Saint Sinner

Geschrieben von:
Marko Ikonić
Veröffentlicht am:
26. Februar 2003
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Die Story des von Clive Barker geschriebenen und produzierten TV-Horrorfilms Saint Sinner ist schnell resümiert: Im 19. Jahrhundert entfesselt ein Mönch aus Versehen zwei überaus freizügige Dämoninnen – so genannte Succuben – und muss daraufhin im 21. Jahrhundert die Welt und vorderhand die Stadt Seattle retten, wo die bösen Geister nach der Befreiung (und natürlich einer Zeitreise) ihr erotisch-mörderisches Unwesen treiben. Berichten zufolge hält der fertige Film, was schon der skurrile Plot verspricht.

Umso mehr überrascht in diesem Kontext der feine Gothic-Horror-Score, den der amerikanische Newcomer Christopher Lennertz (geb. 1972) beigesteuert hat. Auch er setzt auf das im Horror-Bereich bestens bewährte Rezept aus Symphonik und Chorgesängen, mit dem schon Komponisten wie Jerry Goldsmith und Christopher Young erfolgreich gearbeitet haben. Lennertz’ Lösung liegt denn auch irgendwo zwischen Youngs sehr frei wirkender, der Tonalität oftmals den Rücken kehrenden Bless the Child-Musik und Goldsmiths stärker auf gut erkennbare Arbeit mit Motiven und Themen gestützten Scores für die Omen– und Poltergeist-Filme.

Schroffe atonale Orchesterlandschaften mit unzähligen instrumentalen Klangeffekten z.B. der Streicher, die in Saint Sinner für die wichtigsten Spannungs- und Actionmomente sorgen, verweisen auf Chris Young. Er dürfte als einer von Lennertz’ maßgeblichen Lehrern an der University of Southern California einen prägenden Eindruck hinterlassen haben. Trotz der großteils relativ modernen Tonsprache verzichtet Lennertz nicht auf eingängige Themen. Die Musik kreist dabei im Wesentlichen um zwei thematische Bezugspunkte, um ein Hauptthema von finsterer Schönheit (voll ausgespielt z.B. in „Tomas’ Theme“) und ein kürzeres Motiv für die bösen Mächte, die hier in den beiden dämonischen Widersacherinnen konkrete Form angenommen haben.

Nach erstem Unterricht in Komposition und Jazz-Arrangement an der High School studierte Lennertz Musik und Filmvertonung an der USC. Dort zählten neben dem bereits erwähnten Chris Young weitere Größen wie Elmer Bernstein, David Raksin und der unlängst verstorbene Buddy Baker, dem auch das vorliegende Album gewidmet ist, zu seinen Professoren. Verschiedenen Film-Jobs als „music supervisor“, Synthesizer-Programmierer und Orchestrator (u.a. für Michael Kamens 101 Dalmatians) folgten bald eigene Kompositionsaufträge. Mittlerweile ist der erst 31-Jährige gut im Geschäft und kann bereits auf über 20 Scores für Film und TV zurückblicken.

Als klassisch ausgebildeter Tonsetzer weiß Lennertz genau, was mit einem großen Symphonieorchester und gemischten Chor – und völlig ohne Elektronik! – klanglich möglich ist, und er versteht es auch mit seinem thematischen Grundmaterial recht vielseitig umzugehen. Das kurze Motiv für die Bösewichte etwa ist immer wieder zentraler Bestandteil der angesprochenen Spannungs- und Action-Cues, die also nur auf den ersten Blick „zufällige“ atonale Klanggebilde sind. Besonders gut kommt es im leider nur einmütigen „Waltz of Demise“ zur Geltung, wo es zur Grundlage für einen ins Groteske überzeichneten Walzer wird.

Bei der Behandlung des Hauptthemas zeigt Lennertz ebenfalls Flexibilität. Dieses wirkt als herbes Streicherstück und für Streichquartett gesetzt ebenso überzeugend wie in einer Fassung für Chor a capella. Zum Chor ist zu sagen, dass die meisten seiner Auftritte entweder gar nicht oder nur minimal instrumental begleitet werden. Lennertz zieht es offenbar vor, die vokalen Kräfte in sehr eindringlichen Arrangements (z.B. in „Requiem“) für sich selbst sprechen zu lassen. Da die Hauptfigur ein Mönch ist und das klösterliche Milieu eine wichtige Rolle im Film einnimmt, erscheint diese Entscheidung mit ihren Assoziationen zum gregorianischen Choral auch inhaltlich stimmig. Wie in anderen einschlägigen Filmmusiken sind die lateinischen Texte auch hier der katholischen Kirchentradition entnommen. So inszeniert Lennertz eigene kleine Choralversionen von „Agnus Dei“ und „Dies Irae“, und lässt das bekannte „Kyrie Eleison“ in Track 15 sogar passgenau im Verbund mit dem Hauptthema erklingen.

Christopher Lennertz’ kommerzielles Album-Debüt Saint Sinner ist eine der ersten CDs des kleinen in Los Angeles ansässigen Labels „La-La Land Records“ . Aus dem Selbstverständnis heraus, ein Label von Liebhabern für Liebhaber zu sein, gibt das La-La-Land-Team seinen CD-Editionen stets eine solide Grundausstattung mit auf den Weg. Jede CD verfügt neben einer angemessenen Spieldauer und (insbesondere bei Neuauflagen älterer Musiken) bestmöglichem Klang über ein farbig bebildertes Booklet, das nach Möglichkeit erläuternde Texte vom Komponisten und anderen Beteiligten enthält. Zusätzlich sind alle Veröffentlichungen streng auf maximal 3000 Exemplare limitiert und von Hand nummeriert.

Fazit: Saint Sinner bietet dem geneigten Hörer 48 Minuten clever komponierte, kraftvoll eingespielte (Budapest Film Orchestra und Choir) Horror-Filmmusik. Wenn Christopher Lennertz nicht über Nacht all sein Talent verliert oder dazu gezwungen wird, seine Fähigkeiten wie Bruce Broughton in den seichten amerikanischen TV-Gewässern zu vergeuden, ist ihm eine ansehnliche Karriere im Business zweifellos zuzutrauen.

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
48 Minuten
Sampler:
La-La Land
Kennung:
LLLCD 1003

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