The Lord of the Rings: The Two Towers

Geschrieben von:
Michael Boldhaus
Veröffentlicht am:
17. Dezember 2002
Abgelegt unter:
CD

Score

(4/6)

Die monumentale Saga nimmt ihren Fortgang: Heute, am 18.12.2002, startet weltweit der zweite Teil von Peter Jacksons Herr-der-Ringe-Trilogie, The Lord of the Rings: The Two Towers • Der Herr der Ringe – Die zwei Türme.

Die Gefährten sind nun getrennt: Während Hobbit Frodo und sein treuer Diener Sam ins finstere Land Mordor aufbrechenwo einst Sauron den Ring schmiedete –, versuchen die übrigen den Zauberer Saruman und seine blutrünstige Ork-Armee aufzuhalten.

Tolkiens dreibändiger Roman und damit auch Jacksons Filme erzählen ihre groß angelegte epische Geschichte in drei ohne zeitliche Unterbrechung aufeinander folgenden Teilenwobei Tolkiens Text streng genommen aus 6 Büchern besteht. Entsprechend nahtlos knüpft die Musik zu Die zwei Türme da an, wo die zu Die Gefährten endete. Für das in einer lang zurückliegenden mystischen Zeit spielende Fantasy-Drama hat der Komponist einen nicht besonders komplex strukturierten Ansatz gewählt. Die relative Primitivität des mittelalterlich angehauchten Sujets spiegelt sich in einer nicht besonders kompliziert gebauten, zum Teil barbarisch-wuchtigen, stark archaisch wirkenden Musik wider. Diese ist von eher einfach strukturierten Rhythmen, Themen und Chorsätzen bestimmt. An den Hörer stellt die Verarbeitung der Themen und Motive keine allzu hohen Anforderungen, vielmehr werden diese überwiegend nur leicht variiert als Erinnerungs-Motive eingesetzt, was aber nicht grundsätzlich gleichbedeutend für „simpel gemacht“ steht.

Shores Filmmusik zum Tolkienschen Epos kann man zwar als „primitiv“ bezeichnen, allerdings im Sinne der ehedem positiven Bedeutung dieses Begriffs: als einfach oder „ursprünglich“. Das „Ursprüngliche“ ist hier Teil eines sorgfältig durchdachten und ausgefeilten Klang- und Kompositionskonzeptes, das sowohl als Musik im Film als auch abseits der Bilder als reines Höralbum funktioniert. Neben Teilen von zum Teil orgiastischer Wildheit gibt es immer wieder zartlyrisch auskomponierte Oasen von Sinnlichkeit, Poesie und zauberhaft schwebender Stimmung, die den Zuhörer begeistern könnenetwas, das Shores Ring-Musik ein wenig in die Nähe von Carl Orffs „Carmina Burana“ rückt. Wie tief die Komposition in Tolkiens Ring-Mythologie verhaftet ist, zeigt sich auch in der Einbindung der (von Tolkien speziell entwickelten) Kunstsprachen in den meisten Liedern.

Wie die zum ersten Film veröffentlichte CD präsentiert auch das zum Filmstart von Die zwei Türme vorliegende Album weniger als die Hälfte der von Howard Shore zum Film komponierten Musikund wiederum in sehr guter Klangqualität. Die aus Die Gefährten bekannten Themen und Motive begegnen dem Hörer in leicht modifiziertem klanglichen, mitunter auch harmonisch differenzierten Gewand wieder. Insgesamt ist die Grundstimmung noch deutlich düsterer und vor allem martialischer als im ersten Filmteil.

Der durch den Einfluss des Ringes zu einer Art „Zwerg Alberich“ mutierte Hobbit Gollum wird im weiteren Verlauf der Geschichte zu einer zunehmend bedeutungsvollen, ja letztlich entscheidenden Figur. Musikalisch bleibt seine Anwesenheit jedoch auch im zweiten Teil eher unscheinbar, die ihm zugeordnete motivische Tonfolge ist jedoch (wie sich noch zeigen wird) schicksalhaft eng mit dem Ring-Motiv verbunden. Umso markanter ist das neu hinzugekommene kraftvolle Thema für das Reitervolk von Rohan, das erstmals in „The Riders of Rohan“ erscheint und hier durch die verwendete nordische Hardanger-Fiedel ein besonders klangschönes keltisches Flair erhält. Neben den Chorpassagen gibt es dieses Mal verstärkt schöne Liedeinlagen: so das lyrische „Evenstar“von der Sopranistin Isabel Bayrakdarian mit Chorbegleitung vorgetragenund auch das von Sheila Chandra und Elizabeth Fraser ansprechend interpretierte melancholische „Breath of Life“. Monumental und dramatisch-wuchtig sind die den Schlachtenlärm untermalenden Passagen: in „Helm’s Deep“ und „The Hornburg“, wobei in letztgenanntem Stück die Trompeten geradezu bildhaft zum Angriff blasen.

Insgesamt mag die Musik auf dem CD-Album zum ersten Filmteil, Die Gefährten, etwas vielschichtiger, inniger und auch weniger plakativ sein. Und obwohl die Partitur zu Die zwei Türme klanglich und stilistisch keine Überraschungen bietet, kann die Musik unterm Strich kaum als enttäuschend bezeichnet werden. Das Finale wartet sogar mit einem besonders überzeugenden Höhepunkt auf. Gollum kommtim Gegensatz zur Buchfassungsingend zu Wort: In „Gollum’s Song“ trägt Emiliana Torrini eine Art traurig-morbides „Lied der Nacht“ in Englisch vor, dessen fortwährende Moll-Harmonien nicht nach Dur aufgelöst werden, was die trostlos-verhangene Stimmung ausmacht. Gollum reflektiert tieftraurig über Einsamkeit, Hoffnungslosigkeit und seine schicksalhafte Bestimmung: „… and you will wait when you face the end alone, you are lost, you can never go home …“

Anfänglich wohl etwas gewöhnungsbedürftig, entfaltet Gollums Lied bei mehrmaligem Hören ganz besonderen Reiz. Mit seiner orchestralen Einleitung und einem hymnisch-machtvoll gesteigerten instrumentalen Schlussdas Thema der Reiter von Rohan erstrahlt nochmals stolz in den Bläsernsteht es zudem einer spätromantischen Opern-Arie sehr nahe. Diesen Kunstgriff hat der Komponist zwar auch am Ende des ersten Teils (im Enya-Song) gekonnt praktiziert, in Die zwei Türme wirkt dieser aber durch den scharfen musikalischen Kontrast (tristes Lied und heroisches Rohan-Thema) noch eindringlicher. So kommt der „zweite Akt“ von Howard Shores Ring-Drama besonders eindrucks- und auch würdevoll zum Abschluss.

Dieser Artikel ist Teil unseres umfangreichen Herr-der-Ringe-Specials.

Komponist:
Shore, Howard

Erschienen:
2002
Gesamtspielzeit:
72:48 Minuten
Sampler:
Warner/Reprise
Kennung:
9362-48379-2

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