spieler), um einer optimalen Klangbalance, typisch für moderne digitale Stereo-Aufnahmetechnik, besser gerecht werden zu können. Die Einspielungen klingen entsprechend superb.

Für seine Thriller-Vertonungen wurde Goldsmith 1960 für einen Emmy (Outstanding Achievement in the Field of Music for Television) nominiert. Auf Empfehlung Alfred Newmans ging er im Anschluss zunächst zu Universal Pictures – Lonely Are the Brave * Einsam sind die Tapferen (1962) – und stand anschließend überwiegend (aber nicht ausschließlich) bei 20th-Century-Fox unter Vertrag: Der Rest ist Filmmusikgeschichte.

Fazit: Die auf Tadlows feinem Thriller-Kompilationsalbum vertretenen Auszüge sind beachtliche Fingerübungen eines unüberhörbar talentierten, aufstrebenden Nachwuchskomponisten, einer, bei dessen Ankündigung bereits der Name zieht. Und so ist dieses unverhoffte weitere Tadlow-Goldsmith-Album schon vorab zu einem kleinen Renner geworden, dessen Erstpressung bereits praktisch ausverkauft ist. Damit ist ein Thriller Volume 2 gesichert und bereits in Vorbereitung.

Anhang

Die US-TV-Serie Thriller ist im Gegensatz zur britischen TV-Reihe gleichen Namens, entstanden 1973–76, hierzulande bisher wohl nicht gezeigt worden. Ein Markenzeichen der Reihe war die Anmoderation der einzelnen Folgen durch Boris Karloff – der Interessierte findet im informativen Wikipedia-Artikel einen Serien-Guide und kann sich die oben genannten (und weitere) Folgen über Youtube in ordentlicher Qualität im Original anschauen. Die Plots erscheinen in der surrealen Anlage mit denen der parallel sehr erfolgreichen TV-Serie Twilight Zone * Unwahrscheinliche Geschichten, sehr verwandt. Thriller entpuppt sich somit als ein Konkurrenzprodukt. Interessanterweise waren in den 1960ern von Twilight Zone im deutschen Fernsehen allerdings nur 14 der zwischen 1959 und 1964 insgesamt 159 produzierten Folgen zu sehen. Bemerkenswert ist noch, dass die einzelnen Episoden von Thriller rund 50 Minuten, die von Twilight Zone dagegen nur rund 25 Minuten umfassen.

Dass auch derart frühe Vertonungsarbeiten nicht pauschal als zweit- oder gar drittklassig vorverurteilt und somit unberücksichtigt bleiben sollten, belegten bereits die klingenden Auszüge aus Twilight Zone auf LPs des Varèse-Labels. Der auch hier beteiligte Jerry Goldsmith vertonte 1983 übrigens auch das Kinospielfilm-Remake Twilight Zone: The Movie * Twilight Zone: Unheimliche Schattenlichter. Im Jahr 1999 legte Silva zur TV-Serie eine „Twilight Zone 40th Anniversary Box“ mit vier CDs vor. Im selben Jahr hat auch Varèse nochmals nachgelegt, mit einer Neueinspielung sämtlicher Twilight-Zone-Scores von Bernard Herrmann – der zugehörige, aus dem Jahr 1999 stammende Artikel findet sich hier. Auch wenn diese, nicht nur zum Vergleich mit den Kompositionen für Thriller, wichtigen Ausgaben längst vergriffen und somit nur noch antiquarisch erhältlich sind, können die Musikdateien zum legalen Download über das Internet erworben werden.

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Hier finden Sie einen Überblick über alle bei Cinemusic.de besprochenen CDs des Labels Tadlow Music.

Erschienen:
2017
Gesamtspielzeit:
70:09 Minuten
Sampler:
Tadlow 024 (Vertrieb Tadlow/Silva Screen Records)
Zusatzinformationen:
The City of Prague Philharmonic Orchestra, Ltg.: Nic Raine

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